Coronavirus, Psoriasis und Impfungen

Mario Gehoff. Impfen oder Nichtimpfen, das ist hier die Frage. Eine Entscheidung, vor der derzeit auch viele Menschen mit Psoriasis stehen. Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD), Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) und auch die Regionalen Psoriasisnetze in Deutschland (PsoNet) befürworten eindeutig das Impfen. Doch vor der Impfung muss individuell entschieden werden, ob überhaupt und gegebenenfalls wie die laufende immunsuppressive Therapie angepasst werden kann, um den ­besten Impferfolg zu gewährleisten.

Zitierweise: HAUT 2021;32(5):216-220.

Eine Psoriasis stellt grundsätzlich keine Kontra­indikation für Impfungen dar. Impfungen lösen keine Psoriasis aus, auch wirken sich Impfungen sehr wahrscheinlich nicht auf die Krankheitsaktivität aus. Infektionen hingegen, die durch eine Impfung vermeidbar gewesen wären, können einerseits schwerwiegende Begleiterkrankungen verursachen und andererseits die ohnehin schon ausgeprägte Krankheitslast bei Menschen mit Psoriasis vervielfachen. In nahezu allen Fällen ist deswegen die Gefahr, die eine Covid-19-Erkrankung für Menschen mit Schuppenflechte darstellt, grundsätzlich größer einzuschätzen als potenzielle Risiken durch Impfungen. Menschen mit Psoriasis sollten deswegen gemäß den von der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts empfohlenen Impfungen im Erwachsenenalter geimpft werden – das gilt explizit auch für Impfungen gegen Covid-19.

Zugelassene Impfstoffe

Derzeit sind in der EU und in Deutschland vier Impfstoffe zugelassen. Dabei handelt es sich um zwei mRNA-Impfstoffe (Biontech/ Pfizer, Moderna) und zwei vektorbasierte Impfstoffe (AstraZeneca, Johnson & Johnson). Grundlage der mRNA-basierten Impfstoffe ist die Boten-Ribonukleinsäure, die Messenger-RNA (mRNA). Sie enthält im Falle des Covid-19-Impfstoffes den Bauplan für das Spike-Protein, den Teil der Virusoberfläche, der für die Bindung an Wirtszellen gebraucht wird. Die mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 sind so konzipiert, dass sie dem Körper den Code für die Produktion eines nichtinfektiösen viralen Spike-Proteins bereitstellen. Die Körperzellen bauen dieses Protein und präsentieren es auf ihrer Oberfläche, was die gewünschte spezifische Immunantwort auslöst. Kommt der Körper nun mit dem Virus in Kontakt, erkennt das Immunsystem das spezifische Antigen und kann das Virus und somit die Infektion schnell und gezielt bekämpfen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Impfstoffen enthält ein mRNA-Impfstoff somit selbst keine viralen Proteine, sondern nur die Informationen, ein Virusmerkmal zu produzieren, das dann die gewünschte Immunantwort auslöst. Die ­vektorbasierten Impfstoffe hingegen basieren auf Adenoviren, die bei Schimpansen Erkältungen auslösen, für den Menschen aber harmlos sind. In diese Träger- oder Vektor­viren wird das Genmaterial des Sars-CoV-2-Erregers, das das Spike-Protein beschreibt, eingebaut. Verimpft infizieren die modifizierten Adenoviren anschließend menschliche Zellen. Das Trägervirus vermehrt sich nicht im menschlichen Körper und kann keine Krankheiten auslösen, die Körper­zellen selbst bilden aber das Sars-CoV-2-Spike-Protein als Antigen. Somit entwickelt das Immunsystem selbst eine spezifische Immun­antwort und bildet Antikörper gegen Sars-CoV-2.

Aktuelle Impfempfehlungen

Natürlich ist die Datenlage zu den Wirkstoffen noch dünn, schließlich werden Personen mit immunmodulierenden Therapien in keine Zulassungsstudie eingeschlossen. Insofern erwähnt auch keines der Präparate immunmodulierende Therapien als Kontraindikation. Sicher ausgeschlossen werden kann eine eingeschränkte Immunsuppression somit zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Analog zu Totimpfstoffen geht das RKI aber nicht von einer reduzierten Sicherheit bei immunsupprimierten Patienten aus. BVDD und DDG haben gerade ihre gemeinsame Stellungnahme aktualisiert. Aber über allem Geschriebenen schwebt der Hinweis, ständig die aktuell recht dynamische Entwicklung im Auge zu behalten.

  • Patienten mit chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen, ohne oder mit immunmodulierender Therapie, sollen einen ausreichenden Impfschutz haben. Dieser sollte nach Möglichkeit vor Therapiebeginn komplettiert sein, kann bei Totimpfstoffen aber auch unter Therapie eingeleitet oder komplettiert werden.
  • Dies gilt im Besonderen für die Pneumokokken-Impfung sowie die jährliche Influenza-Impfung, denn beide Erkrankungen können sehr schwer verlaufen. Auch kommt es häufig zu Sekundärinfektionen, also weiteren bakteriellen Atemwegsinfektionen, die sich auf die Influenza obendrauf setzen können. Da sich Influenza-Viren ständig verändern, gibt es jedes Jahr einen neuen (Vierfach-) Impfstoff. Neben dem Schutz vor der eigentlichen Infektion gibt es auch Hinweise darauf, dass Personen, die gegen Influenza geimpft wurden, ein geringeres Risiko aufweisen, sich mit Sars-CoV-2 zu infizieren, als nicht gegen Influenza Geimpfte.
  • Im Rahmen von umfangreichen Zulassungsstudien aller Impfstoff-Kandidaten wurden zwar bereits mehrere 10.000 Personen kontrolliert geimpft, die Forschung erhält aber erst jetzt nach und nach Alltagsdaten zur Sicherheit und Wirksamkeit bei Personen mit chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen. Bis dahin gelten die bekannten allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisse: Totimpfstoffe sind für Menschen mit Psoriasis und unter immunmodulierender Therapie uneingeschränkt geeignet und einsetzbar. 
  • Aus grundsätzlichen Erwägungen sollte die Immunsuppression für eine ausreichende Impfantwort (Bildung schützender Antikörper gegen die Krankheitserreger) so gering wie möglich sein. Angestrebt wird also eine möglichst geringe Immunsuppression zum Zeitpunkt der Impfung, jedoch ohne die Immunsuppressiva abzusetzen. Möglicherweise wirkt sich die Immunsuppression leicht einschränkend auf die Wirksamkeit des Impfstoffes aus. Rein immunmodulierende Wirkstoffe haben jedoch nach derzeitigem Kenntnisstand keine Beeinträchtigung der Impf­antwort zur Folge, sodass eine System­therapie aufgrund einer Covid-19-­Impfung in der Regel nicht angepasst oder gar abgebrochen werden sollte. 
  • Ganz allgemein sollte beachtet werden: Unter einer laufenden Therapie gilt als Empfehlung, die Impfung in der Mitte eines Behandlungsintervalls zu verabreichen und die Therapie frühestens nach zwei Wochen fortzusetzen, da sich die Impfantwort gegen Sars-CoV-2 erst nach einigen Tagen ausbildet. Erst wenn der Körper Abwehrstoffe entwickelt hat, wirkt auch der Schutz durch die Impfung. – Beispiel: Biologika-Patienten mit einem vierwöchigen/ monatlichen Applikationsintervall sollten ihre erste Corona-Impfung zwei Wochen nach der letzten Arzneigabe erhalten. Um die Effektivität der Impfstoffe zu gewährleisten und gleichzeitig so viele Menschen wie möglich mit einer ersten Impfdosis zu versorgen, liegen nach der aktuellen Impfverordnung zwischen Erst- und Zweitimpfung bei Biontech und Moderna sechs Wochen und bei AstraZeneca 12 Wochen. Dies sollte entsprechend bei der Therapieplanung berücksichtigt werden.
  • In Anbetracht der zum Teil langanhaltenden Wirksamkeit der verschiedenen Subs­tanzen ist nur selten mit einer Verschlechterung der Grunderkrankung zu rechnen.

Zusammenfassend besteht für Menschen mit chronischen Hautkrankheiten wie einer Schuppenflechte nach aktueller Datenlage kein größeres Risiko für Infizierung mit dem Sars-CoV-2-Virus oder einen schweren Verlauf bei einer Covid-19-Erkrankung. Bestimmte Faktoren oder Begleiterkrankungen wie Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Rauchen, die alle bei Menschen mit Psoriasis häufiger vorkommen, erhöhen jedoch das Risiko. Es wird daher auch Menschen mit Psoriasis und unter Systemtherapie klar eine Impfung gegen Covid-19 empfohlen. Vor der Impfung muss individuell entschieden werden, ob und wie die laufende Immuntherapie angepasst werden kann, um sowohl den besten Impferfolg als auch das weitere Beherrschen der Schuppenflechte zu gewährleisten. Auch bekannte starke allergische Reaktionen oder Unverträglichkeiten von Impfstoffbestandteilen müssen unbedingt zwischen Arzt und Patienten vor der Impfung besprochen werden. 

Infektionsrisiko sinkt um 65 % 

Schon die erste Impfdosis reduziert das Risiko einer Ansteckung mit dem Coronavirus um etwa zwei Drittel. Das geht aus einer groß angelegten Studie der Universität Oxford in Kooperation mit der britischen Statistik­behöre ONS und dem Gesundheitsministerium des Landes hervor. Unabhängig vom Impfstoff (Biontech/ Pfizer oder AstraZeneca) sank das Risiko für eine Corona­virus-Infektion drei Wochen nach der Impfung demnach um 65 %, wie die Universität mitteilte. Die Zahl symptomatischer Infektionen, also Covid-19-Erkrankungen, ging demnach sogar um 72 % zurück. Für die noch nicht in einem wissenschaftlichen Journal veröffentlichte Studie wurden die Test­ergebnisse von rund 370.000 Menschen aus der Zeit zwischen dem 1. Dezember 2020 und dem 3. April 2021 berücksichtigt. Beide Impfstoffe erwiesen sich dabei als genauso effektiv gegen die britische Virusvariante B.1.1.7 wie gegen den ursprünglich kursierenden Typ. Die neue Analyse lege jedoch auch nahe, dass Geimpfte in beschränktem Maße eine Infektion noch weitergeben könnten, sage Koen Pouwels, einer der beteiligten Wissenschaftler der Universität Oxford. 
 

Impfen: Normale Reaktion versus Komplikation 

Insgesamt 3.570 Meldungen zu Verdachtsfällen von Impfnebenwirkungen erhielt das Paul-Ehrlich-Institut 2018, hauptsächlich lokale Reaktionen (in etwa 11 %) und Fieber (6 %). Als schwerwiegende Fälle wurden 1.070 eingestuft. Damit war auch 2018 die Anzahl der Meldungen schwerwiegender Fälle vergleichbar mit den Vorjahren seit 2012. In 82 Fällen kam es zu bleibenden Schäden, aber bei keiner der 22 Meldungen mit tödlichem Ausgang konnte ein kausaler Zusammenhang zur verabreichten Impfung hergestellt werden. In seinem Bulletin zur Arzneimittelsicherheit hält das Paul-Ehrlich-Institut deswegen auch fest, dass die hierzu-lande verabreichten Impfstoffe bei in etwa 35 Millionen Impfungen eine ausgezeichnete Sicherheitsbilanz aufweisen. Schwere unerwünschte Ereignisse im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung seien auch weiterhin nur sehr seltene Einzelfälle.

Kategorien typischer Impfbeschwerden

 

 

 

normale Impfreaktion

typische Beschwerden: Rötung, Schwellungen und/ oder Schmerzen an Impfstelle, auch Allgemeinreaktionen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Unwohlsein, Dauer: in der Regel 1 bis 3 Tage nach der Impfung

nicht meldepflichtig

Impfkomplikation

Impfreaktion, die über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgeht, wie Abszess an der Impfstelle, Fieberkrampf oder Infektion

meldepflichtig

Impfschäden

dauerhafte gesundheitliche (und wirtschaftliche) Schädigung durch eine über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehende Folge, beispielsweise Narkolepsie oder Guillain-Barré-Syndrom

meldepflichtig

Quelle: Robert-Koch-Institut.

Hohe Impfbereitschaft unter Dermatologen 

Auch unter den Dermatologen zeigt sich eine hohe Impfbereitschaft, wie eine Umfrage des BVDD belegt: Rund 89 % von ihnen aus dem gesamten Bundesgebiet möchten sich gegen Corona impfen lassen, davon 68 % so schnell wie möglich, 14 % im Laufe von wenigen Monaten und 6,5 % im weiteren Verlauf. Darüber hinaus sind sechs Prozent der Befragten bereits gegen Sars-CoV-2 geimpft, vorwiegend die Hautärzte, die als freiwillige Impfärzte in Pflegeheimen Bewohner und Personal immunisieren. Lediglich fünf Prozent haben angeben, sich nicht impfen zu lassen. Dabei sind sicher auch einige, die bereits eine Corona-Infektion durchgemacht haben und eine Impfung nicht als oberste Priorität ansehen. Ein weiteres Umfrage­ergebnis: 75 % der dermatologischen Praxen möchten eine Corona-Impfung anbieten. Und 91 % der Teilnehmer gaben an, ihrem Personal diese Impfung zu empfehlen. 

Wichtiger Hinweis 

Der aktuelle Stand zu den hier gemachten Angaben kann sich jederzeit ändern. Bitte informieren Sie sich daher tagesaktuell, z. B. durch die „Epidemiologischen Bulletins“ des RKI.

Mario Gehoff, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Mit freundlicher Genehmigung  des PsoNet-Magazins.
 

Regionale Psoriasisnetze in Deutschland (PsoNet)

Mehr Versorgungsqualität durch Vernetzung: Immer mehr regionale Psoriasis-Netzwerke schließen sich bundesweit mit Unterstützung von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) unter dem Namen PsoNet zusammen. 

In den regionalen Netzen arbeiten dermatologische Praxen und Kliniken bei der Behandlung der mittelschweren bis schweren Psoriasis zusammen. Das Netz steht allen Dermatologen und ihren Kooperationspartnern offen. Der kontinuierliche fachliche Austausch, die einheitliche Implementierung der S3-Leitlinie und ein kontinuierliches Qualitätsmanagement sichern eine Patientenversorgung auf höchstem medizinischem Niveau. 

Fachärzte für Dermatologie gründen regionale Psoriasisnetze eigenständig; sie verwalten und koordinieren Maßnahmen wie regionale Fortbildungs- und Informationsveranstaltungen. Für Gründung und Gestaltung der Praxisnetzwerke hat die Deutsche Dermatologische Akademie (DDA) in Zusammenarbeit mit dem Competenzzentrum Versorgungsforschung in der Dermatologie (CVderm) einen Katalog von Qualitätskriterien erarbeitet. Das CVderm unterstützt die beteiligten Praxen und Kliniken durch koordinierende, moderierende und evaluierende Maßnahmen auf regionaler und bundesweiter Ebene. 

Sind auch Sie interessiert? 
Informationen finden Sie hier: www.psonet.de 

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