Aktualisierte S3-Leitlinie mit Neuerungen für die systemische Therapie der Psoriasis

Mario Gehoff. Vielen Menschen mit Psoriasis kann mit einer Systemtherapie sehr gut geholfen werden. Dennoch ist so eine Behandlung nicht unter allen deutschen Dermatologen selbstverständlich. Die aktualisierte S3-Leitlinie zur Therapie bei Psoriasis soll Orientierung und Sicherheit im mittlerweile großen Portfolio der Arzneimittel bringen.

Zitierweise: HAUT 2022;33(5):254-256.

Wer Zeit sparen möchte, kann den Abschnitt zur topischen Therapie in dem 200-Seiten-Werk überspringen. Denn die Empfehlungen zu dieser Therapie aus dem letzten Update von 2015 haben sich nicht verändert. Umso spannender sind aber die Ergänzungen und Änderungen zur systemischen Therapie.

Adaption an EuroGuiDerm

Erstmals handelt es sich bei der aktualisierten Leitlinie um eine Adaption der europä­ischen Leitlinie „EuroGuiDerm Guideline on the Systemic Treatment of Psoriasis“ aus 2020. Die 17-köpfige deutsche Leitliniengruppe übersetzte eine Vorversion dieser Guideline, stellte sie neu zusammen und passte sie an die deutschen Versorgungs- und Rahmenbedingungen an. Somit bildet die europäische Herangehensweise die Basis für den deutschen Weg. Außerdem soll die Leitlinie von nun an jährlich überarbeitet werden. Sie ist damit eine Living Guideline.

Alle zugelassenen Substanzen, von den konventionellen Systemtherapeutika über die TNF-α-Hemmer bis hin zu den Interleukin-Antikörpern, sind einzeln, übersichtlich und mit spezifischen Anwendungshinweisen versehen in der Leitlinie aufgeführt. Dazu gehören beispielsweise Hinweise, was vor, während und nach der Behandlung gemacht werden sollte, oder auch Empfehlungen zu Laborkontrollen, zu Kontraindikationen, polypharmazeutischen Verträglichkeiten und anderen Aspekten.

Wichtige Änderung Nr. 1: ­Therapieziel-Definition

Die vielen neuen Antikörpertherapien der letzten Jahre machen es möglich, dass heute in der Langzeittherapie eine stärkere PASI-Reduktion erreicht werden kann, als es im sogenannten Europäischen Konsensus festgehalten wurde. Kein Wunder, ist dieser doch auch mehr als ein Jahrzehnt alt. Eine stärkere Reduktion führt unweigerlich auch zu einer besseren Lebensqualität.

Somit gilt mit der aktualisierten Leitlinie auch ein aktualisiertes minimales Therapieziel, nämlich ein Psoriasis Area and Severity Index von 75 % (PASI-75), also eine mindestens 75%ige Verbesserung der Krankheitssymptome. International diskutieren die Dermatologen jedoch darüber, diese Latte noch etwas höher zu legen. Denn mit den neuen Therapeutika ließe sich bei der Mehrheit der Patienten wohl auch ein PASI-90 erreichen. Entsprechend besteht schon jetzt der starke Konsens, wann immer möglich das Therapieziel individuell nach oben anzupassen.

Wichtige Änderung Nr. 2: Upgrade-Kriterien präzisiert

Daran, wie sich der Schweregrad einer Psoriasis grundsätzlich bestimmen lässt, hat sich auch nach langer Diskussion nichts geändert. Eine mittelschwere bis schwere Psori­asis liegt vor, wenn PASI oder Body Surface Area (BSA) -Index jeweils über zehn liegen und wenn gleichzeitig der Dermatologische Lebensqualitäts-Index (DLQI) ebenfalls größer als zehn ist. Muss die Erkrankung anhand dieser Kriterien als leichte Form eingestuft werden, besteht aber gleichzeitig ein hoher Leidensdruck beim Patienten, so kann die Psoriasis in einen höheren Schweregrad eingestuft werden. Ein höherer Leidensdruck kann zum Beispiel eine Psoriasis in vielen sichtbaren Arealen sein. Auch eine Ausprägung im Genital­bereich oder starker Juckreiz und häufiges Kratzen gelten als Upgrade-­Option. Gerade der intensive Juckreiz wird heutzutage im Praxisalltag noch viel zu häufig unterschätzt.

Wichtige Änderung Nr. 3: Biologika als Erstlinien-Therapeutika

Eine besonders schwere Psoriasis verlangt auch ein besonders wirksames Arzneimittel. Daher wurden in der aktualisierten Leitlinie die Empfehlungen zum Therapieeinsatz von Biologika bei Patienten mit mindestens mittelschwerer Psoriasis konkretisiert. Im Zuge dessen wurde auch die Formulierung „wenn konventionelle Therapien keinen ausreichenden Therapieerfolg erwarten lassen“ mit konkreten Beispielen unterlegt.

Wichtige Hinweise für Begleiterkrankungen

Jeder Patient ist anders, und somit auch seine Psoriasis und jede seiner möglichen Begleit­erkrankungen. Entsprechend sollte sich die Therapieentscheidung nicht nur an der Größe der betroffenen Hautfläche oder anderen klinischen Parametern orientieren, sondern auch an der Komorbidität. Denn, so zeigen es wissenschaftliche Studien: Begleiterkrankungen sind nicht unwichtig. Für Begleit­erkrankungen bietet die aktualisierte Leit­linie zwei übersichtliche Entscheidungs­pfade, einen zu konventionellen System­therapeutika und einen zu Bi­ologika.

Einen spannenden Einblick zur Leitlinienarbeit lieferte übrigens kürzlich Prof. Alexander Nast, Vorsitzender der Kommission für Qualitätssicherheit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Denn die Leitlinie zur Psoriasis ist nur eine der über 100 Leitlinien, an denen die beiden dermatologischen Fachgesellschaften mitwirken: Bei 41 davon ist die DDG sogar federführend, davon sechs auf S3-Niveau. Viel Arbeit, wie Nast verdeutlichte, denn alle Leitlinien-Entwürfe müssten gelesen, korrigiert, aktualisiert und freigegeben werden. Neben der Erstellung einer Leitlinie sei aber vor allem auch die Implementierung der Vorgaben und Qualitätsziele in den Praxisalltag besonders herausfordernd. Die Teilnahme eines Dermatologen etwa am Deutschen Psoriasis-Register ­PsoBest bietet da aufgrund der prüfsicheren Dokumentation natürlich schon einen gewissen Standard. Auf Ebene der Fachgesellschaften wird aber noch weiter gegangen. Vor allem die Einrichtung einer DDG-eigenen Pressestelle, die entsprechende Mitteilungen zu wichtigen Leitlinien breit streuen und somit die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit verbessern soll, wird als besonders wichtig angesehen. Dies sind erste Schritte, um das gemeinsame Ziel zu erreichen, Menschen mit Psoriasis leitlinien­gerecht – und vielfach meint das besser – zu behandeln. 

Leitlinie für Psoriasis bei Kindern und Jugendlichen 

Wer übrigens nach Informationen zur Behandlung der Psoriasis speziell bei Kindern und Jugendlichen sucht: Auch diese S2k-Leitlinie wurde überarbeitet und ist seit April 2022 in aktualisierter Form erschienen2.

Literatur    

1. S3-Leitlinie „Therapie der Psoriasis vulgaris“, https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/013-001.html 
2. S2k-Leitlinie „Therapie der Psoriasis bei Kindern und Jugendlichen“, https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/013-094.html 

Mario Gehoff, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Mit freundlicher Genehmigung  des PsoNet-Magazins.

Regionale Psoriasisnetze in Deutschland (PsoNet)

Mehr Versorgungsqualität durch Vernetzung: Immer mehr regionale Psoriasis-Netzwerke schließen sich bundesweit mit Unterstützung von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) unter dem Namen PsoNet zusammen. 

In den regionalen Netzen arbeiten dermatologische Praxen und Kliniken bei der Behandlung der mittelschweren bis schweren Psoriasis zusammen. Das Netz steht allen Dermatologen und ihren Kooperationspartnern offen. Der kontinuierliche fachliche Austausch, die einheitliche Implementierung der S3-Leitlinie und ein kontinuierliches Qualitätsmanagement sichern eine Patientenversorgung auf höchstem medizinischem Niveau. 

Fachärzte für Dermatologie gründen regionale Psoriasisnetze eigenständig; sie verwalten und koordinieren Maßnahmen wie regionale Fortbildungs- und Informationsveranstaltungen. Für Gründung und Gestaltung der Praxisnetzwerke hat die Deutsche Dermatologische Akademie (DDA) in Zusammenarbeit mit dem Competenzzentrum Versorgungsforschung in der Dermatologie (CVderm) einen Katalog von Qualitätskriterien erarbeitet. Das CVderm unterstützt die beteiligten Praxen und Kliniken durch koordinierende, moderierende und evaluierende Maßnahmen auf regionaler und bundesweiter Ebene. 

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Informationen finden Sie hier: www.psonet.de 

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