Wie Ärztinnen den Thomas-Kreislauf durchbrechen können

Weil Thomas besonders gerne den nächsten Thomas fördert, sind Männer in ­Spitzenpositionen noch häufig unter sich. Über das Einbringen in die Gremien könnten Frauen das Erreichen der Parität überall in der Medizin beschleunigen.

Bei den Medizinstudierenden beträgt der Anteil der Frauen über 60 % und Frauen stellen nahezu 50 % der Ärzteschaft. Als Inhaber von Praxen und in Führungs- und Spitzenpositionen der Medizin finden sich aber deutlich mehr Männer als Frauen. Die Medizin ist noch weit entfernt von ausgewogenen Verhältnissen.

Woran das liegt? Ein wichtiger Faktor ist ein sich selbst erhaltender Kreislauf, der die Ungleichheit in verantwortlichen Positionen manifestiert. Um Fortschritte zu erzielen, ist es wichtig, ihn genau an den Stellen zu unterbrechen, an denen zukunftsweisende Entscheidungen für den Berufsstand getroffen werden: in den ärztlichen Gremien. Dort müssten sich mehr Ärztinnen möglichst frühzeitig in ihrer Laufbahn engagieren, damit der „Thomas-Kreislauf“ endlich zusammenbricht.

Männer holen kaum Frauen nach

Der Begriff stammt von der AllBright Stiftung, die sich für mehr Frauen und Diversität in den Führungspositionen der Wirtschaft einsetzt. Er beschreibt das Phänomen, dass sich die Mitglieder einflussreicher Zirkel in Alter, Herkunft, Ausbildung und Geschlecht stark gleichen. Der Grund: Die einflussreichen Menschen umgeben sich am liebsten mit Abbildern ihrer selbst. Darum hießen im Jahr 2017 fünf Prozent aller CEOs in Deutschland Thomas mit Vornamen.

Das bedeutet für Ärztinnen: Solange wir nur wenige Frauen in einflussreichen Positionen unserer Gremien haben, holt kaum jemand Frauen nach. Ärztinnen müssen sich folglich selbst aktiver darum kümmern, dass beispielsweise nicht weiterhin nur 2 von 17 Landesärzte­kammern eine Präsidentin haben. Oder, dass in fünf Ärztekammern, in denen die Präsidien aus drei Personen bestehen, nur in zweien eine Frau vertreten ist. Doch gibt es ermutigende Fortschritte. Natürlich! Die meisten der großen ärztlichen Verbände haben inzwischen wenigstens eine Frau im Vorstand, einer wird erstmalig von einer Frau geführt. Aber insgesamt dauert das Angleichen an die Parität in der Ärzte­schaft immer noch zu lange.

Wege aus der Dreifachbelastung

Der erste Schritt zur Änderung besteht darin, dass sich grundsätzlich mehr Frauen zur ehrenamtlichen Gremienarbeit bereit erklären. Was jedoch viele zögern lässt, ist die Aussicht, dass dann aus der Doppelbelastung „Familie und Beruf“ eine Dreifachbelastung, bei Praxisinhaberinnen eventuell sogar eine Vierfachbelastung würde: Männer, das erlebe ich selbst oft, haben nach Sitzungen Zeit, ein Bier zu trinken. Sie netzwerken bei solchen Gelegenheiten ganz nebenbei. Frauen hingegen hetzen häufig zur Familie, für die sie sich verantwortlich fühlen. Um hier mehr Freiräume zu schaffen, müssen sich Rollenmuster verändern. Männer sollten Frauen den Rücken freihalten und Frauen müssten besser netzwerken und untereinander stärkere Seilschaften knüpfen.

Ich persönlich fordere außerdem eine Begrenzung der Arbeitszeit. Warum müssen Ärztinnen und Ärzte zusätzlich am Wochenende, an Feiertagen und in der Nacht arbeiten? Wäre eine 40-Stunden-Woche, inklusive der Dienste, das Normale, hätte jede und jeder einzelne viel zusätzliche Zeit und damit auch Zeit für Familie und für ein Ehrenamt.

Motivation aktiv weitergeben

Hier stecken wir wieder mitten im Kreislauf. Solange die Verhältnisse sind, wie sie sind, werden sich solche gravierenden Neuerungen im ärztlichen Berufsbild nur schwer durchsetzen. Ich möchte daher jungen Kolleginnen sagen: „Streben Sie in verantwortungsvolle Positionen und einflussreiche Ämter.“ Ärztinnen, die es schon geschafft haben, möchte ich ermuntern: „Erzählen Sie davon! Motivieren Sie die nächste, es auch zu tun.“ Und ganz allgemein: „Sensibilisieren Sie andere Ärztinnen und Ärzte dafür, dass gemischte Teams erfolgreicher arbeiten, auch in der Ärzteschaft, ambulant und stationär!“

Dr. med. Christiane Groß, M.A. 
Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes e.V. (DÄB)*

*Seit 1998 ist sie Delegierte in der Ärztekammer Nordrhein, seit 2005 im Kammervorstand und regelmäßig Delegierte der Deutschen Ärztetage. Im Bereich der Ärztekammern und noch mehr bei den KVen, aber auch in den ärztlichen Verbänden hat sie das Ungleichgewicht zwischen dem Anteil der Ärztinnen und derer Beteiligung in den Gremien wahrgenommen und die zugrundeliegenden Mechanismen analysiert. 

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