Biologika und „kleine Moleküle“ zur Behandlung der atopischen Dermatitis

Margitta Worm. Die atopische Dermatitis gehört zu den häufigsten chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen. Pathophysiologisch kommt es durch einen Barrieredefekt, kombiniert mit einer T-Zell-abhängigen Immunreaktion, zur Entzündung der Haut. Klinisch bedeutet dies für Patienten chronisch-rezidivierende Ekzeme und intensiven Juckreiz. Neue gezielte Therapien sind in Form von spezifischen Antikörpern und sogenannten kleinen Molekülen entwickelt worden. Zu den antikörperbasierten Therapien gehört Dupilumab, ein Interleukin (IL) -4-IL-13-Rezeptor-Antikörper, der bereits 2017 zugelassen wurde, sowie weitere Antikörper, beispielsweise Tralokinumab und Lebrikizumab, die auch über IL-13 in die TH2-Entzündungsantwort eingreifen. IL-31 ist das sogenannte Juckreiz-Zytokin, auch hier befindet sich ein Antikörper, das Nemolizumab, bereits in einer klinischen Phase-3-Studie. Baricitinib, ein „kleines Molekül“, wurde kürzlich für die Indikation atopische Dermatitis zugelassen. Weitere Moleküle aus der Gruppe der JAK-Inhibitoren, wie Upadacitinib oder Abrocitinib, werden in der Zukunft folgen. Das Sicherheitsprofil der JAK-Inhibitoren ist komplex und erfordert bestimmte regelmäßige Laborkontrollen. JAK-Inhibitoren befinden sich auch für die lokale Anwendung in der Entwicklung, jedoch gibt es hier bislang keine zugelassenen Medikamente.

Schlüsselwörter: Hautentzündung, Biologika, JAK-Inhibitoren, Ekzem

Zitierweise: HAUT 2020;31(6):274-277

Abstract

Atopic Dermatitis is one of the most abundant chronic-inflammatory diseases. Pathophysiologically, there is an inflammation of the skin due to a defect of the barrier, combined with a T-cell-dependent immune reaction. Clinically, the patients suffer from chronic-recurring eczema, and intense itch. New targeted therapies have been developed in form of specific antibodies, and so-called small molecules. Among the antibody-based therapies is dupilumab, an interleukin (IL) -4-IL-13-receptor antibody, which was approved in 2017, and further antibodies, e. g. tralokinumab and lebrikizumab, which also influence the TH2-inflammation answer via IL-13. IL-31 is the so-called itch-cytokine, for which another antibody, nemolizumab, is already in a clinical phase-3-trial. Baricitinib, a small molecule, was recently approved for the indication atopic dermatitis. Further molecules from the group of JAK inhibitors, like Upadacitinib or Abrocitinib, will follow in the future. The safety profile of JAK inhibitors is complex and requires certain laboratory controls regularly. JAK inhibitors for local application are currently developed. To date, however, none of these molecules have been approved. 
Key words: skin inflammation, biologics, JAK inhibitors, eczema

Die atopische Dermatitis gehört zu den häufigsten chronisch-entzündlichen Haut­erkrankungen und betrifft 5 bis 20 Prozent aller Kinder weltweit sowie 2 bis 3 Prozent der Erwachsenen1. Das Hauptsymptom der atopischen Dermatitis ist der Juckreiz. Dieser ist bedeutsam für die Lebensqualität, die bei den Betroffenen und ihren Familienangehörigen oft eingeschränkt ist. Der Entzündungsprozess bei der atopischen Dermatitis umfasst epitheliale Veränderungen, beispielsweise Barrieredefekte durch eine verminderte Expression von Strukturproteinen wie Filaggrin oder Loricrin. Die Entzündungsreaktion wird durch eine T-Zell-Antwort ausgelöst. Hierbei spielen vor allem T-Helferzellen (TH) des Subtyps TH2 eine zentrale Rolle, die die Zytokine Interleukin (IL) -4 und IL-13 produzieren. Weitere TH-Populationen, die vor allem bei der chronischen Entzündungsreaktion wichtig sind, sind die TH17- und die TH22-Zellen, die die entsprechend benannten Zytokine IL-17 und IL-22 produzieren. Diese Entzündungsmediatoren können ihrerseits die bereits defekte Barriere weiter negativ beeinflussen, sodass sich ein chronischer Entzündungsprozess entwickelt. Da auch Allergene bei der atopischen Dermatitis bedeutsam sind, kann über eine Aktivierung dendritischer Zellen sekundär eine TH2-Antwort über die OX40-Ligand- und OX40-Zyokin-Achse gefördert werden. 

Insgesamt handelt es sich um einen komplexen Entzündungsprozess. Neue, gezielte Therapieansätze sind durch die Entwicklung spezifischer Antikörper, aber auch sogenannter kleiner Moleküle – die vor allem die T-Helferzell-Antworten hemmen – möglich geworden.

Antikörperbasierte Therapien

Tab. 1 zeigt die monoklonalen Antikörper, die sich in der klinischen Entwicklung befinden2. Das einzige bis heute zugelassene Bi­ologikum zur Behandlung der atopischen Dermatitis ist Dupilumab. Dies ist ein Antikörper, der gegen die IL-4-alpha-Rezeptorkette gerichtet ist und somit in den IL-4-­Signalweg, aber auch in den IL-13-Signalweg eingreift, da der IL-13-Rezeptor ein Heterodimer aus der IL-4-Rezeptor alpha- und der IL-13-Rezeptorkette ist. 

Seitdem Dupilumab zugelassen wurde, befinden sich zahlreiche weitere spezifische Antikörper in der klinischen Entwicklung. Am weitesten sind die klinischen Studien für Antikörper gegen das IL-13: Lebrikizumab und Tralokinumab. Aktuelle Daten aus einer Studie bei Patienten mit atopischer Dermatitis mit Tralokinumab zeigen ein signifikantes Ansprechen nach einer 12-wöchigen Behandlung3. Ein EASI 75 (Eczema Area and Severity Index) konnte bei 42,5 Prozent der Patienten nachgewiesen werden, die mit Tralokinumab 300 mg alle 14 Tage behandelt wurden (Placebo: 15,5 %). Daten aus der klinischen Phase-2-Studie mit Lebrikizumab bei Patienten mit moderater bis schwerer atopischer Dermatitis zeigen ebenfalls ein signifikantes Ansprechen. Lebrikizumab befindet sich derzeit in Phase-3-Studien.

Ein weiteres wichtiges Zytokin ist das IL-31. Es gilt als das „Juckreiz-Zytokin“. Auch hier konnte in einer placebokontrollierten klinischen Studie dosisabhängig eine signifikante Reduktion des Schweregrades der atopischen Dermatitis – vor allem aber des Juckreizes – mit Nemolizumab gezeigt werden4. Bedeutsam ist dabei die Beobachtung, dass bereits eine Woche nach Einleitung der Behandlung, und zwar statistisch signifikant messbar, der Juckreiz reduziert und der Schlaf verbessert war. 

Das Fezakinumab, ein IL-22-Antikörper, konnte in einer Phase-2-Studie zwar auch eine klinische Wirksamkeit gegenüber Placebo zeigen, jedoch waren die Effekte eher gering (weniger als 20 % Veränderung des SCORAD (Scoring atopic dermatitis)). Somit bleibt abzuwarten, ob weitere klinische Studien mit diesem Antikörper durchgeführt werden. 

Substanz

Zielstruktur

Phase

Dupilumab

IL-4/ IL-13

Zulassung 2017

Lebrikizumab

IL-13

III

Tralokinumab

IL-13

III

Nemolizumab

IL-31RA

II

KPL-716

OSMR-beta

I

GBR 830

OX40

II

KHK4083

OX40

I

Tezepelumab

TSLP

II abgeschlossen

Fezakinumab

IL-22

II abgeschlossen

Tab. 1: Studien mit Biologika zur Behandlung der atopischen Dermatitis, modifiziert nach2.

Zusammenfassend hat sich das Spektrum von Therapeutika zur Behandlung der atopischen Dermatitis erheblich erweitert. Derzeit ist Dupilumab als erstes Biologikum zur Behandlung der moderaten bis schweren atopischen Dermatitis und aktuell bereits ab 12 Jahren zugelassen. 

Auch Anti-IL-13 Antikörper zeigen in den klinischen Prüfungen sehr gute klinische Effekte. Sie scheinen eventuell ein besseres Verträglichkeitsprofil zu zeigen, jedoch sind hier noch weitere Daten erforderlich. 

Anti-IL-31 wirkt weniger antientzündlich, jedoch sehr gut gegen Juckreiz. Es wird daher in Zukunft vor allem für die Behandlung von Prurigo-Erkrankungen interessant sein. 

Anti-IL-22 scheint schwächer wirksam zu sein.

Zahlreiche weitere Targets befinden sich derzeit in der klinischen Prüfung. 

Kleine Moleküle zur Behandlung entzündlicher Hauterkrankungen

Sogenannte kleine Moleküle greifen in spezifische Signaltransduktionswege ein, die für die Entzündung, den Juckreiz oder beides eine Rolle spielen. Hierzu gehören Janus­kinase (JAK) -Inhibitoren, Cannabinoid-Rezeptor-Antagonisten, PDE4-Hemmer und Histamin-Rezeptor-4-­Antagonisten. Am weitesten entwickelt sind die JAK-Inhibitoren. Sie interferieren mit unterschiedlichen Januskinasen. Januskinasen spielen für die Aktivierung von T-Zellen eine wichtige Rolle. In Tab. 2 sind verschiedene orale JAK-Inhibitoren, ihr primäres Target-Molekül und erste Daten aus klinischen Studien zusammenfassend dargestellt5

Baricitinib wurde vor Kurzem zur Be­handlung von Patienten mit atopischer Dermatitis zugelassen. Es wurde zuvor bereits zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis angewendet. 

Weitere interessante orale JAK-Inhibitoren sind Upadacitinib, Abrocitinib und ASN (Gusacitinib), die alle ein sehr gutes klinisches Ansprechen bei Patienten mit moderater bis schwerer atopischer Dermatitis gegenüber Placebo zeigten. 

Kandidat

Target

Patienten

primärer Endpunkt

Baricitinib

JAK1/2

124

61 % EASI 50

Upadacitinib

JAK1

167

74 % EASI 75, W16

50 % EASI 90

Abrocitinib

JAK1

269

82 % EASI 75

Gusacitinib

JAK/Syk

36

63 % EASI 75

Tab. 2: Verschiedene orale JAK-Inhibitoren sowie ihr primäres Target-Molekül und erste Daten aus klinischen Studien5

Das Besondere an den Januskinase-Inhibitoren ist, dass aufgrund ihrer geringen Molekülgröße eine topische Anwendung möglich ist. So zeigen erste klinische Studien mit Substanzen wie Tofacitinib, Delgocitinib und Ruxolitinib signifikante klinische Verbesserungen bei einer topischen Anwendung5 (Tab. 3). 

Kandidat

Target

Patienten

primärer Endpunkt

Tofacitinib

JAK1, JAK2?

?

82 % EASI 75, W4

Delgocitinib

JAK1 bis 3

327

42-73 % EASI 75, W4

Ruxolitinib

JAK1 und 2

307

71 % EASI 75, W4

Tab. 3: Verschiedene topische JAK-Inhibitoren und erste Daten aus klinischen Studien5.

Nebenwirkungen

Interessant ist die schnelle Wirksamkeit der JAK-Inhibitoren: Sie führen bei Patienten zu einer raschen Besserung des Ekzems und vor allem zu einem raschen Rückgang des Juckreizes. 

Das Nebenwirkungsprofil der JAK-Inhibitoren ist komplexer als bei den bisher untersuchten Biologika. Es wurden vermehrt Infektionen beobachtet. Regelmäßige Blutkontrollen (z. B. Blutbild, Blutfette, Thrombozyten) sind erforderlich, da während einer Behandlung mit einem oralen JAK-Inhibitor laborchemische Veränderungen möglich sind. Bei einer topischen Anwendung wird das Risiko derartiger systemischer Nebenwirkungen aufgrund der veränderten Pharmakokinetik der Substanzen reduziert. 

Fazit

Die atopische Dermatitis ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung, die durch ein Wechselspiel einer gestörten Barriere und einer überschießenden Immunantwort zu einer Entzündung der Haut führt. Bei manchen Patienten kann sie nicht ausreichend mit topischen Steroiden kontrolliert und behandelt werden. Daher war und ist die Entwicklung neuer Therapeutika dringend erforderlich. Dupilumab ist als erstes Biologikum zur Behandlung der moderaten bis schweren atopischen Dermatitis zugelassen worden. 

Es befinden sich weitere Biologika und auch weitere kleine Moleküle in der klinischen Entwicklung, allen voran die JAK-Inhibitoren. Als erstes wurde kürzlich das Baricitinib zugelassen. 

Auch topische JAK-Inhibitoren haben ein großes Zukunftspotenzial – insbesondere für entzündliche Hauterkrankungen, die auf bestimmte Lokalisationen beschränkt sind, zum Beispiel Hände und/ oder Füße. 

Literatur    

1. Worm M, Francuzik W, Kraft M et al. Modern therapies in atopic dermatitis: biologics and small molecule drugs. J Dtsch Dermatol Ges. 2020 Jul 14.
2. Li R, Hadi S, Guttman-Yassky E. Current and emerging biologic and small molecule therapies for atopic dermatitis. Expert Opin Biol Ther. 2019 Apr;19(4):367-380.
3. Wollenberg A, Howell MD, Guttman-Yassky E et al. Treatment of atopic dermatitis with tralokinumab, an anti-IL-13 mAb. J Allergy Clin Immunol. 2019 Jan;143(1):135-141.
4. Silverberg JI, Pinter A, Pulka G et al. Phase 2B randomized study of nemolizumab in adults with moderate-to-severe atopic dermatitis and severe pruritus. J Allergy Clin Immunol. 2020 Jan;145(1):173-182.
5. Rodrigues MA, Torres T. JAK/ STAT inhibitors for the treatment of atopic dermatitis. J Dermatolog Treat. 2020 Feb;31(1):33-40.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. M. Worm
Allergologie und Immunologie
Charité-Universitätsmedizin Berlin
Klinik für Dermatologie, Venerologie und ­Allergologie, Charitéplatz 1, 10117 Berlin
E-Mail: sekretariat-worm(ett)charite.de

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