Wartezeiten sind fast immer hausgemacht

Werner M. Lamers. „Wir haben lange Wartezeiten, weil wir so viel zu tun haben!“, hört man immer wieder von Ärzten. Das ist entweder eine Schutzbehauptung oder ein Irrtum.

Zitierweise: HAUT 2020;31(5):252-253

Entgegen landläufiger Meinung ist die Ursache für lange Wartezeiten niemals ein Zuviel an Patienten. Wer zu viele Patienten hat, merkt das daran, dass diese zu lange – ­Wochen oder Monate – auf einen Termin warten müssen. Ein weiteres Zeichen für zu viele Patienten ist, wenn man immer wieder mittags und abends ins Wartezimmer gehen und noch wartende Patienten nach Hause schicken muss. 

Bei kritischer Betrachtung wird man die wirkliche Ursache für lange Wartezeiten immer in einer insuffizienten Terminplanung oder in einer mangelhaften Termindisziplin von Arzt oder Praxis finden können.

Akutfälle sind nicht unbedingt das Problem

Wartezeiten haben nur dann etwas mit einem hohen Patientenaufkommen zu tun, wenn der Anteil der Akutfälle die Kapazität der Praxis übersteigt. Unplanbare Fälle sind für eine stark frequentierte Praxis aber sogar ein geringeres Problem als für eine Praxis mit wenigen Patienten: Bei einem Psychotherapeuten mit 8 Patienten pro Tag führt ein Notfall viel eher zu langen Wartezeiten als 10 Akutfälle in einer großen Hausarztpraxis mit 100 Patienten pro Tag. Diese 10 Fälle verteilen sich in der Regel über den Tag und können durch eingebaute Pufferzeiten abgefangen werden.

Die Erfahrung zeigt außerdem, dass in vielen Praxen lange Wartezeiten auch an solchen Tagen entstehen, an denen keine oder wenige Akutfälle behandelt werden müssen.

Wunsch versus Wirklichkeit

Lange Wartezeiten entstehen immer dann, wenn Patienten zum falschen Zeitpunkt in die Praxis kommen. Das zu vermeiden, ist der Zweck der Termin­planung. Wenn dennoch lange Wartezeiten entstehen, werden die Patienten einfach nur zum falschen Zeitpunkt bestellt. Hier orientiert sich die Planung wahrscheinlich an den Wunschvorstellungen von Arzt oder MFA, nicht aber an der Nachfragewirklichkeit. Planung bedeutet außerdem mehr, als lediglich die Namen der Patienten aufzuschreiben. 

Top 3 der häufigsten Fehler bei der Terminplanung

Interessanterweise sind es immer die gleichen Fehler und Ursachen, die zu langen Wartezeiten führen:

  • In vielen Praxen wird nicht wirklich geplant, sondern nur eine bestimmte Anzahl von Patienten möglichst gleichmäßig über den Tag und die Woche verteilt. Dies führt zwangsläufig jeden Tag zu unnötig langen Wartezeiten, weil Patienten­unterschiede, Notfälle, Stoß­zeiten und dergleichen nicht berücksichtigt werden.
  • Es fängt mit den Montag-Morgen-Wochenend-Fällen an, die bei manchen Praxen bereits beim Öffnen vor der Tür stehen. Jeden Montag das gleiche, und dennoch ist für diese Zeit schon der erste Patient bestellt. Bei einigen Fachrichtungen geht es weiter mit dem ­Blaumacher-Ansturm zwischen 10.00 und 11.00 Uhr. Kaum hat die Uhr 12.00 geschlagen, erscheint der nächste Schwung – die Patienten, die am Nachmittag keine Zeit haben. Derartige Er-kenntnisse können und müssen in der Planung berücksichtigt werden.
  • Zeiten werden nicht ehrlich genug eingeschätzt. In etlichen Praxen wird täglich bis 14.00 Uhr gearbeitet, Termine werden aber nur bis 12.00 Uhr vergeben. Somit ist eine rund zweistündige (!!!) Wartezeit bereits fest in die Terminorganisation eingebaut. Außerdem konzentrieren sich noch sämtliche Vormittags­patienten, die ohne Termin kommen, auf die kurze Zeitspanne bis 12.00 Uhr. Mit weiter gefassten  offiziellen Öffnungszeiten würden sich die Patienten ohne Termin zumindest zum Teil auf diese längere Zeit verteilen.

Tipp 1: Einbestellungen entzerren 

Sollte also die Vormittagssprechstunde erfahrungsgemäß bis 14 Uhr dauern, so muss (bei einer durchschnittlichen Behandlungszeit von 15 Minuten) der letzte Patient hier für 13.30 Uhr bestellt werden. Das heißt nicht, dass noch mehr Patienten am Vormittag zu behandeln sind. Es bedeutet lediglich, die Patienten näher zu dem Zeitpunkt zu bestellen, an dem sie auch tatsächlich behandelt werden.

Tipp 2: Pufferzeit einplanen 

Eine Terminverwaltung dient dazu, das Angebot (Ihre Arbeitszeit) und die Nachfrage (die Behandlungsbedürfnisse Ihrer Patienten) aufeinander abzustimmen. Da die Nachfrage nie konstant ist, muss die zu große Nachfrage in Zeiten des Spitzenbedarfs auf einen größeren Zeitraum verteilt werden und müssen die Lücken gefüllt werden, in denen wenige Patienten von sich aus kommen.

Doch ist es nicht getan mit einem lediglich gleichmäßigen Verteilen. Die Termin­organisation kann nur funktionieren, wenn Akutfälle und unvorhersehbare Situationen berücksichtigt werden. Sie brauchen Freiräume für nicht planbare Fälle. Begehen Sie daher nie den Fehler, zu eng zu planen. Versuchen Sie, für einen dringenden Fall jederzeit noch für den gleichen Tag einen Termin anbieten zu können, ohne den geplanten Ablauf durcheinanderzubringen. Das geht – und wird von vielen Praxen tagtäglich vor­gemacht.

Tipp 3: bestehende Termine verschieben

Sie haben die Termine auf Basis der Durchschnittswerte geplant und dennoch kommen zusätzliche Fälle hinzu? Falls diese nicht in die Mittagspause oder in den Feierabend verlegt werden können, könnten eventuell bestehende Termine verschoben werden. Umgekehrt können bei entstehenden Lücken Patienten telefonisch gefragt werden, ob sie eher kommen möchten.

Tipp 4: Die Mischung macht‘s

Verschiedene Patienten- bzw. Terminarten sollten möglichst gleichmäßig über den Tag verteilt werden. Voraussichtlich zeitaufwendige sollten unbedingt mit kurzen Terminen gemischt werden. Andernfalls wächst die Gefahr, dass Leerlaufzeiten entstehen. Hat man fünf 20-Minuten-­Untersuchungen in Folge geplant und fallen zwei davon hintereinander aus, weil die Patienten den Termin nicht einhalten, sind 40 Minuten zu überbrücken. Mischt man die Terminarten, hat man in einer solchen Situation einen Puffer, in dem man sich für die Kurzpatienten zwischendurch mehr Zeit lassen kann.

Tipp 5: „Kleinvieh“ nicht unterschätzen 

Auch Tätigkeiten wie Telefonate, Rezepte unterschreiben, Wundkontrollen und dergleichen müssen geplant werden. Ungünstig ist es, für diese Tätigkeiten einen kompletten Zeitblock zu reservieren. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass einige der „Kurzfälle“ sich doch als zeitaufwendiger herausstellen werden. 

Tipp 6: Scheinlösungen vermeiden

Viele vermeintliche Tricks sind auf Dauer keine Lösung. Etwa, wenn die Patienten in die Praxis kommen und sich eine Nummer ziehen. Sie wissen dann zwar ungefähr, wann sie drankommen und können bis dahin die Praxis wieder verlassen. Doch das ist lediglich eine Verlegung der Wartezeit nach außen. Abgesehen davon, dass das Wartezimmer entlastet wird, ergeben sich daraus keine wirklichen Vorteile. Für die Patienten steigt sogar der Gesamtaufwand – wegen der doppelten Wege.

Korrespondenzadresse

Werner M. Lamers
Lamers – Praxisberatung
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