Welche Rolle spielt der Biofaktor Magnesium bei ADHS?

Der folgende Beitrag beschreibt den potenziellen Nutzen einer Magnesiumsupplementation bei Kindern mit Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS).

ADHS gehört heutzutage zu den häufigsten psychisch-neurologischen Entwicklungsstörungen. Beschränkt man sich in der Praxis auf die Diagnose ADHS, blockiert das allerdings eine saubere Differenzialdiagnostik. Denn die Kernsymptome Aufmerksamkeitsschwäche, Hyperaktivität und Impulsivität sowie die Nebensymptome Aggressivität, gestörtes Sozialverhalten und Lernprobleme können auch bei anderen Krankheiten auftreten. Das erschwert eine eindeutige Diagnose – auch wenn mittlerweile feste Kriterien nach dem Klassifikationssystem ICD-10 dokumentiert sind – und das nicht zuletzt, weil sich die Symptome nicht immer eindeutig von „normalen“ altersmäßigen Verhaltensweisen abgrenzen lassen. Aufgrund der häufig subjektiven Bewertung der Störungen – wie unkonzentriert, wie „hibbelig“ darf ein Kind in welchem Alter sein? – sollten deshalb nur erfahrene Therapeutinnen und Therapeuten zurate gezogen werden.

ADHS und Magnesiummangel ähneln sich

Der Biofaktor Magnesium spielt eine zentrale Rolle bei vielen Stoffwechselvorgängen, auch im Gehirn, wo Magnesium unter anderem an der Synthese der Neurotransmitter Dopamin und Serotonin beteiligt ist. Ein Magnesiummangel kann deshalb ein breites Spektrum an neurologischen und psychiatrischen Störungen auslösen. Die Spanne reicht von unspezifischen Symptomen wie Übererregbarkeit, Nervosität und Konzentrations- und Leistungsschwäche bis hin zu geistigen Leistungseinbußen und Demenz. Das Krankheitsbild eines Magnesiummangels zeigt demnach ein umfangreiches Symptom-Overlapping zur ADHS. Die bereits erwähnten Kern- und Nebensymptome der ADHS finden sich ebenso im Magnesiummangel.

Magnesium und ADHS – so ist die Studienlage

Der potenzielle Nutzen von Magnesium bei ADHS konnte in wissenschaftlichen Untersuchungen gezeigt werden. Anhand von Beobachtungsstudien ist die umgekehrte Korrelation zwischen dem Serummagnesiumspiegel und der ADHS-Symptomatik gut dokumentiert. Auch gibt es Hinweise aus Interventionsstudien, dass sich eine Magnesiumsupplementation positiv auf Verhaltensfunktionen und die psychische Gesundheit von Kindern mit ADHS auswirken kann. Beispielsweise wurde im Vergleich zu gesunden Kontrollen bei Kindern mit ADHS ein signifikant niedrigerer erythrozytärer Magnesiumspiegel zu Beginn der Untersuchungen nachgewiesen. Nach achtwöchiger Supplementation mit 6 mg/kg Körpergewicht (KG) Magnesium pro Tag – plus Vitamin B6 – besserten sich sowohl die erythrozytären Magnesiumwerte als auch die klinische Symptomatik. Eine randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte Untersuchung aus 2021 zeigte, dass eine ebenfalls achtwöchige Magnesiumsupplementation von 6 mg/kg KG/Tag – in Kombination mit Vitamin D3 – zu einer signifikanten Verringerung von emotionalen Problemen, Verhaltensproblemen, Problemen mit Gleichaltrigen und Gesamtschwierigkeiten führt. Es lohnt sich deshalb, bei einem Kind mit ADHS-Diagnose auf den Magnesiumstatus zu achten. Denn ein bestehendes Defizit auszugleichen, ist einfach und verursacht im Gegensatz zu den gängigen ADHS-Medikamenten keine Nebenwirkungen. Auch wenn ein Kind bereits mit Methylphenidat oder anderen Arzneimitteln behandelt wird, kann eine Add-on-Therapie mit Magnesium einen Zusatznutzen bewirken oder bestenfalls sogar zu einer Senkung der Medikamentendosis führen.

Praxisempfehlung: Magnesiummangel bei ADHS vermeiden

Kindliche Entwicklungsstörungen im Rahmen einer ADHS können durch Magnesium reduziert werden. Vergleiche von ADHS-Patientinnen und -Patienten mit und ohne Magnesiumtherapie zeigen einen therapeutischen Benefit durch den Biofaktor. Vor diesem Hintergrund erscheint der Einsatz von Magnesium bei ADHS-Betroffenen indiziert – allein oder in Kombination mit Methylphenidat bzw. anderen schul­medizinischen Arzneimitteln und möglichst mit einer Verhaltenstherapie verknüpft.

Literatur

1 www.dimdi.de/htmlgm2018/block-f90-f98
2 Liebscher DH et al.: Magnesiummangel und -therapie bei ADHS. Empfehlungen der Gesellschaft für Magnesium-Forschung e.V. Nieren- und Hochdruckkrankheiten 2011, 40(3): 123-128
3 Effatpanah M et al.: Magnesium status and attention deficit hyperactivity disorder (ADHD): A meta-analysis. Psychiatry Res 2019 Apr, 274: 228-234
4 Mousain-Bosc M et al.: Magnesium VitB6 intake reduces central nervous system hyperexcitability in children. J Am Coll Nutr 2004 Oct, 23(5): 545S-548S
5 Mousain-Bosc M et al.: Improvement of neurobehavioral disorders in children supplemented with magnesium-vitamin B6. I. Attention deficit hyperactivity disorders. Magnes Res 2006 Mar, 19(1): 46-52
6 Hemamy M et al.: The effect of vitamin D and magnesium supplementation on the mental health status of attention-deficit hyperactive children: a randomized controlled trial. Pediatr 2021 Apr 17, 21(1): 178
7 Ausführliche Informationen zu Magnesium, auch zur Labordiagnostik: www.gf-biofaktoren.de

Dr. Daniela Birkelbach
Gesellschaft für Bio­faktoren e. V.
daniela.birkelbach(at)gf-biofaktoren(dot)de
www.gf-biofaktoren.de

  • Weitere Informationen: www.gf-biofaktoren.de oder in dem Review: Frank J, Kisters K, Stirban OA, Lorkowski S, Wallert M, Egert S, Podszun MC, Pettersen JA, Venturelli S, Classen HG, Golombek J. The role of biofactors in the prevention and treatment of age-related diseases. Biofactors 2021;47:522–550, IF 6.113.
  • Die Gesellschaft für Biofaktoren e. V. (GfB) ist ein gemeinnütziger Verein, der das Ziel verfolgt, die wissenschaftlichen Grundlagen der Therapie und Prophylaxe mit Biofaktoren zu fördern.