Biomarker und ihre Entwicklung in der Dermatologie

Glenn Geidel, Laura Adam. Biomarker können als Indikatoren biopathologischer Prozesse einen wichtigen Beitrag zur Realisierbarkeit von Studien liefern und sind insbesondere in der Dermatoonkologie wichtige Instrumente der Patientenstratifizierung. Das Erforschen und Etablieren von Biomarkerkandidaten ist komplex und erfolgt oft biobankgestützt. Der Stellenwert Niedergelassener in dermato(patho)logischen Praxen für Biobanken wird eher unterschätzt.

Schlüsselwörter: Biomarker, Biobank, Prädiktion, Prognostizierung

Zitierweise: HAUT 2022;33(3):142-145.

Abstract

Biomarkers, as indicators of biopathological processes, can contribute vitally to the feasibility of studies, and are important tools for the stratification of patients, especially in dermatooncology. The research and establishment of biomarker candidates is complex and often biobank-based. For biobanks, the importance of dermatologists and dermatopathologists in licensed practices is rather underestimated.
Key words: biomarker, biobank, prediction, prognostication 

Biomarker sind biologische Merkmale, die als Bezugspunkte für Gesundheit oder Krankheit herangezogen werden können. Sie können molekulare, histopathologische, radiografische sowie physiologische objektivierbare Charakteristika darstellen. Die Geschichte von Biomarkern reicht weit zurück. Ein alltägliches Beispiel für einen bereits lange etablierten Biomarker ist das Blutdruckmessen, welches Aufschluss über einen temporären Zustand anhand etablierter Normwerte in Millimeter Quecksilbersäule gibt. Biomarker können somit einen Einblick in physiologische und pathologische Prozesse im Menschen geben.

In der Dermatologie wird sich täglich Biomarkern bedient: Im Rahmen von Studien können mit ihrer Hilfe beabsichtigte und erwartete Ergebnisse in Form von Surrogat-Endpunkten definiert werden. Auch beim Studiendesign sind sie beispielsweise in der Auswahl des Patientenkollektivs hilfreich. Somit liefern sie einen wesentlichen Beitrag zur Akkuratesse und Realisierbarkeit von Studien. Aber auch im dermatologischen Alltag können Biomarker helfen, klinische Problemsituationen anzugehen. Definiti­onen von Biomarkern werden dabei oft nicht einheitlich angewendet.

Biomarkerdefinitionen am Beispiel des Melanoms

Mit dem Ziel einer interdisziplinären Vereinheitlichung von Bezeichnungen und Definitionen wurde von der FDA-NIH Biomarker Working Group die „BEST Resource“ (Biomarkers, EndpointS, and other Tools) veröffentlicht1. Die BEST Resource ist öffentlich zugänglich. Sie ist als Glossar der Terminologie und des Gebrauchs von Biomarkern und Endpunkten für die biomedizinische Forschung und klinische Versorgung konzipiert. Es werden erkrankungszentrierte Biomarkergruppen, welche vor allem das Vorhandensein und den Status einer Erkrankung reflektieren, und therapiezentrierte Biomarkergruppen, welche Aspekte der Therapieantwort widerspiegeln, unterschieden. Zu den geläufigsten Biomarkerformen zählen diagnostische, prognostische und prädiktive Biomarker. Sie werden im Folgenden exemplarisch dargestellt (Abb. 1). Es sollte jedoch fernab dieser Definitionen beachtet werden, dass ein einzelner Biomarker die Funktion mehrerer Biomarkerformen in sich vereinen kann.

Diagnostische Biomarker erlauben die Selektion betroffener Individuen aus einer Kohorte. Sie stellen damit die Präsenz einer Erkrankung fest oder erlauben eine entsprechende Subklassifizierung innerhalb eines erkrankten Kollektivs. Beim Melanom können beispielsweise HMB-45, Melan-A oder S100 als diagnostische immunhistochemische, also gewebebasierte Marker, aufgefasst werden. Das Feststellen eines Basalmem­bran-überschreitenden melanozytären Wachstums als Marker für Invasivität gilt ebenfalls als diagnostischer Parameter.

Prognostische Biomarker geben innerhalb eines erkrankten Kollektivs eine Information zum erwarteten Erkrankungsverlauf – unabhängig von der Therapieform. Für das Melanom sind beispielsweise das M-Stadium, die laborchemisch bestimmte Laktatdehydrogenase oder der S100B-Wert prognostische Marker, welche bei Vorliegen oder Erhöhung eine schlechtere Prognose oder ein erhöhtes Risiko für einen unvorteilhaften Verlauf anzeigen.

Prädiktive Biomarker zählen zu den therapiezentrierten Biomarkerformen. Sie geben Auskunft über das zu erwartende Ansprechen eines Behandelten auf verschiedene Therapieformen und können somit bei der Selektion einer geeigneten Therapieoption hilfreich sein. Ein häufiges Beispiel ist die Evaluation einer BRAF-V600-Mutation im Melanom, welche klinisch Aufschluss erlaubt gegenüber der grundsätzlichen Empfänglichkeit des jeweiligen Behandelten gegenüber einer zielgerichteten Therapie, etwa in Form einer BRAF-/MEK-Inhibition.

Neben der klinischen Bedeutung eines Biomarkers ist auch seine Anwendung und Messbarkeit im Alltag von Bedeutung. Im Folgenden werden daher exemplarisch Eigenschaften eines „idealen“ Biomarkers erläutert (Abb. 2).

Der „ideale“ Biomarker

Der ideale Biomarker setzt eine einfache Messbarkeit am Individuum bzw. an dessen biologischem Material voraus. Eine Hautprobenentnahme ist aufgrund der exponierten Lage des Organs Haut in der Regel leicht durchführbar. Die Probengewinnung sollte minimalinvasiv und, insbesondere bei prospektiven Biomarkern, repetitiv longitudinal durchführbar sein. Hier eignet sich insbesondere Blut als Ursprungsmaterial2. Ein idealer Biomarker zeichnet sich zudem durch Stabilität gegenüber äußeren Einflüssen aus, beispielsweise dem Transport und der Lagerung des Probenmaterials vor der Analyse. Ein idealer Biomarker sollte ferner zuverlässig pathologische von physiologischen Fällen unterscheiden können und stabil bei inter- und intraindividuellen Komorbiditäten und deren Therapien erfassbar sein. Die Bestimmung sollte daher eine hohe Sensitivität bei hoher Spezifität für die jeweilige Erkrankung aufweisen. Idealerweise korreliert die Konzentration oder der Titer des Biomarkers mit der Schwere der Erkrankung, sodass ein Spiegelanstieg auf einen Krankheitsprogress oder eine vermehrte Aktivität der Erkrankung hinweist. Eine minimalresiduelle Erkrankung oder Rekurrenz sollte in Nachsorgeuntersuchungen mit hoher Präzision bestimmbar sein. Neben einer standardisierten Bestimmung und Reproduzierbarkeit des Parameters sollte ein Multiplexing in Form einer Screening-Anwendung möglich sein. Kosten­effizienz und breite Verfügbarkeit der Methodik zur Analyse der Parameter sind wichtige Faktoren für eine translationale Anwendung und Akzeptanz. 

Diese idealen Charakteristika lassen sich schwer in einem singulären Biomarker vereinen. Es sollte zudem anerkannt werden, dass viele etablierte Klassifikationen und Graduierungs-Systeme, zum Beispiel die TNM-Klassifikation des Melanoms, bereits eine gute Stratifizierung des Patienten­kollektivs erlauben. Im Sinne eines präzisionsmedizinischen Ansatzes wird daher an der Erforschung und Etablierung ergänzender zusammengesetzter Biomarker in Form von Komplexbiomarkern oder Profilen gearbeitet. So nimmt ein Score anhand einer Gensignatur im Melanomprimärgewebe von Stadium-II-Patientinnen und -patienten in der Adjuvanz eine Risikostratifizierung bezüglich erneuten Tumorauftretens vor3. Im Rahmen der prospektiven Phase-III-Studie NivoMela (NCT04309409) soll derzeit untersucht werden, ob Behandelte mit hohem Rezidivrisiko von einer adjuvanten Therapie gegenüber leitliniengerechter Nachbeobachtung profitieren. 

Biomarkerentwicklung und Biobanken

Biobanken sind Orte der Sammlung, Verarbeitung und Lagerung von Bioproben sowie der zugehörigen Daten zu ethisch und rechtlich klar geregelten Bedingungen. Ein vordergründiges Ziel ist das Erforschen optimierter Diagnostik- und Therapie­optionen für Erkrankungen. Dies soll mithilfe der Analyse von Bioproben und korrelierenden Daten realisiert werden. Um Standards zu vereinheitlichen und Bio­proben mit zugehörigen Daten überregi­onal verfügbar zu machen, haben sich im Jahr 2017 mehrere deutsche Zentren und Kliniken zu einer Kooperationsinitiative, der German Biobank Alliance unter der Leitung des German Biobank Node, zusammengeschlossen4. Durch dieses Kollektiv soll unter anderem eine Beschleunigung des Wissensfortschritts hinsichtlich Diagnostik und Therapie verschiedener Erkrankungen erreicht werden.

Die Entwicklung eines Biomarkers bis zu dessen translationaler Implementierung in den klinischen Alltag ist mehrschrittig, komplex und nicht selten langwierig. Von einer initial hohen Anzahl identifizierter Biomarkerkandidaten werden einzelne hinsichtlich des Benutzungskontexts priorisiert und methodologisch validiert. Eine Messmethode mit möglichst hoher Sensitivität und Spezifität wird anhand retrospektiver, meist aus Biobanken stammender Bio­proben evaluiert und etabliert. In diesem Rahmen nimmt die Anzahl verbleibender Biomarkerkandidaten stetig ab, während der finanzielle Aufwand zunimmt. Nach diesen oft ineinander verzahnten analytischen und klinischen Validierungsschritten schaffen es nur wenige Biomarkerkandidaten in die klinische Testung hinsichtlich einer Nützlichkeit für die klinische Praxis, z. B. an prospektiven Kohorten. Ein Beispiel ist die zuvor genannte NivoMela-Studie. Ein Biomarker sollte sich hierin für einen klinischen Zusatznutzen qualifizieren.

Bedeutung Niedergelassener für Biobanken

Biobanken sind für die Entwicklung von Biomarkern unverzichtbar. Insbesondere in der Dermatologie wird der Beitrag, den Niedergelassene für die Weiterentwicklung von Biobanken leisten können, unterschätzt. Beispielsweise erfolgt bei malignen kutanen Neoplasien eine Zuweisung an weiter­betreuende Kliniken häufig nach bereits ambulanter Probenentnahme und Diagnosesicherung. Seltener werden Betroffene ohne vorherige Probenentnahme oder Vorexzision zugewiesen. Für eine Erforschung von gewebezentrierten Biomarkern und Biomarkerkandidaten ist eine Untersuchung von Gewebematerial nötig, welches den Primärtumor bestmöglich repräsentiert. An Sekundärexzidaten allein kann dies ohne Rückgriff auf Primärexzidate jedoch nicht regelhaft gewährleistet werden.

Niedergelassene, insbesondere in dermatopathologischen und pathologischen Institutionen, haben daher einen besonderen Stellenwert für dermatologische Biobanken: Durch eine intensivierte Kooperation zwischen Niedergelassenen und biobank­führenden Kliniken bzw. Instituten kann die Verfügbarkeit von Bioproben gemeinsamer Patientinnen und Patienten erhöht werden. Dies kann wiederum zu einer weiteren Förderung der Bio­marker-Entwicklung beitragen – mit dem Ziel einer Verbesserung der Versorgung von Hauterkrankungen.

Literatur    

1. FDA-NIH Biomarker Working Group. BEST (Biomarkers, EndpointS, and other Tools) Resource [Internet]. Silver Spring (MD): Food and Drug Administration (US); 2016-. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK326791/. Co-published by National Institutes of Health (US), Bethesda (MD).
2. Pantel K. Liquid Biopsy: Blood-Based Analyses of ctDNA and CTCs. Clin Chem 2021;67(11):1437-1439.
3. Amaral TMS, Hoffmann M, Sinnber T et al. Clinical validation of a prognostic 11-gene expression profiling score in prospectively collected FFPE tissue of patients with AJCC v8 stage II cutaneous melanoma. Eur J Cancer 2020;125:38-45.
4. German Biobank Alliance. https://www.bbmri.de/ueber-gbn/german-biobank-alliance/  

Korresponenzadresse

Dr. med. Glenn Geidel
Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistraße 52 (W14)
20246 Hamburg
E-Mail: g.geidel(ett)uke.de

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