Die Wahrnehmung der Wissenschaft durch Hollywood

Petra Pansegrau. Die Darstellung von Wissenschaft in Spielfilmen ist fast so alt wie das Kino selbst. Interessant ist, dass die zahlreichen unterschiedlichen Wissenschaftlerdarstellungen in einer überschaubaren Anzahl immer wiederkehrender Stereotypen abgebildet werden, die hier in Kürze skizziert werden sollen.

Der „mad scientist“: verrückt, besessen, entgrenzt und unkontrollierbar

Die mad scientists wider Willen haben meist anfänglich durchaus hehre Ziele oder bewegen sich innerhalb ethischer und rechtlicher Grenzen. Sie sind oft sympathisch und wollen etwa ein Heilmittel für schwere Krankheiten finden. Beispiele: „Der Mann mit den Röntgenaugen“ (1979) oder „Die Fliege“ (1958). Diesen Wissenschaftlern misslingt ein hektisch oder unvorsichtig durchgeführter Selbstversuch und sie werden zu Opfern ihrer eigenen Forschung. Filme, die diesen Stereotyp darstellen, fokussieren die unvorhersehbaren Folgen von Wissenschaft und appellieren an die Angst, dass Wissenschaftler extrem leicht die Kontrolle über ihre Forschung verlieren. – Andere mad scientists sind besessen von der Gier nach Macht, Ruhm oder Geld oder von der Vollendung einer Idee. Beispiele: „Dr. Frankenstein“, „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“. Die Protagonisten sind meist skrupellos, häufig extrem größenwahnsinnig, kriminell und ausschließlich von ihren eigenen Motiven und Inte­ressen geleitet. In zahlreichen Filmen geht es um die Schaffung neuen Lebens. Die zentrale Botschaft dieser Filme ist die Gefährlichkeit der Wissenschaft und die Unkontrollierbarkeit einzelner Wissenschaftler. – Dem Weltbeherrscher geht es um umfassende Macht, er will herrschen und hat keinerlei moralische Prinzipien. Zum Erlangen seines Zieles ist ihm jeder Weg recht, er ist unverantwortlich, ruchlos, beutet andere aus und verhält sich bösartig. Er will die Welt nicht nur verstehen. Er will sie haben. In diesen Filmen gibt es allerdings sehr häufig ein Happy End. Der gute Gegenspieler (meist kein Wissenschaftler) gewinnt und am Ende muss der böse, utopische Herrscher immer sterben. Beispiel: „James Bond jagt Dr. No“ (1962). 

Der schrullige Wissenschaftler: töricht und trottelig

Diese Wissenschaftler sind immer etwas weltfremd, verwirrt, tragen Socken, die nicht zusammenpassen, vergessen irgendwelche zentral wichtigen Dinge, haben wirre Haare und ignorieren Gefahren. Sie sind aber im Großen und Ganzen zumeist gutmütig. Die in diesen Filmen dargestellte Wissenschaft findet meist zu Hause statt und bringt Ideen zustande, die von der wissenschaftlichen Realität weit entfernt sind, zum Beispiel Zeitreisen mit einem Auto. Am Ende des Films stellt sich allerdings manchmal he­raus, dass der schrullige Wissenschaftler tatsächlich mit einem wichtigen Forschungsprojekt beschäftigt war. Beispiel: Doc Brown in „Zurück in die Zukunft“ (1986). Diese Figur ist derart stark überzeichnet, dass sie die Kriterien exzentrisch und komisch spielend erfüllt. 

Der Wissenschaftler als Held oder Abenteurer

Zugrunde liegt der Eroberungsmythos, und es werden unbefangene Wissenschaftlerhelden geschildert, die die Wunder und Rätsel der Natur mithilfe der Wissenschaft, ihrer eigenen Tapferkeit und ihrem Eroberungsdrang überwinden. Beispiele: Indiana Jones, „Jurassic Park“ (1993), „Medicine Man“ (1992). Hier findet die Wissenschaft draußen in der Natur statt, die Forscher sind sportliche, attraktive, pragmatische Persönlichkeiten, die für den Dienst an der Sache gern ihr eigenes Leben gefährden oder das anderer retten. Offenbar hat sich seit den Neunzigerjahren die Anzahl der Filme, die Wissenschaftler als Helden oder Abenteurer zeigen, erhöht. Dieser Trend zu sportlicheren und actionbetonten Darstellungen, die andererseits aber auch moralisch unkompliziert sind, bedeutet möglicherweise, dass in Krisenzeiten gern die Vorstellung verstärkt wird, dass sich mit Tapferkeit, Optimismus und Ausdauer die meisten Probleme lösen lassen. 

Abbild gesellschaftlicher Ängste

Die immer wieder auftauchenden Stereotypen appellieren offenbar an eine diffuse Angst vor der Wissenschaft – an die Furcht vor Macht, Veränderung und Kontrolle, die normale Menschen entmachtet und überwacht. Es entsteht Angst, dass die „Falschen“ das Wissen kon­trollieren könnten. Manifestiert wird dies häufig an Themen, die brisante Diskurse in der Gesellschaft abbilden. Wissenschaftsdarstellungen im Film sind immer auch eine Metapher für die vorherrschenden gesellschaftlichen Ängste und Probleme.

Doch möchte die Filmwelt nicht ganz auf die positiven Versprechungen der Wissenschaft verzichten. Deswegen bewegt sich der Wissenschaftler im Film zwischen den extremen Polen des dämonischen und verrückten Wissenschaftlers und des „guten“ Wissenschaftlers – des Helden und Abenteurers –, der zum Garanten der moralischen Werte ausersehen ist.

Fazit

Jede neue wissenschaftliche Entwicklung zieht die Formulierung neuer Ängste in der populären Kultur nach sich, die sich auch in den filmischen Darstellungen von Wissenschaft niederschlagen.

Korrespondenzadresse

Dr. Petra Pansegrau
Universität Bielefeld
Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft
Universitätsstraße 25, 33615 Bielefeld
E-Mail: petra.pansegrau@uni-bielefeld.de