Barrierefreiheit in Arztpraxen

In Deutschland herrscht freie Arztwahl. Dadurch hat jeder Bürger das Recht, sich den Arzt seines Vertrauens selbst aussuchen zu können. Mangels barrierefreien Zugangs zu Praxen können Menschen mit Behinderungen, Eltern mit Kinderwagen oder Ältere von diesem Recht nur eingeschränkt Gebrauch machen.


Rechtliche Grundlagen

Um diesem Missstand gerecht zu werden, geben die jeweiligen Landesbauordnungen und die DIN 18040-1 bei einem Neubau oder bei einer Nutzungsänderung innerhalb eines bestehenden Gebäudes eine Reihe von einzuhaltenden Pflichten und Richtlinien vor.

Bei Neubauten sind die Gesetze zur Barrierefreiheit verpflichtend einzuhalten. Bei Bestandsgebäuden kann dies nicht in Gänze gefordert werden. Denn Umbaumaßnahmen stehen immer in Relation zur Durchführbarkeit. Nicht jedes Gebäude kann beliebig umgebaut werden; Flächen können nicht einfach erweitert und Wände nicht einfach versetzt werden – statische und haustechnische Möglichkeiten stehen dabei genauso im Fokus wie die wirtschaftliche Angemessenheit. Beispiel: Wenn ein Gebäude einen Aufzug besitzt, hat ein behindertengerechter Aufzug in den meisten Fällen größere Ausmaße und passt nicht in den vorhandenen Schacht.

Entsprechend eines Neubaus oder eines Bestandsgebäudes wird auch in den Begrifflichkeiten unterschieden. Ein Neubau muss barrierefrei sein. Das heißt, dass sich eine betroffene Person ohne jegliche Hilfe zurechtfinden kann. Aufgrund der schwierigen Umsetzbarkeit in Bestandsgebäuden wird hier von barrierearmen Flächen gesprochen. Das heißt, eine bestehende Fläche sollte so gut es geht im Sinne der Barrierefreiheit verbessert werden.

Innenbereich

Eine Reihe von Maßnahmen für eine funktionale barrierefreie oder barrierearme Praxis betreffen den Innenbereich. Hier ein Auszug:

Gebäude

  • Die Eingangstüren müssen eine bestimmte Breite aufweisen, damit Menschen mit Rollatoren, Rollstühlen oder ggf. mit Trageliegen problemlos hindurch kommen können.
  • Bei den Treppen sollten die erste und letzte Treppenstufe deutlich markiert sein. Die Treppenhandläufe müssen durchlaufend auch über Hindernisse wie zum Beispiel Heizungen oder Fensteröffnungen hinweg führen.
  • Vor Aufzügen wird eine Bewegungsfläche von 1,50 m x 1,50 m benötigt.
  • Auf eine ausreichende Beleuchtung ist zu achten.

Nutzungseinheiten

  • Die Beschilderung der Praxis muss gut lesbar und mit kontrastreicher und großer Beschriftung in Augenhöhe angebracht sein, damit auch sehschwache Patienten diese erkennen können.
  • Die Lichtverhältnisse sind generell kontrastreich zu gestalten.
  • Das Mobiliar ist so in der Praxis aufzustellen, dass die Durchfahrt mit einem Rollstuhl oder ähnlichem möglich ist. Zusätzlich soll die Bewegungsfläche nicht durch Mauervorsprünge, Feuerlöscher, Handläufe, Schränke etc. eingeschränkt sein. Stufen sind nicht zulässig.

Sanitärräume

Arztpraxen zählen zu öffentlich zugänglichen Bereichen und müssen dementsprechend bei Neubauten ein barrierefreies WC vorsehen. Dabei muss dafür gesorgt werden, dass die Räume, Türen und Bedien­elemente so gestaltet sind, dass eine gefahr­lose barrierefreie Nutzung möglich ist. Das bedeutet unter anderem:

  • Die Türen sind nach außen zu öffnen und im Notfall auch von außen zu entriegeln. Gestürzte Personen würden sonst im Türbereich liegen und ein Eintreten und Helfen verhindern. Bei Bestandsflächen ist zu prüfen, ob eine Türzarge entsprechend erneuert werden kann – das ist in vielen Fällen aus monetärer Sicht angemessen und für eine sichere Praxis zu empfehlen.
  • Eine Notfallanlage ist zu installieren, die vom WC-Becken aus sitzend zu erreichen ist. Und eine zweite, die im Notfall gestürzten Personen hilft, sich vom Boden aus liegend bemerkbar zu machen.
  • Der Waschtisch ist unterfahrbar und hat eine Beinfreiheit von mindestens 55 cm. Der Spiegel ist direkt über dem Waschtisch in einer Mindesthöhe von 1 m anzubringen und alle weiteren Utensilien wie Müllbehälter, Papier- und Seifenspender sind in Griffweite zu montieren.
  • Die Innenbeleuchtung kann mittels eines Bewegungsmelders angeschaltet werden.

Mobiliar

Auch das Mobiliar einer Arztpraxis kann barrierearm gestaltet sein. So kann bei dem Anmeldetresen darauf geachtet werden, dass ein niedrigerer Teil vorhanden ist, der auch Sichtkontakt zu den Praxismitarbeitern für Rollstuhlfahrer oder kleinere Patienten ermöglicht.

Sind die Stühle in den Wartebereichen mit Armlehnen ausgestattet, wird einigen Patienten das Aufstehen deutlich erleichtert. Die Behandlungsstühle und Liegen selbst sollten mit ausreichend Bewegungsfläche außen herum gestaltet und höhenverstellbar sein. So kann direkt an sie heran gelangt und bequemer darauf Platz genommen werden.

Sonstiges, was Patienten den Praxisaufenthalt erleichtert

Nicht nur die Gebäudestrukturen oder Raumaufteilungen entscheiden über eine barrierearme Nutzung einer Praxis. Auch folgende Dinge unterstützen viele Patienten:

  • Weist die Gestaltung der Internetseite eine einfache Navigation auf, ist kontrastreich und mit Wegweisern ausgestattet, erreicht der Webauftritt mehr Patienten.
  • Ist das Personal im Hinblick auf Einschränkungen geschult, so wird der Praxisaufenthalt der entsprechenden Patienten positiver erlebt.
  • Das Vorhandensein eines faltbaren Rollstuhls in den Praxisräumen kann in Einzelfällen sinnvoll sein.


Resümee

Die Vorschriften zur Barrierefreiheit sind vielfältig und hier nur auszugsweise dargestellt. Ebenfalls ist zu beachten, dass sie vom Gesetzgeber regelmäßig aktualisiert, erweitert und geändert werden. Generell gilt, dass aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes jeder Mensch gleichberechtigt und selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können sollte. Dazu zählt insbesondere, dass Menschen mit Behinderungen oder sonst auf stufenlose Zugänge angewiesene Personen ihren Arzt nach Vertrauen, und nicht nach der Struktur des Gebäudes aussuchen können.


Für Praxisinhaber sollte daher die Planung oder der Umbau zu einer barrierefreien oder zumindest barrierearmen Praxis neben der rechtlichen Verpflichtung selbstverständlich sein.



Anja Knoop
Dipl.-Ing. (FH) Architektin
www.atmo-architektur.de