Fast 50 Prozent Ärztinnen: In den Gremien aber zu wenig vertreten

In manchen Ärztekammern stellen Ärztinnen bereits die Mehrheit der berufstätigen Ärzteschaft. Die Studienplatzverteilung weist darauf hin, dass der Anteil noch weiter wächst. Können wir Ärztinnen also gelassen abwarten, wie sich der Beruf für uns entwickelt?

Heißen 50 % Ärztinnen in der berufstätigen Ärzteschaft wirklich Parität? Ich denke, nein! Denn in den Spitzenpositionen verzeichnen wir eher einen umgekehrten Trend. Fanden sich in der Bundesärztekammer noch zu Beginn des vergangenen Jahres fünf Frauen im Vorstand, so sind es heute nur noch vier, davon zwei Kammerpräsidentinnen. Der prozentuale Anteil der Frauen mit einer eigenen Praxis ist seit Jahren annähernd gleich, es steigt aber der Anteil der angestellten Ärztinnen unter männlichen Chefs. Aktuell laufen die Vorbereitungen für die bundesweiten KV-Wahlen und auch dort besteht in den Vorständen ein eklatanter Mangel an Ärztinnen: Über die Homepages der 17 KVen findet man zwei weibliche Vorsitzende und fünf Ärztinnen in den Vorständen bei insgesamt 41 Ärzten. Die Zahl der Frauen in den Vertreterversammlungen pendelt um die 20 %.

Vertretung bestimmt Vergütung mit

Gäbe es in den Vorständen mehr Frauen, würde vielleicht etwas dafür getan, gerade die Fächer, die Frauen häufiger wählen, besser zu honorieren. Vielleicht hätten Frauen auch schon Wege gefunden, die Elternzeiten in den KV-Statuten besser zu verankern. Vielleicht wären wir dankbar für die Kreativität von Ärztinnen in den Gremien, die Kinderbetreuung so zu gestalten, dass sie auch mit einer Praxisführung kompatibel ist oder sich mit einer Ganztagsstelle vereinbaren lässt. Nicht zuletzt: Die Erkenntnis, dass Ärztinnen chronisch kranke Patientinnen und Patienten besser behandeln (im Sinne der Kranken) könnte auch Ärzten zugutekommen, die sich mit der täglichen Schlagzahl in der Praxis unzufrieden fühlen. Alle dürften sich wieder mehr Zeit nehmen für die einzelnen Patientinnen und Patienten, wenn Frauen mehr mitbestimmten.

Macht Macht nur Männern Freude?

Liebe Kolleginnen, meinen Sie, die Männer gehen in die Vertreterversammlungen, nur um uns Frauen diese Arbeit abzunehmen? Meinen Sie, sie tun es nur, weil sie es müssen? Ich fände es ein positives Signal, wenn Sie alle darüber nachdenken, ob es Ihnen persönlich nicht genauso viel Spaß machen könnte wie einem Mann, sich in Gremien um unseren Beruf zu kümmern und über wichtige Faktoren zu beschließen.

Ja, damit mehr Frauen mit der Gremienarbeit gut zurechtkommen, müsste sich etwas ändern. Beispielsweise müssten die Gremiensitzungen straff geführt werden. Es müssten andere Sitzungszeiten gewählt werden oder die Kinderbetreuung ­müsste zu den momentanen Sitzungszeiten sichergestellt sein.

So ein Wandel gelingt leichter, wenn mehr Frauen berufspolitisch mitmischen. Natürlich ist es nicht einfach. Das Beispiel der vorgezogenen Vorstandswahl in der KZVWL lässt erahnen, wie schwierig es tatsächlich werden kann. Männer müssten schließlich auf gefühlt angestammte Plätze verzichten, um endlich die gläserne Decke für die Frauen zu beseitigen. Doch das Schöne daran ist: Davon würden auch junge Ärzte profitieren, die bisher ebenfalls nicht zum Zuge kommen bei der Auswahl der potenziell wichtigen Spitzenplätze.

Persönlicher Wahlappell

Ich möchte daher mit einem Aufruf schließen: Kolleginnen, mischen Sie mit! Falls es für Sie keine Option ist, sich – natürlich auf potenziell erfolgreichen Plätzen – zur Wahl zu stellen, dann wählen Sie bitte möglichst eine Kollegin, damit sich die Zusammensetzung der Vertreterversammlung ändert: der erste Schritt zur Parität auch in den Spitzenpositionen.

Dr. Christiane Groß M.A. ist Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes e.V. (DÄB) und verfolgt die Entwicklung bei der Vertretung der Ärztinnen in den Gremien seit langem. Seit 1998 ist sie ehrenamtlich aktiv in der Ärztekammer Nordrhein, seit 2001 Delegierte in der Kammerversammlung und seit 2005 Mitglied im Kammervorstand. Seit 2004 ist sie zudem regelmäßig Delegierte der Deutschen Ärztetage.

Interessiert an neuen Fortbildungen oder Abrechnungstipps?

Abonnieren Sie unseren Infoletter.
 

Zur Infoletter-Anmeldung

x
Newsletter-Anmeldung