Was haben Fleischverzicht und Vitamin B12 mit Depressionen zu tun?

Eine fleischlose bzw. vegetarische Ernährung ist signifikant mit einem erhöhten Depressionsaufkommen verknüpft – so die Ergebnisse von zwei großen Meta-Analysen. Könnte ein Vitamin-B12-Mangel die Ursache sein? Der Biofaktor wird alimentär vor allem über Lebensmittel tierischer Herkunft aufgenommen und ist laut Studienlage wichtig für die psychische Gesundheit.

Laut einer Meta-Analyse von Ende 2021 mit knapp 50.000 Studienteilnehmern* aus 13 Studien zeigten Menschen mit einer omnivoren Ernährung signifikant niedrigere Werte in den eingesetzten Depressions-Scores im Vergleich zu Vegetariern.1 Auch eine zweite Meta-Analyse aus demselben Jahr mit mehr als 170.000 Probanden aus 20 Studien ergab, dass Fleischesser im Vergleich zu Fleischabstinenzlern signifikant seltener an Depressionen, aber auch an Angstzuständen litten.2 Die positiven Auswirkungen auf die psychische Gesundheit durch Fleischkonsum waren umso stärker, je strenger das Studiendesign – Diagnose durch einen Arzt oder lediglich ein Fragebogen zur Selbstauskunft – war.

Zu beachtenEs wird hier keinesfalls ein persönlicher Lebensstil bzw. eine vegane oder vegetarische Ernährung kritisiert. In diesem Beitrag geht es ausschließlich um wissenschaftliche Nachweise. Außerdem ist laut Bundesinstitut für Risikobewertung einem Großteil der Vegetarier und Veganer die Möglichkeit einer Supplementierung mit kritischen Biofaktoren wie Vitamin B12 zum Ausgleich eines Mangels bekannt.4
Auch von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung wird die Notwendigkeit einer Vitamin-B12-Supplementierung betont: „Eine sicher bedarfsdeckende Vitamin-B12-Zufuhr ausschließlich mit pflanzlichen Lebensmitteln ist nach heutigen Erkenntnissen nicht möglich. Sich vegan ernährenden Personen wird daher zur Sicherstellung einer ausreichenden Vitamin-B12-Versorgung empfohlen, dauerhaft ein Vitamin-B12-Präparat einzunehmen.“5
Zur Supplementierung empfiehlt sich allerdings statt eines Nahrungsergänzungsmittels der gezielte Einsatz eines für die jeweilige Lebenssituation notwendigen und wissenschaftlich geprüften Biofaktors, der als Arzneimittel zum Ausgleich eines Mangels zugelassen ist.
„Die Meinung ist weit verbreitet, dass Nahrungsergänzungsmittel in derselben Weise wie Arzneimittel geprüft werden. Das ist allerdings nicht so, nur für Arzneimittel muss die Sicherheit und Wirksamkeit vor deren Zulassung belegt werden,“ warnt in diesem Zusammenhang auch Prof. Classen von der GfB.

Vegane und vegetarische Kost – Risiko Vitamin-B12-Mangel

Die Autoren der genannten Untersuchungen machten noch auf einen weiteren Aspekt aufmerksam. Vegane und streng vegetarische Ernährung kann zu einem Mangel an dem essenziellen Biofaktor Vitamin B12 führen. Und dieser Mangel wiederum kann das ohnehin schon bestehende Risiko für die Entwicklung einer Depression weiter erhöhen. Beispielsweise hatten laut einer Untersuchung – wiederum aus dem Jahr 2021 – Probanden mit einem Vitamin-B12-Mangel eine über 50 % höhere Wahrscheinlichkeit, über einen Zeitraum von vier Jahren depressive Symptome zu entwickeln.3 Dieses Ergebnis hielt auch nach Kontrolle der Parameter körperliche Aktivität, chronische Erkrankungen, Vitamin-D-Status und Einnahme von Antidepressiva stand. „Bei Menschen mit depressiven Verstimmungen und Depressionen sollte daher neben der Behandlung mit Antidepressiva und Psychotherapie der Vitamin-B12-Status im Auge behalten werden,“ betont Prof. Hans Georg Classen, Vorsitzender der Gesellschaft für Biofaktoren e. V. (GfB).

 

Vitamin-B12-Supplemente bei Depressionen nützlich?

Eine Übersichtsarbeit verschiedener Interventionsstudien aus dem Jahr 2020 konnte nachweisen, dass eine frühzeitige Vitamin-B12-Supplementierung in Tagesdosen zwischen 500 und 1.000 µg den Beginn einer Depression verzögern und die Wirkung von Antidepressiva verbessern kann.6 Letztgenannte Aussage wurde bereits in anderen Studien bestätigt.7 Wichtig ist, bei Verdacht auf einen Vitamin-B12-Mangel, diesen labordiagnostisch zu bestätigen.8

 

Laborparameter zum Nachweis eines Vitamin-B12-Mangels

Gesamt-Vitamin-B12-Serumspiegel:

 

200–1.000 ng/l

Normbereich

< 200 ng/l

Vitamin-B12-Mangel bestätigt

200–400 ng/l

Serum-Holotranscobalamin (Holo-TC)
messen

Holo-TC < 35 pmol/l

Vitamin-B12-Mangel bestätigt

Holo-TC > 55 pmol/l

Vitamin-B12-Mangel unwahrscheinlich

Holo-TC 36–55 pmol/l

Methylmalonsäure (MMA) und/oder
Homocystein im Serum messen

MMA > 300 nmol/l bzw. > 0,4 µmol/l

und Homocystein > 10 µmol/

Vitamin-B12-Mangel bestätigt

Literatur

1 Ocklenburg S et al.: Vegetarian diet and depression scores: A meta-analysis. J Affect Disord 2021 Nov 1; 294: 813-815
2 Dobresk U et al.: Meat and mental health: A meta-analysis of meat consumption, depression, and anxiety. Crit Rev Food Sci Nutr 2021 Oct; 6: 1-18
3 Laird E et al.: Low vitamin B12 but not folate is associated with incident depressive symptoms in community-dwelling older adults: a 4 year longitudinal study. Br J Nutr 2021 Dec; 13: 1-22
4 Bundesinstitut für Risikobewertung: Vegane Ernährung als Lebensstil: Motive und Praktizierung. Abschlussbericht. Berlin 2017 (BfR-Wissenschaft 05/2017). Download als kostenfreies PDF unter www.bfr.bund.de
5 Ausgewählte Fragen und Antworten zu Vitamin B12. Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. Dezember 2018
6 Sangle P et al.: Vitamin B12 Supplementation: Preventing onset and improving prognosis of depression. Cureus 2020 Oct 26; 12(10): e11169
7 Syed EU et al.: Vitamin B12 supplementation in treating major depressive disorder: A randomized controlled trial. Open Neurol J 2013; 7: 44-48
8 Reiners K: Vitaminkrankheiten. In: Hoffmann GF, Grau AJ (Hrsg): Stoffwechselerkrankungen in der Neurologie. Stuttgart: Thieme, 2004; 163-176

Dr. rer. nat. Daniela Birkelbach
Gesellschaft für  Bio­faktoren e. V. 
daniela.birkelbach@
gf-biofaktoren.de
www.gf-biofaktoren.de

Die Gesellschaft für Biofaktoren e. V. ist ein gemeinnütziger Verein, der das Ziel verfolgt, die wissenschaftlichen Grundlagen der Therapie und Prophylaxe mit Biofaktoren zu fördern. Weitere Informationen: www.gf-biofaktoren.de

*Zur besseren Lesbarkeit kann in Texten das generische Maskulinum verwendet werden. Nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.