Vitamin-B12-Mangel? Säureblocker als mögliche Ursache

Unter langfristiger Einnahme von Säure­blockern erhöht sich signifikant das Risiko für ein Vitamin-B12-Defizit

Über zwölf Millionen Menschen in Deutschland haben im Jahr 2019 mindestens einmal einen Säureblocker eingenommen – in der Behandlung der gastroösophagealen Refluxkrankheit, für Ulkuspatienten oder unter NSAR- bzw. ASS-Medikation indiziert. Nach wie vor liegen die Verordnungen auf sehr hohem Niveau – mitunter auch bei nicht gesicherten Indikationen. Und dass obwohl Säureblocker wie Protonenpumpenhemmer (PPIs) und Histamin 2-Rezeptorantagonisten laut Studienergebnissen bei Langzeiteinnahme in Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Demenz, chronischen Nierenerkrankungen1 und sogar einem erhöhten Sterberisiko2 führen können.

Negativer Einfluss auf den Vitamin-B12-Spiegel

Bekanntermaßen unterdrücken Vertreter dieser Arzneimittelgruppe die Magensäure und wirken sich dadurch auch auf die Freisetzung des Biofaktors Vitamin B12 im Darm aus. Säureblocker hemmen die Aktivität der Belegzellen im Magen – Belegzellen, die Magensäure produzieren, die aber wiederum der Organismus benötigt, um Vitamin B12 aus dem Nahrungseiweiß zu lösen. Außerdem bilden Belegzellen den für die Vitamin-B12-Resorption notwendigen Intrinsic Faktor. Infolge einer Therapie mit Säureblockern kann es daher zu einer Vitamin-B12-Unterversorgung kommen.3 Und ein unbehandelter Vitamin-B12-Mangel erhöht langfristig das Risiko für die Entwicklung hämatologischer Erkrankungen wie der megaloblastären Anämie und teils irreversibler neurologischer Schäden wie Polyneuropathie oder Hirnleitungsstörungen.

Studienergebnisse eindeutig

Länge der Einnahmezeit

Eine Fallkontrollstudie an knapp 26.000 Teilnehmern mit Vitamin-B12-Mangel und 180.000 Personen ohne Vitamin-B12-Defizit (Kontrollgruppe) zeigte bereits 2013 eindeutig, dass sich das Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel durch langfristige Einnahme von zwei oder mehr Jahren von Protonenpumpenhemmern um 65 % und von H2-Blockern um 25 % erhöht.4

PPIs können auch die Resorption der Vitamine C, D und Folsäure hemmen, die Magnesium-Ausscheidung fördern sowie den Eisen-, Zink- und Calcium-Haushalt negativ beeinflussen.2Zu beachten
Vitamin-B12-Aufnahme und -Verfügbarkeit können nicht nur durch Säureblocker, sondern auch durch das orale Antidiabetikum Metformin, Methotrexat, Carbamazepin, Hydrochlorothiazid, Colestyramin, Kontrazeptiva oder Sulfasalazin verringert werden.2,6,7

Höhe der Dosierung

Auch die Dosierung der Säureblocker hatte Einfluss auf den Vitamin-B12-Status: Mehr als 1,5 Tabletten PPIs pro Tag waren stärker mit einem Mangel an dem Biofaktor assoziiert als eine Tagesdosis von 0,75 bis 1,49 Tabletten. Zudem war bei jungen Patienten die Korrelation zwischen der Einnahme von Säureblockern und einem Vitamin-B12-Mangel am deutlichsten ausgeprägt. Das ist vor allem deshalb beachtenswert, weil in dieser Altersgruppe ein Vitamin-B12-Defizit kaum auftritt und auch selten differenzialdiagnostisch berücksichtigt wird.

Labordiagnostik stützt Mangel-Diagnose5

Bei Verdacht auf einen Vitamin-B12-Mangel empfiehlt sich eine sorgfältige Blutanalyse.

Weitere Informationen zur Labordiagnostik von Vitamin B12 finden Sie im Beitrag „Erkrankungen des Nervensystems – Welche Rolle spielt Vitamin B12?

 

 


„Bleibt der Vitamin-B12-Status trotz umfangreicher Labordiagnostik nach wie vor unklar, ist aufgrund der guten Verträglichkeit eine Supplementierung ratsam, deren Erfolg klinisch verifiziert werden kann“, so Prof. Karlheinz Reiners, Neurologe und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Gesellschaft für Biofaktoren (GfB).



Fazit: Vitamin-B12-Mangel ausgleichen

Unter der Behandlung mit ­Säureblockern empfiehlt es sich, regelhaft auf den Vitamin-­B12-Status zu achten und einen eventuellen Mangel durch entsprechende Supplementierung zu beheben. Der Ausgleich des Vitamin-B12-Defizits ist durch die Möglichkeit einer gut verträglichen, hochdosierten oralen Darreichungsform – in Tagesdosen von 1.000 bis 2.000 µg – erleichtert worden,8,9,10 die von den meisten Patienten der parenteralen Substitution vorgezogen wird.
 

Literatur

1Gomm et al. AgeCoDe. German study on ageing, cognition and dementia in primary care patients. JAMA Neurol 2016, 73: 410.
2 Xie Y et al. Risk of death among users of Proton Pump Inhibitors: a longitudinal observational cohort study of United States veterans BMJ Open 2017 Jul 4, 7(6): e015735.
3 Mohn et al. Evidence of Drug-Nutrient interactions with chronic use of commonly prescribed medications: An update. Pharmaceutics 2018, 10: 36.
4 Lam JR et al. Proton pump inhibitor and histamine 2 receptor antagonist use and vitamin B12 deficiency. JAMA 2013 Dec, 310(22): 2435-2442.
5 Reiners K: Vitaminkrankheiten. In: Hoffmann GF, Grau AJ (Hrsg): Stoffwechselerkrankungen in der Neurologie. Stuttgart: Thieme, 2004, 163176.
6 Samaras D et al. Effects of widely used drugs on micronutrients: A story rarely told. Nutrition 2013, 29: 605-610.
7 Gröber U: Arzneimittel und Mikronährstoffe. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH 2007.
8 Andrès et al. Systematic review and pragmatic clinical approach to oral and nasal vitamin B12 (Cobalamin) treatment in patients with vitamin B12 deficiency related to gastrointestinal disorders. J Clin Med 2018, 7 (304).
9 Bolaman Z et al. Oral versus intramuscular cobalamin ­treatment in megaloblastic anemia: A single-center, prospective, randomized, open-label study. Clinical ­Therapeutics 2003, 25(12): 3124-3134
10 Vidal-Alaball JV et al. Oral vitamin B12 versus intra­muscular vitamin B12 for vitamin B12 deficiency.
Cochrane Database. Syst Rev 2005 Jul, 20(3). CD0046

Dr. Daniela Birkelbach
Gesellschaft für Biofaktoren e. V.
www.biofaktoren.de
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