Lügenforscher: Darum lügen wir

Warum wird eigentlich gelogen? Ist das immer verwerflich? Und gibt es Unterschiede zwischen Frauen und Männern? Diese Fragen beantwortet Dr. Philipp Gerlach, Psychologe und Dozent an der Hochschule Fresenius in Hamburg, im Interview.

Was sind überhaupt Lügen? Und wie entstehen sie? 

Es gibt verschiedene Formen der Lüge. Die Lügen, die wir untersucht haben, dienen dem persönlichen Profit und werden auch „schwarze Lügen“ genannt. „Schwarze Lügen“ sind oft eine Versuchung: Entweder man sagt die Wahrheit oder man entscheidet sich dagegen, um persönlich zu profitieren, z. B. in Form von Geld, sozialer Anerkennung, mehr Wählerstimmen. Normalerweise birgt jede Lüge aber auch das Risiko, aufzufliegen. Langfristig ist es i.d.R. besser, wenn man seinen guten Ruf als ehrlicher Mensch behält. Kurzfristig kann es aber sein, dass man der Versuchung nicht wiederstehen kann. 

Manchmal kann es auch schmerzhaft sein, die Wahrheit zu hören. Gibt es auch gerechtfertigte Lügen? 

„Weiße Lügen“ sind Lügen, bei denen beide Seiten von der Lüge profitieren. Nehmen wir an, Sie hatten heute so einen richtig miesen Tag. Nun werden Sie von einer Kassiererin gefragt, wie es Ihnen geht. Die Antwort „ach, ganz gut“ erspart Ihnen und der Kassiererin eine lästige Unterhaltung — auch wenn es sich dabei klar um eine Lüge handelt. „Weiße Lügen“ sind daher auch gesellschaftlich akzeptiert, im Gegensatz zu den „schwarzen Lügen“.

Sie haben in Ihrer Studie herausgefunden, dass Männer mehr lügen als Frauen. Woran liegt das? 

Ja stimmt, wir haben 565 Experimente mit über 44.000 Teilnehmern untersucht. Im Schnitt haben Männer mehr „schwarze Lügen“ als Frauen erzählt. Der Unterschied war nicht wahnsinnig groß, aber er war recht eindeutig und über viele Experimente hinweg so zu finden. Es ist unklar, warum es zu diesem Geschlechterunterschied kommt. Es gibt Studien, die zeigen, dass Männer risikobereiter sind als Frauen. Diese Risikobereitschaft könnte erklären, warum Männer eher bereit sind, „schwarze Lügen“ zu erzählen. Eine alternative Erklärung ist, dass Frauen häufig prosozialer sind. Einige Studien zeigen, dass Frauen unehrliches Verhalten vor allem dann scheuen, wenn andere Menschen unter den Folgen ihrer Lüge leiden. Beide Erklärungen sind aber reine Spekulationen. Wir wissen es schier nicht.

Infos: www.hs-fresenius.de

Quelle: Hochschule Fresenius.