DiGAs vernachlässigen gendersensible Aspekte

Die Digitalisierung der Medizin hat sich beschleunigt. Mehre Digitale Gesundheitsanwendungen sind inzwi­schen in der praktischen Anwendung. Die Frage, ob sie Frauen und Männer spezifisch behandeln, spielt bei der Zulassung bisher keine Rolle. Das könnte fatale Folgen haben.

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) sollen – so will es die Politik – die Versorgung von Patientinnen und Patienten unterstützen. Die Apps  sind durch das BfArM zugelassen und somit zertifiziert. Sie können von Ärztinnen und Ärzten verschrieben werden und werden von den Krankenkassen bezahlt. Die Ärzteschaft hatte zuvor gefordert, auf dem bis dahin intransparenten Markt der Gesundheits- und Fitness-Apps qualitätsgeprüfte Produkte einzuführen, die Ärzinnen und Ärzte  guten Gewissens empfehlen und einsetzen können. 

Allerdings wissen Ärztinnen und Ärzte noch nicht genau, ob und wie eine DiGA wirkt. Denn im Gegensatz zum Verfahren bei der Zulassung von Arzneimitteln wird die Zulassung der DiGAs beim BfArM als „Verfahren als zügiger Fast-Track“ beschrieben. Das Vorgehen ist wie folgt:


„Falls für die DiGA noch keine ausreichenden Nachweise für positive Versorgungseffekte vorliegen, aber die weiteren Anforderungen erfüllt sind, kann der Hersteller auch einen Antrag auf vorläufige Aufnahme in das Verzeichnis stellen und die notwendige vergleichende Studie innerhalb einer Erprobungsphase von bis zu einem Jahr, in Ausnahmefällen bis zu zwei Jahren, durchführen“. 


Verschärfung von Defiziten

Nutzen und Sinn der DiGAs sind darum noch nicht abzuschätzen. Unter anderem wurden genderspezifische Aspekte bei den DiGAs nicht ausreichend berücksichtigt. Darauf hat der Deutsche Ärztinnenbund (DÄB) in den vergangenen Jahren mehrfach hingewiesen. Befürchtungen, dass die in der analogen Welt vorhandenen Defizite der Gendermedizin in die digitale Welt der Apps übertragen werden, sind nicht von der Hand zu weisen. 

Lernende Systeme der Künstlichen Intelligenz erkennen Muster Daten und leiten daraus Regeln ab. Selbstlernende Algorithmen reproduzieren also bisherige Erkenntnisse und verstärken diese. Fehlen Genderaspekte bei der Herstellung der Apps, wirkt sich das auf die Behandlungen und Tipps aus, die die Algorithmen den Nutzern vorschlagen.

Patientinnen und Patienten erhalten dann möglicherweise suboptimlae oder falsche Anweisungen und Therapien. Nur das bewusste Einprogrammieren von Genderaspekten kann eine Weiterentwicklung im Sinne der Gendermedizin, sowohl bei der Diagnostik als auch bei der Behandlung, fördern. 

Es fehlt der weibliche Blick

Sensibilisiert für die Gender-Thematik sind bisher eher Frauen in der Medizin. Im Gegensatz dazu ist die Informationstechnologie weiterhin ein eher männlich besetztes Fach. 

Aktuell wissen wir nicht, inwiefern das Bewusstsein für geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Technikern und Entwicklern der Apps vorhanden ist. Salopp gesagt fehlt also der weibliche Blick. In den Vorgaben des BfArM werden Genderaspekte nicht ausdrücklich erwähnt. Sie grundsätzlich zu etablieren, wäre aber eine unbedingt umzusetzende Forderung. Möglich wäre auch, die jetzt schon zugelassenen DiGAs durch eine entsprechende Evaluation nachträglich auch hinsichtlich der Genderaspekte zwingend zu bewerten. Was momentan bleibt ist, das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass gendergerechte ­DiGAs eine verbesserte Versorgung bedeuten – für Frauen und Männer. 

Dr. med. Christiane Groß, M.A. 
Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes e.V. (DÄB)*

*Zudem ist Frau Dr. med Christiane Groß seit fast 15 Jahren für die Ärztekammer Nordrhein Vorsitzende des Auschusses EHealth und des Ärztlichen Beirates Digitalisierung NRW. Sie arbeitet in entsprechenden Gremien der BÄK mit. Sie sieht sich als kritische Begleiterin beim Aufbau der Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen. Wichtig ist ihr die sichere Arzt-Patienten-Beziehung und der Erhalt der ärztlichen Schweigepflicht auch im digitalen Raum

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