7 W-Fragen zu Biosimilars

Zu Beginn unseres Themen-Spezials „Biopharmazeutika“ in Ausgabe 03/2020 haben wir Ihnen bereits einen Überblick über die Arzneiform gegeben. Den aktuellen Teil möchten wir den Biosimilars widmen und die Unterschiede zu Generika näher beleuchten.

WAS sind Biosimilars?

Ein Biosimilar-Arzneimittel („Biosimilar“) ist ein Arzneimittel, das einem anderen biologischen Arzneimittel, das bereits in der EU vermarktet wird, (dem sogenannten Referenzarzneimittel) sehr ähnlich ist.

WANN kann ein Biosimilar auf den Markt gebracht werden?

Unternehmen können zugelassene Bio­similars auf den Markt bringen, sobald der Vermarktungsschutz des Referenzarzneimittels nach zehn Jahren ausläuft.

WER lässt Biosimilars zu?

Alle Arzneimittel, die mit Biotechnologie hergestellt werden, sowie solche für spezifische Indikationen (z. B. Krebs, neurodegenerative Erkrankungen und Autoimmun­erkrankungen) müssen in der EU (mit dem sogenannten zentralisierten Verfahren) von der EMA* (siehe Fußnote) zugelassen werden. Fast alle in der EU zugelassenen Biosimilars wurden zentral zugelassen, da sie mit Biotechnologie hergestellt werden. Einige Biosimilars können auf nationaler Ebene zugelassen werden, wie einige niedermolekulare Heparine, die aus der Darmschleimhaut von Schweinen gewonnen werden.

Wenn ein Unternehmen die Markt­zulassung bei der EMA beantragt, werden die Daten von den wissenschaftlichen Ausschüssen für Humanmedizin und Sicherheit (dem Ausschuss für Humanarzneimittel, „CHMP“, und dem Ausschuss für Risiko­bewertungen im Bereich der Pharmako­vigilanz, „PRAC“) sowie von den Experten für biologische Arzneimittel (Arbeitsgruppe für biologische Arznei­mittel) und von Spezialisten für Biosimilars (Biosimilar-Arbeits­gruppe) bewertet.

Das Biosimilar und sein Referenzarzneimittel können mit zwei Blättern des gleichen Baums verglichen werden: sie sehen gleich aus und dienen dem gleichen Zweck, unter dem Mikroskop sind jedoch sehr geringe Unterschiede zu erkennen, da sie aus einem biologischen Herstellungsprozess heraus entstanden sind.

WIE ähnlich ist ein Biosimilar seinem Referenzarzneimittel?

Möglichst ähnlich. Das bedeutet, dass das Biosimilar und sein Referenzarzneimittel im Wesentlichen gleich sind, auch wenn es geringe Unterschiede bei den Wirkstoffen geben kann. Diese geringen Unterschiede ergeben sich daraus, dass die Wirkstoffe gewöhnlich große und komplexe ­Moleküle sind, die von lebenden Zellen hergestellt werden. Biosimilars werden jedoch einer intensiven wissenschaftlichen Bewertung unterzogen, bevor sie auf den Markt kommen, um sicherzustellen, dass sie trotz der geringen Unterschiede so ­sicher und wirksam wie das Referenzarzneimittel sind.

WOHER stammen die Wirkstoffe?

Biosimilars enthalten wie Biologika aktive Wirkstoffe aus einer biologischen Quelle, wie zum Beispiel lebenden Zellen oder Organismen. Biologische Arzneimittel sind in der klinischen Praxis gut etabliert und in vielen Fällen für die Behandlung schwerer und chronischer Erkrankungen wie Diabetes, Auto­immunerkrankungen und Krebs unverzichtbar.

Klassen biologischer Arzneimittel

In der EU zugelassenes Biosimilar (Stand: 09/2019)

Polysaccharide

Niedermolekulare Heparine

Enoxaparin sodium

Proteine

Wachstumsfaktoren

Epoetin

Filgrastim

Pegfilgrastim

Hormone

Follitropin alfa

Insulin Glargin

Somatropin
(Wachstumshormon)

Teriparatid

Insulin lispro

Fusionsproteine

Etanercept

Monoklonale
Antikörper

Adalimumab

Infliximab

Rituximab

Bevacizumab

Trastuzumab

Tab. 1: Klassen der biologischen Arzneimittel, für die derzeit ein Biosimilar in der EU zugelassen ist

WARUM werden Biosimilars entwickelt und zugelassen?

Biologische Arzneimittel sind Medikamente, die Patienten mit schweren Krankheiten wie Krebs oder Entzündungskrankheiten helfen können. Sie sind jedoch komplex und ihre Entwicklung kann sehr teuer und zeitaufwendig sein. Dadurch kann der Zugang zu diesen Arzneimitteln für Patienten eingeschränkt sein; sie sind möglicherweise für das Gesundheitssystem zu teuer. Bio­similars können den Zugang für Patienten zu solchen Behandlungen verbessern; außerdem wird erwartet, dass sie für die Gesundheitssysteme der Europäischen Union kostengünstiger sind. Das hat zwei Gründe:

  • Die Entwicklung von Biosimilars baut auf den wissenschaftlichen Kenntnissen, die durch das Referenzarzneimittel gewonnen wurden, auf. Das bedeutet, dass nicht alle klinischen Studien, die mit dem Referenzarzneimittel durchgeführt wurden, noch einmal wiederholt werden müssen.
  • Wenn sie am Markt eingeführt werden, müssen sie mit den Referenzarzneimitteln konkurrieren. Das bedeutet normalerweise, dass Biosimilars günstiger angeboten werden.

WO liegen die Unterschiede zwischen Generika und Biosimilars?

Ein Biosimilar wird nicht als Generikum eines biologischen Arzneimittels betrachtet. Der Grund hierfür ist vor allem, dass die natürliche Variabilität und der komplexe Herstellungsprozess von biologischen Arzneimitteln keine exakte Nachbildung der molekularen Mikroheterogenität erlauben.

Infolgedessen sind im Gegensatz zu Generika für die behördliche Zulassung von Biosimilars zusätzliche Untersuchungen notwendig, um sicherzustellen, dass kleinere Abweichungen keinen Einfluss auf die Sicherheit und Wirksamkeit haben. Tab. 2 vergleicht die Entwicklung und Eigenschaften von Generika und Biosimilars.

Generika

Biosimilars

Werden gewöhnlich durch chemische Synthese hergestellt.

Werden von einer biologischen Quelle erhalten.

Es ist im Allgemeinen möglich, das exakt gleiche Molekül zu erhalten.

Das Molekül kann aufgrund eines spezifischen biopharmazeutischen Herstellungsverfahren und der natürlichen biologischen Variabilität nur mit einer sehr hohen Ähnlichkeit reproduziert werden.

Meist kleinere Moleküle, die leichter
zu charakterisieren sind.

Im Allgemeinen größere, strukturell komplexere Moleküle, die für ihre Charakterisierung multiple Technologien benötigen.

Vollständige Datenanforderungen bezüglich
der pharmazeutischen Qualität.

Vollständige Datenanforderungen bezüglich der pharmazeutischen Qualität und zusätzliche Qualitätsuntersuchungen zum Vergleich der Struktur und biologischen Aktivität des Biosimilars mit dem Referenzarzneimittel.

Entwicklung basierend auf dem Nachweis der Bioäquivalenz (d. h. dass das Generikum und das Referenzarzneimittel den Wirkstoff im
Körper in gleicher Höhe und in gleicher Weise unter ähnlichen Bedingungen freisetzen).

Entwicklung basierend auf dem Nachweis der Biosimilarität mithilfe von Vergleichbarkeitsstudien (umfassender direkter Vergleich des Biosimilars mit dem Referenzarzneimittel, um
die hohe Ähnlichkeit der chemischen Struktur, der biologischen Funktion, der Wirksamkeit, Sicherheit und Immunogenität zu belegen).

Die klinischen Datenanforderungen bestehen hauptsächlich aus pharmakokinetischen
Bioäquivalenz-Untersuchungen.

Zusätzlich zu vergleichenden pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Untersuchungen können Daten über die Sicherheit und Wirksamkeit erforderlich sein, insbesondere bei komplexeren biologischen Arzneimitteln.

Für alle Indikationen, die für das Referenz-
arzneimittel zugelassen sind, kann auf der Grundlage der nachgewiesenen Bioäquivalenz eine Zulassung erteilt werden, ohne dass
weitere klinische Daten erforderlich sind.

Wirksamkeit und Sicherheit müssen für jede Indikation gerechtfertigt werden. Bestätigende klinische Studien mit dem Biosimilar sind jedoch gewöhnlich nicht für jede Indikation erforderlich, für die das Referenzarzneimittel zugelassen wurde. Nach dem Nachweis der Biosimilarität ist eine Extrapolation der Daten auf andere Indikationen möglich, wenn die verfügbaren wissenschaftlichen Belege alle spezifischen Aspekte dieser Indikationen adressieren.

Tab. 2: Vergleich der Entwicklung und Eigenschaften von Generika und Biosimilars

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Europäische Arzneimittel-Agentur und Europäische Kommission. Biosimilars in der EU. Leitfaden für medizinische Fachkräfte; www.ema.europa.eu/en/documents/leaflet/biosimilars-eu-information-guide-healthcare-professionals_de.pdf

Europäische Kommission. Was ich wissen sollte über Biosimilars. Informationen für Patienten. 

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