Hormonersatztherapie beim Mann – ist das denn nötig?

Testosteron ist ein für den Mann essenzielles Hormon, in vielerlei Hinsicht und unabhängig vom Alter. Ein Defizit ist eine der häufigsten, aber auch unterdiagnostiziertesten hormonellen Störungen. Das klinische Bild präsentiert sich in unterschiedlichen Formen, die entscheidend für Diagnose und mögliche Therapie sind. Ein Testosterondefizit kann ein Marker für eine bisher nicht ­erkannte chronische Erkrankung sein. Aber muss man das Testosteron deswegen ersetzen, wenn es zu niedrig ist?

Der männliche Hypogonadismus beschreibt die Auswirkungen eines Testosterondefizits. Ein solches präsentiert sich in einer Mannigfaltigkeit klinischer Bilder, die zu einer mentalen und körperlichen Beeinträchtigung der Patienten führen. Analog zu den Störungen von z. B. Schilddrüse und Nebennierenrinde unterscheidet man einen primären (testikulären) und einen sekundären (hypophysär-hypothalamischen) Hypogonadismus. 

Es existiert auch eine Mischform des Testosterondefizits, die mit metabolischen Störungen, inbesondere der Zunahme von viszeralem Bauchfett, zusammenhängt und häufig bei älteren Männern beobachtet wird. Dieser sogenannte funktionelle Hypogonadismus ist eine nosologische Entität, die nicht jeden Mann trifft. Es wäre also falsch, von „Wechseljahren des Mannes“ zu sprechen. Diese Art von Androgendefizit wird pathophysiologisch als kombinierte Dysfunktio­nalität von zentralen und peripheren Regelmechanismen der hypothalamisch-hypophysär-gonadalen Achse gesehen und steht meist in Zusammenhang mit überschüssigem viszeralem Fett und von diesem initiierten inflammatorischen Prozessen.1–4 

Der Hypogonadismus (Testosterondefizit) des Mannes ist nicht selten.1 Typische Manifestationen treten in Form von Stimmungsstörungen, insbesondere einer Neigung zur Depressivität und Einschränkung von kognitiven Fähigkeiten, aber auch sexuellen Funktionsstörungen auf; ebenso kann eine Umverteilung der Körperzusammensetzung mit Verlust der Muskelmasse und einer Zunahme des viszeralen Fettdepots auffallen. 

Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass ein Testosteronmangel mit dem Metabolischen Syndrom des Mannes und insbesondere der Insulinresistenz assoziiert sein kann.4 Beide Entitäten verstärken sich gegenseitig. Ein Androgendefizit des Mannes wird zudem häufig von einer Osteoporose und milden bis funktionellen Anämie begleitet. 

Bei älteren Männern weisen die Symp­tome eines Androgendefizits häufig ein anderes klinisches Gesamtmuster als bei jüngeren Männern auf; dies ist zum Teil auf Ko-Morbiditäten zurückzuführen.1–4 Das Altern per se ist keine Ursache für ein Sinken der Testosteronspiegel, vielmehr sind häufig mit dem Alter assoziierte Erkrankungen für einen solchen funktionellen Testosteronmangel verantwortlich. 

Testosteron ist ein für den Mann essenzielles Hormon, in vielerlei Hinsicht und unabhängig vom Alter. Die Ersatztherapie eines klinisch manifesten Androgendefizits mit Testosteron ist also primär als endokrinologische und metabolische Notwendigkeit zu betrachten. In den letzten Jahren sind neue Testosteronersatzmodalitäten eingeführt worden (kurzwirksame transdermale Gele und langwirksame Depotinjektionen). Diese Präparate zeichnen sich durch hohe Verträglichkeit und Wirksamkeit aus.1

Eine zentrale Frage für den behandelnden Arzt ist, ob sich die hormonelle Veränderung klinisch bemerkbar macht und ob sie mit anderen, chronisch-alters­assoziierten Erkrankungen in verstärkende Wechselwirkung tritt. Solche Erkrankungen können die Atherosklerose, der ­Diabetes mellitus Typ 2, das metabolische Syndrom, Anämien, Osteoporose, Stimmungsschwankungen (hauptsächlich: Depressivität und/oder Antriebsmangel), kognitive Störungen und sexuelle Funktionseinbußen (führend: Erektionsstörungen und/oder Libidoverlust) sein.1,3

Pathophysiologie des männlichen Hypogonadismus 

Die endokrine Regulation der Hodenfunktionen unterliegt der Kontrolle der Gonadotropine: Luteinisierendes Hormon (LH) und follikelstimulierendes Hormon (FSH) werden von den gonadotropen Zellen der Adenohypophyse sezerniert. Die gonadotropen Zellen der Hypophyse werden durch das vom Hypothalamus pulsatil freigesetzte Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) reguliert. LH stimuliert die Testosteronproduktion in den Leydig-­Zellen des Hodens. Störungen auf der Ebene des Hypothalamus oder der Adenohypophyse führen zum hypogonadotropen oder sekundären Hypo­gonadismus, während Ausfälle im Bereich der Testes einen hypergonadotropen oder primären Hypo­gonadismus verursachen.1,3

Störungen der hypothalamischen GnRH-Sekretion ziehen den Ausfall der hypophysären Gonadotropinsekretion nach sich. Hier finden sich die klinisch verwandten Krankheitsbilder des idiopathischen hypogonadotropen Hypogonadismus (IHH) und des Kallmann-Syndroms. Das Kallmann-Syndrom ist wegen einer embryonalen Migrationsstörung von Neuronen, die vom nasalen Riechepithel aussprossen, mit einer Anosmie für aromatische Substanzen verbunden. Bei mehr als der Hälfte der Patienten mit einem Kallmann-Syndrom ist von einer genetischen Grundlage der Erkrankung auszugehen.1,3 
Ursächlich können auch raum­fordernde Prozesse im Zwischenhirnbereich zur Beeinträchtigung der hypothalamischen GnRH-Sekretion führen (Kraniopharyngeome, Meningeome, Metastasen). Traumata, Bestrahlungen oder Läsionen ischämischer oder hämorrhagischer Natur sind ebenfalls zu nennen, wie auch granulomatöse Erkrankungen, die Hämochromatose, die chronische Niereninsuffizienz oder kachektische Zustände und auch die seltenen inaktivierenden GnRH-Rezeptormutationen.1,3

Der GnRH-Sezernierung noch übergeordnete Hormone und Rezeptoren werden durch das Kisspeptin/GPR54-System repräsentiert. Diese Signalstrukturen sind offensichtlich sowohl für die Pubertäts­induktion als auch den Erhalt der normalen Steuerung der gonadalen Achse essenziell. Eine enge Verbindung zur zentralen Regulation des Körperenergievorrats und -bedarfs (durch z. B. Leptin, Ghrelin) ist hier gegeben. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass diese hormonellen Strukturen nach weiterer Aufklärung eine wesentliche ­Rolle in der Beschreibung und möglicherweise auch Behandlung des sekundären Hypo­gonadismus und auch der verzögerten Pubertät spielen werden.1,3,4

Störungen der Hypophyse sind meist durch Adenome bedingt (meist Prolaktinome). Ebenso können die o. g. primär extrakraniellen Ursachen Auslöser für eine Hypophysendysfunktion sein. Eine angeborene Hypophyseninsuffizienz ist selten und klinisch heterogen; viele Patienten machen noch eine spontane Pubertätsentwicklung durch.1,3 

Der hypergonadotrope (primäre) Hypo­gonadismus kann durch ein Fehlen der Testes hervorgerufen werden. Der akzidentelle Hodenverlust ist Folge von Traumata, Entzündungen (z. B. Mumpsorchitis) oder Torsionen. Eine Funktionseinschränkung der Testosteronbiosynthese kann bei maldeszendierten Testes vorkommen. Angeborene numerische Chromosomenaberrationen wie das unterdiagnostizierte Klinefelter-Syndrom (Karyotyp 47, XXY, siehe unten) sind im klinischen Verlauf oft mit der Entwicklung eines hypergonadotropen Hypogonadismus vergesellschaftet.1,3 

Häufig wird bei älteren Männern eine Kombination aus erniedrigten Testosteronspiegeln und inadäquat niedrigen Gonadotropinspiegeln angetroffen, die auf synergistische Störungen der hypothalamisch-hypophysären Funktionen und der Leydig-Zell-Kapazität zurückgehen. Dieses klinische Bild wird manchmal als Altershypogonadismus bezeichnet und stellt doch eher eine funktionelle Mischform aus primärem und sekundärem Hypogonadismus dar. Neuere Erkenntnisse zeigen, dass nicht das Alter diesen Vorgang auslöst, sondern dass Ko-Morbiditäten, deren Inzidenz im Alter höher ist, diesen bedingen.1–4 
 

Primärer Hypogonadismus

Sekundärer Hypogonadismus

Androgenresistenz

• Anorchie

• Maldescensus testis

• Z. n. Orchitis

• Klinefelter-Syndrom, 47 XXY

• (Z. n.) Hodentumor

• Z. n. Hodenverletzungen

• Z. n. Hodenbestrahlung

• Z. n. Chemotherapie

 
  • Idiopathischer hypogonado­troper Hypogonadismus (IHH)
  • Kallmann-Syndrom
  • Hypophysenadenome
  • Hämochromatose
  • Zentrale Ischämie
  • Zerebrales Trauma
  • Radiatio zentraler Strukturen
  • Kachexie
  • Opioid-Medikation oder
    -abusus
 
 
  • Mutationen oder Poly­morphismen des Androgenrezeptor-­Gens
  • 5-alpha-Reduktase-­Mangel5
 

Funktioneller Hypogonadismus: im Zusammenhang mit Übergewicht, Stoffwechselstörungen oder chronisch-inflammatorischen Erkrankungen [1–4,6,7]

 

Tab. 1: Hauptursachen des Hypogonadismus beim Mann

Klinisches Gesamtbild des Testosterondefizits

Das klinische Bild eines Patienten mit einem Hypogonadismus umfasst diskrete bis hin zu sehr eindrucksvollen Formen und wird wesentlich vom Manifestationszeitpunkt, dem Ausmaß des Testosterondefizits, dessen Dauer, den Symptomschwellenwerten selbst und genetischen Faktoren der Androgenempfindlichkeit (Androgenrezeptorpolymorphismen) bestimmt (Tab. 2).1–5

Betroffenes Organ/
Funktion

Bilder des Testosterondefizits
(symptom-spezifisch und in Abhängigkeit von der genetisch determinierten Androgenrezeptibilität bei Testosteronwerten im Serum meist unter 12,0 nmol/L)

Knochen

Osteoporose

Hämatopoese

Anämie

Muskulatur

Atrophie

Fettgewebe

stetige Zunahme besonders des viszeralen Fetts

Metabolismus

Insulinresistenz

Penis

oft Größenminderung durch Gewebe­umbau

Prostata

Atrophie

Testes

Volumenabnahme

Stimmung

melancholisch/depressiv

Antriebskraft

Verminderung

Kognition

herabgesetzte räumliche Wahrnehmungsfähigkeit

Libido

Verlust

Erektions­fähigkeit

Verlust

Tab. 2: Bilder des Testosterondefizits


Der Verdacht auf einen Hypogonadismus des Mannes stellt sich also kombiniert aus der Anamnese und der körperlich-genitalen Untersuchung, die der Arzt, auch bei anderen Krankheitsbildern, nicht aus falscher Scham übergehen sollte.1,3 

Kernpunkte sind hierbei:

  • a) Die sexuelle Aktivität ist bei hypogonadalen Patienten ohne Substitutionstherapie gering oder fehlt ganz. Dies ist auf einen Libidoverlust und/oder eine Erektionsstörung zurückzuführen. 
  • b) Die Patienten beklagen meist einen Antriebsverlust und eine her­abgesetzte Stimmungslage. Oft sind diese beiden Punkte die in die Praxis führenden Probleme des Mannes.1,3

Diese führenden klinischen Symptome des Testosterondefizits, die entsprechende Diagnostik und deren Beeinflussbarkeit durch eine Substitutionstherapie werden im Folgenden erläutert.
 

Diagnostik des männlichen Hypogonadismus

Die andrologische Diagnostik umfasst neben der Anamnese auch die körperliche Untersuchung, bild­gebende Verfahren und die Laboranalytik der betroffenen Hormon­achse und der Fertilität.1,3 

Die endokrinologische Diagnostik wird hier hinsichtlich der Spezifität der therapiebahnenden Entscheidungswege (Abb. 1) ausführlicher dargestellt. Sie erfasst in den ersten Schritten die Serumspiegel von Gonadotropinen, Testosteron, Sexualhormonbindendem Globulin (SHBG) und im Einzelfall auch Prolaktin. Die Testosteronsekretion unterliegt Tagesschwankungen, daher werden die Serumwerte aus morgendlich gewonnenen Proben bestimmt. Ein Gesamttestosteronwert von < 8 nmol/l ist sicher pathologisch, Werte zwischen 8 und 12 nmol/l sollten kontrolliert werden. Meist korreliert das freie, nicht an SHBG gebundene Testosteron gut mit dem Gesamttestosteron (Abb. 1). Erhöhte Spiegel von SHBG und daher erniedrigte Konzentrationen von freiem Testosteron treten bei einer Hyperthyreose auf. Mit zunehmendem Alter des Mannes wird diese Konstellation ebenfalls beobachtet.

 


Merksatz: Internationale Leitlinien sehen die Wiederholung der Testosteron-Messung im Abstand von einigen Wochen vor, wenn Männer mit Symptomen des Testosteronmangels sich vorstellen. Ein generelles Screening wird abgelehnt.1–3


Bei einem erniedrigten Testosteronspiegel gibt die Konzentration der Gonadotropine die Richtung der weiteren Diagnostik an: Hohe Gonadotropinspiegel weisen auf eine testikuläre (primäre) Ursache des Hypogonadismus hin, niedrige eher auf eine zentrale Ursache. Die Bestimmung des Karyotyps zum Ausschluss eines Klinefelter-Syndroms sollte bei deutlich erhöhten Gonadotropinspiegeln erfolgen. 

Wird eine zentrale Störung vermutet, schließt sich als bildgebendes Verfahren die Kernspintomographie für die Darstellung der Hypophysen-Hypothalamus-Region an. Bestimmungen des Blutbildes und der Blutfette gehören ebenfalls dazu. Diese Parameter müssen auch im Verlauf einer Substitutionstherapie kontrolliert werden. Die Knochendichte wird durch geeignete Verfahren (meist DEXA) optio­nal bestimmt. 

Eine Ejakulatanalyse sollte nicht zwingend, aber bei jüngeren Patienten doch in der Regel in der Diagnostik des Hypogonadismus enthalten sein. Eine Kontrolle der Prostata (PSA-Werte, Tastbefund) ist zwingend vor einer Therapieeinleitung nötig.1

Sonderfall Klinefelter-Syndrom: Genetik und Endokrinologie 

Genetisch bedingte Störungen im andrologischen Bereich weisen phänotypische Bilder mit großer Variationsbreite auf. Das Klinefelter-Syndrom ist mit einer Prävalenz von 0,2% der männlichen Bevölkerung recht häufig. Es beruht bei den meisten Patienten auf einer Chromosomenaberration mit der Karyotypformel 47,XXY. 
Patienten mit dem Klinefelter-Syndrom fallen meist durch pränatale Diagnostik, in der Pubertät oder als Kinderwunschpatienten auf. Im postpubertären Alter liegt die typische Konstellation von kleinen festen Hoden und Androgen­mangelsymptomen (wie geringem Bartwuchs, stark variierend) vor. Ab etwa dem 25. Lebensjahr kommt es zu deutlicheren Zeichen eines Androgenmangels wie nachlassender Libido und Potenz, beginnender Osteoporose und schwindender Muskelkraft. Eine Gynäkomastie entwickelt sich bei der Hälfte der pubertierenden Patienten. 

Neben dem klinischen Bild dient der Nachweis des Karyotyps der Diagnose. Ergänzend wird man eine Bestimmung der Gonadotropin- und Testosteronkonzen­trationen (hypergonadotroper Hypogonadismus) vornehmen sowie eine ultrasonographische Untersuchung der Testes, da ein erhöhtes Malignitätsrisiko besteht. In fast allen Ejakulaten wird sich eine Azoospermie finden. Eine Darstellung der Prostata ist wegen der Verlaufskontrolle einer eventuellen Testosteronsubstitutionstherapie nötig. 
Bei der Hälfte der Patienten finden sich in testikulären Biopsien Spermien. Dann ist die Erfüllung eines Kinderwunsches mittels intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) nach eingehender humangenetischer Beratung möglich. Bei einem Klinefelter-Syndrom liegt der Schwerpunkt der Behandlung erst nach einer solchen Biopsie (falls gewünscht) in der Substitutionstherapie mit Testosteron.1,12
 

Männlicher Hypogonadismus: Therapie und Kontraindikationen

Die Therapie des männlichen Hypogonadismus wird durch zwei Kriterien beeinflusst: a) ist der Hypogonadismus primär, sekundär oder funktionell, b) besteht ein Kinderwunsch? 
Liegt kein Kinderwunsch vor, erfolgt die Substitution mittels einer Testosteronpräparation, die nach Ausschluss von Kontraindikationen an die individuellen Bedürfnisse und Präferenzen des Patienten angepasst wird (Tabellen 3 und 4). 


Merksatz: Es ist generell damit zu rechnen, dass die in Tab. 2 aufgeführten Symptome sich deutlich bessern, wie in kontrollierten und randomisierten Studien und Meta-Analysen gezeigt wurde.1,2,7,8,11,13-15 ­Dabei besteht eine Altersabhängigkeit, junge Männer profitieren mehr und schneller von einer Testosteronersatztherapie.2 Symptombezogen findet sich eine Zeitabhängigkeit im Verlauf der Besserung, zunächst werden  psychische Beschwerden gelindert, dann verringern sich Stoffwechselstörungen, die Knochendichte wird sich erst nach ca. einem Jahr deutlich verstärken.16


 

Absolute Kontraindikationen

Relative Kontraindikationen

(V.a.) Prostatakarzinom

Anämie

(V.a.) Mammakarzinom

Atrophie

Kinderwunsch

stetige Zunahme besonders des viszeralen Fetts

Kriminelles Sexualverhalten

Insulinresistenz

Unklare Polyzythämie

oft Größenminderung durch Gewebe­umbau

Unbehandelte Schlafapnoe

Atrophie

Schwere Symptome der Prostatahyperplasie

Benigne Prostatahyperplasie

Tab. 3: Absolute und relative Kontraindikationen der Testosteronsubstitution [1,3]

 

Administration

Substanz

Art

Dosis

oral

Testosteron-
undecanoat

Testosteronkapseln

2 Kapseln
2- bis 3-mal pro Tag mit einer Mahlzeit

transdermal

Testosteron-Gele

Gel im Spender (2 % Testosteron)

1 bis 10 Hübe
à 10 mg aus Dosier­spender/d

Gel im Spender (16,2 mg Testosteron/g Gel)

1 bis 4 Hübe
à 20 mg aus Dosier­spender/d

Gel im Beutel

62,5 mg oder 125 mg/d
aus dem Beutel

Gel im Spender (85,5 g Gel mit 1,71 g Testosteron)

1 bis 3 Hübe
aus dem Dosierspender

intramuskulär

Testosteron-
enanthat 250 mg

Testosteron-
enanthat

1 Ampulle
alle 2 bis 3 Wochen

Testosteron-
undecanoat 1000 mg

Testosteron-
undecanoat

1 Ampulle
alle 10 bis 14 Wochen

Tab. 4: Testosteronpräparate (in Deutschland erhältlich, nach [1])

 

Liegt ein Kinderwunsch vor, muss mit Gonadotropinen behandelt werden, was aber dem sekundären Hypogonadismus vorbehalten ist (siehe Tab. 5).

Substanz

Applikationsform

Dosierung

GnRH pulsatil

subkutan durch
ext. Minipumpe

5 – 20 µg/Puls alle 2 h

oder alternativ

  

humanes Chorion-­Gonadotropin (hCG)

subkutan oder intramuskulär

1500 – 3000 IE 2- bis 3-mal pro Woche

in Kombination mit

hochgereinigtem oder
rekombinantem FSH

subkutan

150 IE
3-mal pro Woche

Tab. 5: Modalitäten der Gonadotropinsubstitution bei sekundärem Hypogonadismus des Mannes zur gleichzeitigen Androgenisierung und Fertilitätsinduktion

KernaussagenDer Hypogonadismus/das Testosterondefizit des Mannes ist eine ernst zu nehmende Krankheit, die zu multiplen Morbididäten führt.

Die Testosteronersatztherapie ist mittels moderner transdermaler und injizierbarer Depotpräparate einfacher und besser steuerbar geworden.

Testosteron ist ein natürliches Hormon, das der Mann für den Erhalt multipler Körper- und Geistesfunktionen essenziell benötigt.

Der Hypogonadismus des Mannes ist eine Krankheit, die zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität führt und den Patienten weiteren Gesundheitsrisiken aussetzt. 

Es gibt klare Richtlinien hinsichtlich Diagnostik, Therapieinitiiation und -überwachung.

Besonderes Augenmerk bei der Therapieüberwachung gilt der Prostata und dem roten Blutbild.

Funktioneller Hypogonadismus und Metabolische Störungen 

Etablierte Risikofaktoren der immer älteren und übergewichtigeren Gesellschaft spielen eine immer wichtigere Rolle für die Gesundheit des Mannes.4 Dabei zeigt sich das viszerale Fett als endokrines Schlüsselorgan und Ausgangpunkt für athero­sklerotische Prozesse, chronische Inflammation sowie klinisch relevante Insulinresistenz/pathologische Glukose­toleranz. 

Es gibt epidemiologische Hinweise ­darauf, dass ein Testosteronmangel mit dem metabolischen Syndrom und einer gestörten Glukosetoleranz in einem Wechsel­wirkungsprozess zusammenhängt.7 Dies manifestiert sich durchaus in einer erhöhten Sterblichkeit hypogonadaler Männer durch kardiovaskuläre Ursachen, die offensichtlich durch fettgewebsassoziierte Pathomechanismen entsteht.4 Eine Meta-Analyse zeigt positive Wirkungen einer Androgengabe auf Körperzusammensetzung und Glukoseutilisation auf.8 Ebenso legte eine 5-jährige kontrollierte Studie bei hypogonadalen Männern mit einem Diabetes mellitus Typ 2 eine verringerte Mortalität unter Testosteronsubstitution dar.17

Kinderwunsch und Hypogonadismus

Bei Kinderwunsch kann die Spermatogenese nur bei den hypogonadotropen Formen des Hypogonadismus induziert werden. Eine direkte Testosteronsub­stitution ist hier kontraindiziert, weil es durch den negativen Feedback zu einer weiteren Unterdrückung der Gonadotropinsezernierung kommt. Die Substitution muss also zumindest auf der Ebene der Gonadotropine beginnen. Eine solche Therapie hängt von der Ätiologie des sekundären Hypo­gonadismus ab und kann binnen Monaten zur Induktion der Spermatogenese führen, manchmal kann es aber auch mehrere ­Jahre dauern, besonders wenn eine angeborene Form des hypogonadotropen Hypogonadismus vorliegt (Tab. 5).18 

Überwachung der Therapie des männlichen Hypogonadismus

Die Überwachung der Substitutions­therapie eines hypogonadalen Patienten umfasst somatische Aspekte, Labor­parameter und die Bewertung des Verhaltens1,3,19 (Tab. 6). 

Ziel­parameter

Messgröße

Kontroll-
Intervall
erstes Jahr#

Intervalle folgende Jahre*

Grenzwert/
notwendige Aktion

rotes Blutbild

Hämoglobin/ Hämatokrit

alle 3 Monate

1- oder 2-mal pro Jahr

18,0 g/dl oder
52 % (Dosisreduktion)

Prostata

Grösse (TRUS+)

alle 3 Monate

1- oder 2-mal pro Jahr

Symptome des Harnverhaltes
(Dosisreduktion oder urol. med. Therapie)

 

Palpation

alle 3 Monate

1- oder 2-mal pro Jahr

Pathologisches Ergebnis
(Absetzen/Biopsie)

 

PSA

alle 3 Monate

1- oder 2-mal pro Jahr

4 ng/ml oder „PSA velocity“
> 0,4 ng/ml/Jahr nach dem 1. Jahr und absoluter PSA-Wert
> 1 ng/ml (Absetzen/Biopsie)

Haar

Beobachtung

alle 6 Monate

jährlich

unerwünschter Haarausfall
(Dosisreduktion oder anderes Präparat)

Schlaf

Nachfrage oder Schlaf­apnoe-Monitoring

alle 6 Monate

jährlich

Schlafapnoe
(Dosisreduktion oder anderes Präparat, adäquate Therapie)

Haut

Beobachtung

alle 3 Monate

jährlich

Akne/Rötung
(Dosisreduktion oder anderes Präparat)

Lipidprofil

Gesamt­cholesterin,
Triglyceride, HDL-C, LDL-C

alle 6 Monate

jährlich

bei diesen Parametern sind keine negativen Änderungen bekannt

Knochen

Densitometrie

nach 1 Jahr

alle 2 Jahre

Sexualität

Nachfrage

alle 3 Monate

1- oder 2-mal pro Jahr

Stimmung

Nachfrage

alle 3 Monate

1- oder 2-mal pro Jahr

#: Bei Männern jünger als 40 Jahre kann die Überwachung im ersten Therapiejahr nach 3 und dann nach 9 Monaten nach Beginn der Therapie stattfinden.

*: Nur im Falle normaler Zielparameter, sonst Intervalle des ersten Behandlungsjahres.

+: TRUS: Transrektale Ultraschalluntersuchung der Prostata

Tab. 6: Zielparameter und Überwachungsmodalitäten einer Androgensubstitution
 

Viele Patienten berichten über einen verstärkten Bartwuchs, die ­Zunahme von Muskel- und die Abnahme der Fettmasse. Libido und sexuelle Aktivität nehmen zu, die allgemeine Konzentrationsfähigkeit und kognitive Fähigkeiten werden gesteigert, eine depressive Stimmung schwindet. Solche Veränderungen können zu Imbalancen in einer zuvor stabilen Partnerschaft führen und bedürfen der Begleitung durch den behandelnden Arzt. 

Eine Gynäkomastie kann durch Aromatisierung des Testosterons zu Östrogenen entstehen. Dies ist besonders der Fall bei hohen Spitzenspiegeln unter der Nutzung kurz wirksamer injizierbarer Testosteron­ester. 
Die Prostata als androgensensitives Or­gan wird unter einer Testosteronsub­stitution meist an Größe zunehmen, jedoch nur bis zur Größe bei altersgleichen gesunden Männern. Die Inzidenz eines Prostatakarzinoms nimmt mit dem Alter zu, daher erfolgt vor Beginn und während einer Testosterontherapie eine regelmäßige Kontrolle der PSA-Spiegel in Kombination mit einer rektalen Palpation und möglichst auch einer transrektalen Ultrasonographie. Prostatakarzinomzellen sind zumindest initial durch Androgene in ihrem Wachstum stimulierbar, es gibt aber bisher keine Hinweise für die Initiierung eines Malignoms durch Testosteron. 

Besonders ältere Männer zeigen eine Neigung zur Erhöhung des Hämatokrits unter Testosteronsubstitution. Dies sollte in den ersten Monaten der Therapie, nach denen ein Plateaueffekt eintritt, gut überwacht werden.1,3

  • Dieser Teil des Kapitels wurde in Anlehnung an aktuelle Richtlinien der Fachgesellschaften zur Diagnostik und Therapie des Hypogonadismus verfasst.1,3

Merksätze:
1. Der Hypogonadismus des Mannes ist eine Krankheit, die zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität führt und den Patienten weiteren Gesundheitsrisiken aussetzt. Andrologisch tätige Kliniker haben eine Bandbreite therapeutischer Optionen zur Testosteronsubstitution, die nach standardisierter Diagnostik unter erfahrener Kontrolle nach festgelegten Schemata eingesetzt werden können. 

2. Es gilt, auch immer die Ursachen des Hypogonadismus zu behandeln. Dies ist besonders bei dem funktionellen Hypo­gonadismus der Fall, der durch zugrundeliegende Komorbiditäten verursacht wird. Meist sind dies Adipositas und metabolische Störungen. Adäquate Änderungen der Lebensgewohnheiten müssen auf jeden Fall grundlegender Teil des Therapiekonzeptes sein.


 

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Interessenkonflikte: Michael Zitzmann gibt an, dass keine finanziellen Interessenkonflikte bestehen. 
Nicht-finanzielle Interessen: Michael Zitzmann ist Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, Deutschen Gesellschaft für Andrologie, Deutschen Gesellschaft für Diabetologie, European Academy of Andrology, American Endocrine Society, International Society of Andrology, European Society of Endocrinology, European Society of Urology, International Society of Sexual Medicine.

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