Krankheiten vorbeugen – Mangel an Bewegung und Biofaktoren vermeiden

Regelmäßige körperliche Aktivität wirkt sich positiv auf Körper und Gehirn aus. Der in weiten Teilen der Bevölkerung verbreitete Bewegungsmangel hingegen führt zu einer dramatischen Zunahme von Zivilisationskrankheiten wie dem metabolischen Syndrom und Typ-2-Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen.

„Die medizinische Herausforderung des 21. Jahrhunderts ist, gesund alt zu werden“, so die Meinung von Prof. Hans-Georg Predel, Leiter des Institutes für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule Köln. Regelmäßige körperliche Bewegung und ein moderates Ausdauer- und Krafttraining sind nach Meinung des Mediziners Predel zentrale Bestandteile in der Vorbeugung und Behandlung zahlreicher Erkrankungen.1 

Nach den Guidelines der European Society of Cardiology profitieren sämtliche biologischen Systeme von einer lebenslangen sportlichen Aktivität – und das evidenzbasiert:2

  • Gehirnfunktion und Psyche
  • kardiopulmonales System
  • Immunsystem und Stoffwechsel
  • Muskulatur und Sehnen

 Körperliche Fitness als Lebensversicherung

Insbesondere sportliche Aktivität im Freien wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus. Die Copenhagen Heart Study3 mit über 5.000 herzgesunden Männern ergab beispielsweise, dass sich über einen Beobachtungszeitraum von vier Dekaden pro 10 ml maximaler Sauerstoffverbrauch die allgemeine Mortalität um 10 % senken ließ. Eine im März 2022 veröffentlichte Analyse zeigte, dass die im Freien verbrachte Zeit positiv mit dem Volumen der grauen Substanz im rechten dorsolateralen präfrontalen Kortex korreliert.4 Und laut einer randomisierten, kontrollierten Studie erhöhten zwei Jahre überwachtes hochintensives Bewegungstraining bei gesunden Probanden mittleren Alters die maximale Sauerstoffaufnahme und verringerten die myokardiale Steifigkeit des linken Ventrikels, die bekanntermaßen als Ursache für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion angesehen wird.5

Wieviel Schritte pro Tag?

Selbst Menschen ab Mitte 50 Jahre und älter können nach aktuellen Studienergebnissen von den gesundheitlichen Effekten von Sport und regelmäßiger Bewegung profitieren. „7.000 bis 10.000 Schritte pro Tag sind das Optimum für Herz und Hirn“, so der Mediziner Predel. Diese Empfehlung für das tägliche Schrittvolumen wurde beispielsweise in einer Kohortenstudie an über 2.000 Teilnehmenden der CARDIA-Studie bestätigt. Probanden, die ungefähr 7.000 Schritte täglich oder mehr zurücklegten, wiesen niedrigere Sterblichkeitsraten auf im Vergleich zu Probanden, die weniger als 7.000 Schritte pro Tag zurücklegten.6

Wir bewegen uns zu wenig

Trotz der bekannten positiven Ergebnisse über die Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf die Gesundheit sieht die Realität leider anders aus. So erreichen etwa 80 % der über 60-Jährigen die WHO-Empfehlung, sich mindestens 150 Minuten pro Woche zu bewegen, nicht.7 Gerade im Hinblick auf die steigende Lebenserwartung empfiehlt es sich daher, in der täglichen Praxis die Patientinnen und Patienten zu mehr und regelmäßiger körperlicher Aktivität zu ermuntern.

Was können Biofaktoren in der Krankheitsprävention bewirken?

Neben dem gesundheitlichen Nutzen von Bewegung und Sport ist auch auf eine optimale Versorgung mit essentiellen Biofaktoren wie Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen zu achten.
Vitamin D3 beispielsweise unterstützt die Muskelleistung sowie Schnellkraft und Koordinationsfähigkeit der Muskulatur.8 Der Biofaktor ist zudem wichtig für die Regulierung der Immunabwehr. Sportlerinnen und Sportler mit ausreichender UV-Exposition während des Trainings leiden in der Regel nicht unter einem Vitamin-D3-Mangel,9 – im Gegensatz zu Sportlerinnen und Sportlern aus Hallensportarten, mit dunkler Hautfarbe oder ausgeprägten UV-Schutzmaßnahmen. 

Ergebnisse aus zwei Kohortenstudien zeigten, dass eine Supplementierung mit dem Biofaktor einen positiven Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Herz-Lungensystems hat. Alle Parameter der sportlichen Leistungsfähigkeit – gemessen am Fahrradergometer – korrelierten mit dem Calcidiol-Serumwert, der Speicherform von Vitamin D3. Probanden mit hohen Calcidiol-Spiegeln zeigten eine um bis zu 25 % höhere körperliche Leistungsfähigkeit im Vergleich zu Probanden mit niedrigen Calcidiol-Spiegeln.10,11

Fazit für die Praxis

Patientinnen und Patienten jeden Alters sollten auf die positiven Effekte von Sport und körperlicher Aktivität sowie einer optimalen Versorgung mit essentiellen Biofaktoren aufmerksam gemacht werden. Es gilt für jeden Menschen und besonders für Ältere mit Vorerkrankungen, Inaktivität und einen Biofaktorenmangel zu vermeiden. Regelmäßige körperliche Bewegung und ein moderates Ausdauer- und Krafttraining auf der einen Seite und eine gesunde, ausgewogene und biofaktorenreiche Ernährung auf der anderen Seite sind wichtige Bausteine in der Krankheitsvorbeugung. Zudem empfiehlt es sich, bei Risikopatienten einen potentiellen Biofaktorenmangel labordiagnostisch nachzuweisen und bei Bedarf gezielt über zugelassene Arzneimittel auszugleichen. So kann Zivilisationskrankheiten vorgebeugt bzw. deren Entwicklung positiv beeinflusst werden. 

Interview

mit Prof. Dr. Klaus Kisters, Internist und stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für Biofaktoren e. V. (GfB)

Prof. Kisters, welche Rolle spielen Bewegung und eine aktive Lebensweise in der Vorbeugung von sogenannten Zivilisationskrankheiten wie dem metabolischen Syndrom oder Herzerkrankungen? 

Prof. Kisters: Nach den aktuellen Leitlinien zur Sportkardiologie der European Society of Cardiology können regelmäßige Bewegung und körperliche Aktivität nachweislich den Blutdruck normalisieren, aber auch den Glukosespiegel und das Lipidprofil senken. Gefäßschützend und damit krankheitsvorbeugend wirken übrigens auch eine ausgewogene Ernährung, ein moderates Körpergewicht, ein gutes Anti-Stress-Management und der weitgehende Verzicht auf Nikotin und Alkohol.

Es ist auch bekannt, dass eine optimale Versorgung mit Biofaktoren wie Vitaminen und Mineralstoffen wichtig in Prävention und Therapie zahlreicher Erkrankungen ist. Ist das richtig? 

Prof. Kisters: Das ist richtig. Patientinnen und Patienten, die unter metabolischem Syndrom, Typ-2-Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen leiden, profitieren vor allem von einer optimalen Versorgung mit den drei Biofaktoren Magnesium, Kalium und Vitamin D3 – und dass über alle Altersklassen hinweg und z. B. auch nach einem Herzinfarkt oder bei koronarer Herzkrankheit. Bei diesen Patientinnen und Patienten ist selbstverständlich eine engmaschige Kontrolle wichtig, insbesondere im Hinblick auf die körperliche Aktivität. Der positive Effekt einer Supplementierung mit den genannten Biofaktoren in der Prävention und auf den Krankheitsverlauf gerade kardiovaskulärer Erkrankungen, aber auch bei Typ-2-Diabetes wurde in zahlreichen Studien beschrieben.

Und in welcher Tagesdosis sollten die drei Biofaktoren supplementiert werden?

Prof. Kisters: Hier haben sich etwa 4.000 mg Kalium, 1.000–2.000 IE Vitamin D3 – mitunter etwas mehr – und 250 bis 300 mg Magnesium bewährt. Das Ziel ist der Ausgleich eines potentiellen Mangels und die Ausnutzung pharmakologischer Effekte der genannten Biofaktoren. Bei Magnesium empfehle ich aufgrund der besseren Bioverfügbarkeit, organisch gebundene Verbindungen des Biofaktors in oraler Form wie Aspartat, Orotat oder Citrat einzusetzen. Vor allem Magnesiumorotat zeigte in In-vitro-Studien eine Absorptionsrate von bis 90 % und eine schnelle Wirkstoff-Freisetzung.

Vielen Dank für das Interview, Prof. Kisters.

 

Die Muskulatur – ein endokrines Organ

„Vermittelt werden die positiven Effekte der körperlichen Aktivität über Myokine, die der Skelettmuskel bei jeder Bewegung produziert und freisetzt“, betont Prof. Klaus Völker, Sportmediziner und Seniorprofessor des Institutes für Sportwissenschaft der Universität Münster.1 Die Myokine entfalten hormonähnliche Wirkungen und können spezifische endokrine Effekte auf andere Organe auslösen. Sie wirken nicht nur auf den Muskel selber, sondern beispielsweise auch auf Entzündungsprozesse im Körper. Außerdem fördern sie die Knochenbildung, stimulieren das Immunsystem, schützen vor Krebs und erhöhen die Spiegel des neuroprotektiven Brain Derived Neurotrophic Factors (BDNF). Das Protein BDNF beeinflusst die Gedächtnisleistungen, und ein Mangel wird laut Studien mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Demenz und Depressionen verknüpft. „Auswirkungen auf die Serumspiegel des Wachstumsfaktors BDNF haben auch Biofaktoren wie beispielsweise Magnesium und Zink“, so Völker.

 

Gesellschaft für Biofaktoren e. V.

Die Gesellschaft für Biofaktoren e. V. ist ein gemeinnütziger Verein, der das Ziel verfolgt, die wissenschaftlichen Grundlagen der Therapie und Prophylaxe mit Biofaktoren zu fördern (www.gf-biofaktoren.de).

 

Literatur:

1 Online-Fach-Symposium der Gesellschaft für Biofaktoren e. V. am 15. 10. 2022: „Biofaktoren und Bewegung: Welche Relevanz haben Vitamine und Mineralstoffe für Mobilität und Leistungsfähigkeit?“. https://www.gf-biofaktoren.de/symposium-2022/ 
2 Visseren FLJ et al.: 2021 ESC Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. Eur Heart J 2021 Sep 7; 42(34): 3227-3337
3 Clausen JSR et al.: Midlife Cardiorespiratory Fitness and the Long-Term Risk of Mortality: 46 Years of Follow-Up. J Am Coll Cardiol 2018 Aug 28; 72(9): 987-995
4 Kühn S et al.: Spend time outdoors for your brain - an in-depth longitudinal MRI study World J Biol Psychiatry 2022 Mar; 23(3): 201-207
5 Howden EJ et al.: Reversing the Cardiac Effects of Sedentary Aging in Middle Age-A Randomized Controlled Trial: Implications For Heart Failure Prevention. Circulation 2018 Apr 10; 137(15): 1549-1560
6 Paluch AE et al.: Steps per Day and All-Cause Mortality in Middle-aged Adults in the Coronary Artery Risk Development in Young Adults Study. JAMA Netw Open 2021 Sep 1; 4(9): e2124516
7 Bull CF et al.: World Health Organization 2020 guidelines on physical activity and sedentary behaviour. Br J Sports Med 2020 Dec; 54(24): 1451-1462
8 Larson-Meyer DE et al.: Vitamin D and athletes. Curr Sports Med Rep 2010; 9: 220-226
9 Carlsohn A et al.: Vitamin-D-Status von Athleten mit hoher UV-Exposition im Training. Ernährungs Umschau 2013; 60(10): 174-176
10 Kaul A et al.: Vitamin D is associated with cardiopulmonary exercise capacity: results of two independent cohorts of healthy adults. Br J Nutr 2016; 115: 500-508
11 www.gf-biofaktoren.de/wissenswertes-ueber-biofaktoren/diagnose/

Dr. Daniela Birkelbach
Gesellschaft für Bio­faktoren e. V. 
daniela.birkelbach@gf-biofaktoren.de 
www.gf-biofaktoren.de