Meine Mitarbeiterin ist krank (Teil 1: Arbeitsunfähigkeit und Lohnfortzahlung bei Krankheit)

Immer mal wieder klingelt morgens das Telefon und eine Mitarbeiterin meldet sich krank. Es kommt aber auch vor, dass die Mitarbeiterin unentschuldigt nicht zur Arbeit kommt. In diesen Fällen stellen sich viele Rechtsfragen, von denen wir die Nachfolgenden für Sie beantworten wollen.

Gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraus­sichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen.

Unverzüglich bedeutet, dass die Mitteilung am ersten Tag der Erkrankung zu Beginn der Arbeitszeit oder in den ersten Arbeitsstunden erfolgen muss. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens am darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dies gilt insbesondere, wenn dies vertraglich vereinbart wurde.

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, das Arbeitsentgelt vorübergehend zurückzuhalten, wenn und solange keine ordnungsgemäße Anzeige der Arbeitsunfähigkeit erfolgt ist.


Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit

Sie kennen sicherlich die ­Situation: Man musste einer Mitarbeiterin kündigen und am nächsten Tag ist sie krank. Aber auch in anderen Fällen bestehen immer wieder Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer auffällig oft und wiederholt nur für kurze Dauer arbeitsunfähig ist oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit auf den Arbeitstag zu Beginn oder zum Ende der Woche fällt. Es können auch andere Gründe vorliegen, warum Sie das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit anzweifeln.


Überprüfung durch den MDK

In diesen Fällen können Sie gemäß § 275 SGB V verlangen, dass die Krankenkasse (KK) eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes (MDK) zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Der Arbeitgeber muss seine Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit konkret und schlüssig darlegen.

Die KK kann sich zwar nicht einfach über die Zweifel des Arbeit­gebers hinwegsetzen, sie kann jedoch auf die Begutachtung verzichten, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit ohne Zweifel aus den vorliegenden Unterlagen ergeben. Das Ergebnis der Begutachtung wird zunächst dem behandelnden Arzt und der KK mitgeteilt. Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer werden in den Fällen informiert, in denen noch ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht und das Ergebnis der Untersuchung mit der Bescheinigung des behandelnden Arztes nicht übereinstimmt. Der Arbeitgeber ist von der KK auch dann zu benachrichtigen, wenn der Arbeitnehmer der Vorladung zur Begutachtung nicht nachgekommen ist.

Liegt ein Gutachten des MDK vor, kann der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeit erschüttert werden. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer, wenn er seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung erhalten will, anderweitig seine Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen. In einem solchen Fall sind die ­Aussage des behandelnden Arztes sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens entscheidend. Der behandelnde Arzt kann darüber hinaus ein Zweitgutachten bei der KK beantragen, wenn er mit dem Gutachten des MDK nicht einverstanden ist. Stellt sich letztendlich heraus, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich vorgetäuscht ist, kann dies bis hin zur außerordentlichen Kündigung und der Rückforderung der Entgeltfortzahlung berechtigen.


Lohnfortzahlung

Der Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht dann, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit daran gehindert ist, seine Beschäftigung auszuüben. Eine Krankheit in diesem Sinne ist auch gegeben, wenn jemand infolge eines Schwangerschaftsabbruchs oder einer Sterilisation an der Arbeitsleistung gehindert ist oder unter bestimmten Voraussetzungen eine Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme durchführt. Ferner ist Arbeitsunfähigkeit infolge einer Lebendspende von Organen oder Geweben der unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit gleichgestellt und begründet ebenfalls einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Eine Erkrankung führt dann zur Arbeitsunfähigkeit, wenn der Arbeitnehmer durch diese daran gehindert ist, die von ihm zu erbringende Arbeitsleistung zu erfüllen. Dies ist zudem dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer nur unter der Gefahr der Verschlimmerung seines Zustandes arbeiten kann.

Ob eine Krankheit zugleich zur Arbeitsunfähigkeit führt, hängt von der Art der Erkrankung, aber auch von der nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Leistung ab. Bei der Arbeitsunfähigkeit ist aber die Ursache der Erkrankung ohne Belang. So werden ebenso Berufskrankheiten, Sport-, Verkehrs- oder sonstige Unfälle darunter subsumiert. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht nur dann nicht, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet wurde.


Selbstverschulden der Krankheit

Definition „Selbstverschulden“: Eine selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit ist nur bei einem groben Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten gegeben, so z. B. bei grob fahrlässiger Verletzung der Unfallverhütungsvorschriften oder grob verkehrswidrigem Verhalten im Straßenverkehr. In der Regel gehören aber Sport- und Freizeitunfälle nicht dazu.


Arbeitsunfähigkeit in den ersten vier Wochen der Beschäftigung

Oftmals wird nicht berücksichtigt, dass der Anspruch auf Lohnfortzahlung erst nach einer vierwöchigen ununterbrochenen Dauer des Arbeitsverhältnisses entsteht. Ein Arbeitnehmer, der in den ersten vier Wochen nach dem Beschäftigungs­beginn erkrankt, hat also erst ab der fünften Woche Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Während der Wartezeit erhält er Krankengeld von seiner Krankenkasse.


Höhe des Krankengeldes

Der Arbeitnehmer erhält grundsätzlich diejenige Vergütung, die er bezogen hätte, wenn er nicht arbeitsunfähig erkrankt wäre. Über­stunden werden nicht berücksichtigt. Regelmäßig geleistete Überstunden müssen dagegen angerechnet werden, ebenso Sonntags-, Feiertags- oder Nachtzuschläge, wenn diese bei Arbeitsfähigkeit auch angefallen wären. Zu beachten ist, dass diese Zuschläge in vollem Umfang steuer- und beitragspflichtig zur Sozialversicherung sind, wenn sie im Rahmen der Entgeltfortzahlung gewährt werden. Nicht fortgezahlt werden Beträge, die als Auslagenersatz gezahlt werden, wie etwa Kilometergeld. Werden solche Zahlungen allerdings pauschal erstattet, ohne, dass es auf die tatsächliche Höhe des Aufwands ankommt, so müssen auch diese weiterbezahlt werden.


Dauer der Lohnfortzahlung

Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht für sechs Wochen, das heißt 42 Kalendertage, gerechnet vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit an. Die Sechs-Wochen-Frist beginnt grundsätzlich mit dem Tag nach Beginn der Arbeitsun­fähigkeit. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit während der Arbeitszeit anfängt. Wird der Arbeitnehmer allerdings an einem Arbeitstag vor Beginn der Arbeit arbeitsunfähig, zählt dieser Tag bereits mit.

Im zweiten Teil des Beitrags beschäftigen wir uns mit weiteren Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Krankheit einer Mitarbeiterin (Urlaubsanspruch und Kündigungsrecht). Lesen Sie hier weiter ►

Erkranken Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit an einer weiteren Krankheit, die für sich allein betrachtet ebenfalls Arbeitsunfähigkeit auslöst, haben sie trotzdem nur Anspruch auf insgesamt sechs Wochen Entgeltfortzahlung. War die Arbeitsunfähigkeit wegen der ersten Krankheit allerdings bereits beendet, stehen Arbeitnehmern erneut sechs Wochen Entgeltfortzahlung zu, auch wenn sie zwischendurch ihre Arbeit nicht wieder aufgenommen haben. Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsun­fähig, hat er erneut einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.

Andrea Schannath

Justiziarin des Virchowbundes