Aufgepasst bei der Praxisübernahme – „böse“ Überraschungen vermeiden

Bei einer Praxisübernahme verändern Sie Ihre berufliche Existenz grundlegend. Sie übernehmen die Verantwortung für eine Vielzahl von Dingen u. a. auch für die ­neuen Praxisräume. Damit Sie im Vorfeld einschätzen können, was bei Ihren Räumen auf Sie zukommt, möchten wir auf wichtige Aspekte rund um das Thema „Bauen“ aufmerksam machen.

In den meisten Fällen werden bestehende Praxen an ihre Nachfolger weiterge­geben. Damit wird in einem Bestandsgebäude der Betrieb fortgesetzt und die Betreiber müssen sich mit den Gegebenheiten auseinandersetzen, die sie vorfinden. Wenn Sie bereits in diesen Räumen arbeiten, kennen Sie Ihre Praxisfläche und ihren Zustand. Wenn Sie die Fläche neu übernehmen, ist noch mehr darauf zu achten, dass Ihnen die Fläche in einem ordnungsgemäßen Zustand übergeben wird. In beiden Fällen beinhaltet die Übergabe u. a. baurechtliche Aspekte, wie die richtige genehmigte Nutzung aber auch technische Aspekte, wie ein fachlich richtig installierter Sicherungskasten. 

Des Weiteren gibt es Themen zur Beschaffenheit der Räumlichkeiten, über die Sie als Betreiber Kenntnis haben müssen und die oft nicht genug im Bewusstsein verankert sind. Nachfolgend stellen wir zwei Beispiele vor, die sensibilisieren sollen.

Brandschutz – Der 1. und 2. Rettungsweg

Der Brandschutz ist eines der wichtigsten Themen und wird gerne vernachlässigt. Dies ist jedoch absolut nicht empfehlenswert und muss daher immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden. Ein Grundsatz des Brandschutzes ist die Rettung von Menschenleben. Die jeweilige Landesbauordnung regelt den konkreten Umgang mit dem Brandschutz in Gebäuden. Die Bauordnungen gelten im Übrigen für jeden, der ein Gebäude oder Gebäudeteil besitzt und/oder nutzt.

In Nordrhein-Westfalen beispielsweise ist eine wichtige Festlegung zum Thema Brandschutz die Bauordnung (BauO) NRW § 33 Erster und zweiter Rettungsweg. Der Paragraf schreibt vor, dass für jede Nutzungseinheit zwei voneinander unabhängige Rettungswege benötigt werden. Die Rettungswege sind dafür da, sich bei einem Brand aus der Fläche in Sicherheit zu retten. Sie als Praxisbetreiber sorgen dafür, dass Sie und Ihre Mitarbeiter darin geschult sind, die Wege zu kennen und die Patienten zu führen. Ist der eine Weg durch den Brand nicht zugänglich, gibt es einen zweiten Weg, über den man sich retten kann. Die Feuerwehr benutzt dieselben Wege, um in die Fläche hineinzugelangen, die anwesenden Personen zu retten und den Brand zu löschen.

Da Praxisflächen in der Regel vermietet werden, ist das Thema der Rettungswege auch ein wichtiger Punkt von Seiten der Eigentümer. Da Sie aber die Fläche nutzen und betreiben, sind auch Sie in der Verantwortung (s. Beispiel im Infokasten). 

Ein Beispiel zur Rettungswegsituation in der Arztpraxis

Ihre Praxis liegt im Erdgeschoss. Der Haupteingang der Praxis dient Ihnen als erster Rettungsweg und führt ins Freie. Der Weg zum Ausgang ist von innen mittels langnachleuchtender Rettungswegschilder gut gekennzeichnet. Für den zweiten Rettungsweg sieht das Konzept des Eigentümers vor, dass Sie sich in eine andere Nutzungseinheit flüchten.

Das Problem: Was passiert, wenn die andere Nutzungseinheit nicht in Betrieb ist und die Verbindungstür abgeschlossen ist? Aus Sicht der anderen Einheit ist das nachvollziehbar. Wer möchte schon ungebetene Gäste in seiner Fläche haben; der Aspekt des Einbruchsschutzes ist viel zu hoch.

Vorgehen: Jetzt müssen Sie tatsächlich handeln. Denn als Betreiber der Fläche sind auch Sie in der Verantwortung. Als ersten Schritt ist der Eigentümer anzusprechen, wie genau der zweite Rettungsweg vorgesehen ist. Wenn es im Laufe der Jahre Änderungen der Durchführbarkeit gegeben hat, ist jetzt der Zeitpunkt da, eine andere Lösung zu finden.

Für den zweiten Rettungsweg ist die Rettung über ein Fenster sehr oft möglich. In der Regel besitzen die Nutzungseinheiten Fenster zur Straßenseite, zu der man sich bemerkbar machen kann. In unserem Beispiel sind die Fenster vergittert; hervorgegangen aus der Historie des Gebäudes als auch belassen wegen des Einbruchschutzes. Dennoch muss ein zweiter Rettungsweg geschaffen werden, der den gesetzlichen Bestimmungen entspricht und von der Behörde (hierzu zählt auch die Feuerwehr) abgenommen werden kann.

Eine Möglichkeit diesen zweiten Rettungsweg herzustellen ist, ein Fenster zugänglich zu machen. Natürlich muss hierbei der Eigentümer involviert werden, da es sich um sein Eigentum handelt. Arbeiten am Gitter und ein Spezialschloss sind notwendig. Das Fenster, das für die Rettung infrage kommt, muss jederzeit von innen öffenbar sein. Des Weiteren muss es von außen von der Feuerwehr öffenbar gemacht werden können und natürlich auch hier den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen (s. BauO NRW § 37(5) Fenster, Türen, sonstige Öffnungen).

Praxistipp: Prüfen Sie die Rettungswegsituation bzw. den Brandschutz Ihrer Praxisfläche. Beide Rettungswege müssen vorhanden und uneingeschränkt nutzbar sein; Sie müssen sie kennen und beschildern.

Gibt es Differenzen oder Unklarheiten, lassen Sie Ihre Fläche von einer Architektin oder einem Architekten prüfen. Die Thematik des Brandschutzes beinhaltet eine Vielzahl von Aspekten. Nicht selten muss Kontakt mit den Eigentümern aufgenommen werden, um zu eruieren, was genehmigt ist und was die Fläche tatsächlich kann und darf. Zusätzlich ist ggf. ein Brandschutzsachverständiger hinzuzuziehen, mit dem man konkret die vorhandene Situation bespricht und bei einem Mangel eine Lösung findet.

Wichtig: Sind die Rettungswege nicht uneingeschränkt nutzbar, kann Ihnen die Nutzung Ihrer Fläche untersagt werden. Gefahr ist in Verzug und im Fall eines Vorfalls sind Sie als Betreiber haftbar.

 

Der Arbeitsschutz

Der Arbeitsschutz ist nicht so schwerwiegend wie die Rettung von Menschenleben. Dennoch kann eine fehlende Umsetzung der Bestimmungen und Richtlinien erhebliche Folgen für den Praxisbetrieb haben (s. Beispiel im Infokasten). Sie als Praxisbetreiber haben eine Verantwortung gegenüber Ihren Mitarbeitern. Es gilt den Arbeitsschutz mit den entsprechenden Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien zu beachten und umzusetzen. Ziel ist es, Arbeitsunfälle zu verhüten und die Beschäftigten zu schützen.
Existieren die Praxisräume bereits, kommt oft der Bestandsschutz ins Spiel. Dieser kann Sie jedoch nicht vor allen Unzulänglichkeiten schützen und das Maß von Umbauten oder Umstrukturierungen muss ggf. geprüft und dargelegt werden.

Ein Beispiel zum Arbeitsschutz in der Arztpraxis

Eine bestehende Praxis hat einen großen Umkleideraum. Im Laufe der Jahre hat sich das Angebot der Praxis vergrößert und nun ist der Schreibtisch des Praxismanagements mit in die Umkleide eingezogen.

Das Problem: Es gibt somit eine Doppelbelegung in der Nutzung. Das ist nicht zulässig, weder in diesem Beispiel noch in Fällen von anderer sich ausschließender Doppelnutzung. Bei einer Begehung wird dies nun beanstandet und muss unverzüglich revidiert werden. Die uneingeschränkte Nutzung der Umkleide muss immer gewährleistet sein, auch wenn alle Personen, die diese Fläche nutzen, dem gleichen Geschlecht angehören.

Eine Kompensation muss gefunden werden. Hierfür ist der Praxisbetrieb mit dem benötigten Raumprogramm und der vorhandenen Praxisfläche zu untersuchen.

Folgende Überlegungen sind anzustellen: Ist der Umkleideraum teilbar, sodass zwei eigenständige Räume entstehen können? Beachten Sie hierbei u. a. die notwendige Fläche und Belichtung. Genaueres hierzu finden Sie bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA – Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR)).

Ist eine Raumteilung nicht durchführbar, sind die gesamte Fläche und auch die notwendigen Raumnutzungen zu untersuchen. Eine Alternative muss gefunden werden, die z. B. eine Erweiterung der Praxisfläche mit sich zieht oder ein Verzicht auf mögliche Raumnutzung im Bereich des Untersuchungsangebots oder des internen Managements.

Praxistipp: Prüfen Sie Ihr Raumkonzept auch unter dem Aspekt des Arbeitsschutzes. Eine eingeschränkte Umsetzung der Arbeitsstättenanforderungen kann den Praxisbetrieb nachhaltig und ungünstig beeinträchtigen. 

 

Resümee

Bevor Sie sich langfristig an eine Fläche binden, prüfen Sie vorher, ob die Fläche dem notwendigen gesetzlichen Stand entspricht. Sachkundige Fachplaner wie Architekten sind für die Prüfung der Fläche genauso wichtig wie etwa Steuerberater für Ihre Steuererklärung. 

Der Brandschutz beinhaltet neben den Rettungswegen noch weitere wichtige Themen; genauso wie der Arbeitsschutz sich nicht nur mit Umkleiden beschäftigt. Das sind komplexe Themen, mit denen Sie sich als Praxisbetreibende auseinandersetzen müssen. Fachkundige Unterstützung ist immer hilfreich und da jede Fläche anders ist, muss individuell auf sie eingegangen werden. Viel Erfolg! 

Anja Knoop
Dipl.-Ing. (FH) Architektin
atmosphäre bommert . knoop . architekten PartGmbB
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