COVID-19: 3 Fragen aus der Rechtspraxis

Die Corona-Krise wirft verschiedene rechtliche und praktische Fragen auf. Rechtsanwalt Dr. Sebastian Braun beantwortet häufig gestellte Fragen rund um COVID-19, so z.B. zu Entlastungen bei der Lohnsteuer sowie der Ausstellung und Abrechnung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Die Corona-Krise wirft verschiedene rechtliche und praktische Fragen auf, deren Beantwortung sich maßgeblich nach den - meist tagesaktuellen - offiziellen Stellungnahmen des Robert Koch-Instituts, des Bundesgesundheitsministeriums, der lokalen Gesundheitsämter sowie der von den Bundes- und Landesregierungen beschlossenen Notfallmaßnahmen richtet. Teilweise sind die dort vorhandenen Ansprechpartner direkt zu kontaktieren, um möglichst tagesaktuelle Informationen zu erhalten. Im Anschluss an den Artikel „Praxisschließung wegen Coronavirus: Bekomme ich eine Entschädigung?“ soll ein weiterer Einblick in aktuelle rechtliche Fragestellungen geliefert werden.

1. Können Praxisinhaber zur Entlastung die für das Personal anfallende Lohnsteuer stunden lassen?

Gemäß § 222 S. 1 Abgabenordnung (AO) können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Allerdings regelt § 222 S. 3 AO, dass Steueransprüche gegen den Steuerschuldner nicht gestundet werden können, soweit ein Dritter (Entrichtungspflichtiger) die Steuer für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten, insbesondere einzubehalten und abzuführen hat. Daraus folgt, dass Stundungen der Lohnsteuer gemäß § 222 S. 3 AO grundsätzlich ausgeschlossen sind1, da es sich bei der einbehaltenen Lohnsteuer um die Steuern der Arbeitnehmer handelt2.

Das Bundesfinanzministerium hat nunmehr mitgeteilt, dass im Rahmen des Corona-Hilfsprogramms Möglichkeiten zur Stundung von Steuerzahlungen, zur Senkung von Vorauszahlungen und im Bereich der Vollstreckung verbessert werden und diese insbesondere Freiberuflern zugutekommen sollen3. Ob aufgrund der Corona-Krise noch eine Ausnahme vom Grundsatz des § 222 S. 3 AO beschlossen wird, bleibt abzuwarten.

2. Was ist bei der Ausstellung der Fern-AU zu beachten?

In Zeiten von Corona können Ärzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) allein aufgrund einer telefonischen Beratung ausstellen. Dies ist möglich, da § 7 IV MBO-Ä4 seit 2018 kein Fernbehandlungsverbot mehr enthält. Die telefonische AU kann bei Erkrankungen der oberen Atemwege ohne schwere Symptomatik, sodass kein Verdacht einer Corona-Infektion besteht, veranlasst werden5.

Allerdings dürfen Ärzte die AU nur dann ausstellen, wenn der Patient auch Symptome aufweist, da auch die §§ 3, 5 EFZG6 zwingend an eine Krankheit des Arbeitnehmers anknüpfen. Daher darf eine AU nicht ausgestellt werden, wenn der Patient lediglich zur allgemeinen Vorsorge oder aufgrund eines mittelbaren Kontakts zu einem Verdachtsfall zu Hause bleiben möchte, jedoch selbst keinerlei Beschwerden mitteilt7.

3. Was ist bei der Abrechnung der Fern-AU zu beachten?

Die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit wird abrechnungsrechtlich über die einschlägigen Versichertenpauschalen des EBM abgegolten. Allerdings setzen diese jeweils voraus, dass der Patient im Laufe des Quartals bereits einmal in der Praxis gewesen ist oder eine Videosprechstunde durchgeführt wurde.

Fehlt es an einem solchen Arzt-Patienten-Kontakt, darf die Versichertenpauschale auch nicht angesetzt werden. Anderenfalls drohen Probleme im Rahmen künftiger Abrechnungsprüfungen8. Stattdessen muss die Abrechnung über die haus- bzw. fachärztliche Bereitschaftspauschale nach der GOP 01435 erfolgen.

Zusätzlich kann das Versenden der AU (Portokosten) mittels der GOP 40122 abgegolten werden9.

 

1 Klein/Rüsken, 14. Aufl. 2018, AO § 222 Rn. 4, 4a.
2  www.haufe.de/personal/haufe-personal-office-platin/stundung-lohnsteuer_idesk_PI42323_HI727344.html (zuletzt aufgerufen am 19.03.2020).'
3 www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2020-03-13-Corona-FAQ.html (zuletzt aufgerufen am 19.03.2020).
4 Musterberufsordnung für Ärzte.
5 www.kbv.de/media/sp/PraxisInfo_Coronavirus_Krankschreibung.pdf (zuletzt aufgerufen am 19.03.2020).
6 Entgeltfortzahlungsgesetz.
7 www.kbv.de/media/sp/PraxisInfo_Coronavirus_Krankschreibung.pdf (zuletzt aufgerufen am 19.03.2020).
8 Hierzu ausführlich Braun, best practice onkologie 2019, 324 ff.
9 Zu dem Komplex auch www.kbv.de/media/sp/PraxisInfo_Coronavirus_Krankschreibung.pdf (zuletzt aufgerufen am 19.03.2020).

RA Dr. Sebastian Braun
LEX MEDICORUM, Kanzlei für Medizinrecht
Feuerbachstr. 12, 04105 Leipzig
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Stand: 20.03.2020