Das Sonnencreme-Paradoxon

Sonnencreme schützt vor Sonnenbrand…? Zwei Studien (1,2) zeigen jetzt das ­Gegenteil, das sogenannte Sonnencreme-Paradoxon: Wer sich eincremt, wiegt sich in falscher Sicherheit und bleibt zu lange in der Sonne – im guten ­Glauben, bestens vor Hautkrebs geschützt zu sein. Das ist aber nicht der Fall. Denn ­Sonnenschutzmittel sind keineswegs die Erlaubnis zum langen und gefahrlosen ­Bräunen. Mit jedem Sonnenbad erhöht sich das Risiko für Hautkrebs – immer noch die häufigste Krebserkrankung in Deutschland, Tendenz immer noch weiter steigend. Prof. Carola Berking, Erlangen, und PD Dr. Markus Heppt, Erlangen, ­geben Tipps, wie wirksamer Hautschutz praktiziert werden kann.

Zitierweise: HAUT 2024;35(4):170-173.

Immer mehr Menschen nutzen ­Sonnenschutz, cremen reichlich, fühlen sich geschützt gegen Hautkrebs und bleiben guten Gewissens lange in der Sonne. Was ist falsch an diesem Sicherheitsgefühl? Und was sind die Auswirkungen?

Prof. Berking: Keine Sonnencreme schützt 100 % vor allen schädlichen Strahlen der Sonne. Ein Teil der UV-Strahlung gelangt immer noch auf die Haut, trotz Verwendung der Sonnencremes. Außerdem ist die Creme meist nicht auf allen Hautpartien, nicht flächendeckend und nicht dick genug aufgetragen. Durch die Verwendung der Sonnencremes kann das längere Sonnenbaden zu einer längeren Einwirkung von UV-A-Strahlen, die weniger gut von den Sonnencremes abgehalten werden, führen. Sie können in der Haut nicht nur die Faltenbildung, sondern über indirekte Wege auch karzinogene Schäden an der DNA der Hautzellen anrichten.

Dr. Heppt: Dem stimme ich voll und ganz zu. Das Auftragen von Sonnenschutz-Creme ist auch nur ein Bestandteil von Hautkrebs­prävention, der allein häufig leider nicht ausreicht. Insbesondere bei hoher Lichtempfindlichkeit und einem hellen Hauttyp sollte intensive Mittagssonne gemieden werden und zusätzlich auch textiler Lichtschutz, z. B. das Tragen von dicht Gewobenem und Langärmeligem, zur Anwendung kommen.

Dieses „Sonnencreme-Paradoxon“ kann also sogar zu mehr Hautkrebs-Erkrankungen führen. Wir merken es der UV-Strahlung nicht an, wie gefährlich sie ist. Wie können wir das Hautkrebsrisiko möglichst ­gering halten und trotzdem Spaß im Freien haben?

Prof. Berking: Intensives Sonnenbaden und Sonnenbänke grundsätzlich meiden. Bei sonnigem Wetter die Aktivitäten draußen in die Morgen- und späten Nachmittags­stunden legen und möglichst Schattenplätze aufsuchen. Auf den UV-Index achten. Sonnenschirme und Sonnensegel aufspannen, UV-Schutzkleidung, Hut oder Kappe und Sonnen­brille tragen. Und Sonnenschutzcremes vor dem Rausgehen auf die Haut auftragen, in genügender Menge und an allen Körperstellen, die der Sonne ausgesetzt sind. Nachcremen nach Schwitzen oder ­Schwimmen.

Dr. Heppt: Dennoch muss ein wirksamer Sonnenschutz natürlich auch praktisch umsetzbar sein. Heute haben die meisten chemischen Lichtschutzfilter eine sehr angenehme Textur und können damit auch täglich, z. B. in Form von Tages- oder Feuchtig­keitscremes, aufgetragen werden. Stellen, die nicht ausreichend eingecremt werden können, müssen aber zusätzlich geschützt werden, z. B. durch eine Kopfbedeckung. Bei einem hohen UV-Index empfehle ich auch das Verweilen in Innenräumen und den Spaziergang oder das Tennisspiel eher in den Morgen- oder Abend­stunden abzuhalten. Das ist im Sommer ja ohnehin angenehmer.

Was sollten wir beachten, wenn wir uns der UV-Strahlung im Freien ­aussetzen?

Prof. Berking: Dicht gewebte Kleidung schützt besonders gut. Bei sehr starker Sonnen­exposition – zum Beispiel Wassersport – kann eine speziell UV-Schutz-geprüfte Kleidung ratsam sein. Der Hut sollte keine Löcher haben wie bei einem Strohhut. Die Sonnenbrille sollte eine UV-Schutz-­Kennung haben, z. B. UV-400, um auch die Augen zu schützen.

Dr. Heppt: Zudem weise ich aktiv darauf hin, dass z. B. ein dünnes, weißes Baumwoll-T-Shirt keinen ausreichenden Sonnenschutz bietet. Auch der Aufenthalt in Schatten­bereichen im Freien an sonnenreichen Tagen führt durch Reflexion zu einer signifikanten UV-Belastung. Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass das vielen meiner Patienten nicht klar ist und sie sich so in ­falscher Sicherheit wiegen.

Welche Rolle spielt das Alter für eine Erkrankung an Hautkrebs? Weshalb ist es so wichtig, vor allem auch ­Kinder vor der Sonne zu schützen?

Prof. Berking: Kinderhaut ist besonders empfindlich, Sonnenbrände können hier besonders schnell am Erbgut der Haut­zellen etwas verändern. Die Haut vergisst nicht! Im Alter steigt die Prävalenz von Hautkrebs. Die Sonnenschäden kumulieren über die Jahre und Jahrzehnte und das Risiko steigt, dass sich daraus Hautkarzinome entwickeln.

Dr. Heppt: Es gibt auch Studien und ziemlich genaue Schätzungen, die zeigen, dass ein Großteil der lebenslangen kumulativen UV-Belastung in der Kindheit erworben wird. Daher ist hier das präventive Fenster besonders wichtig und die Eltern sollten hier mit gutem Beispiel vorangehen. Leider sehe ich immer noch viel zu viele Spiel­plätze ohne ausreichend Schattenbereiche …

Das Hautkrebsrisiko ist individuell unterschiedlich. Was können frühe Hinweise auf eine Erkrankung sein? Und wer sollte die Haut häufiger ­untersuchen lassen?

Prof. Berking: Hinweise sind nicht mehr verschwindende Veränderungen auf der Haut wie Rötung, Rauigkeit oder eine Erhabenheit mit verstärkter Verhornung. Des Weiteren sollten pigmentierte Muttermale, die größer werden, mehrfarbig und asymmetrisch sind, dem Hautarzt oder der Hautärztin gezeigt werden. Häufiger zum Hautkrebsscreening sollten Menschen gehen, die sehr viele Pigmentmale haben, die schon mal atypische Pigmentmale di­agnostiziert bekommen haben oder die einen nahen Angehörigen mit Hautkrebs haben. Außerdem sind sehr helle Haut­typen, Blonde oder Rothaarige und Menschen mit blauen oder grünen Augen besonders gefährdet.

Dr. Heppt: Auch manche Berufsgruppen, die überwiegend im Freien arbeiten, sind besonders gefährdet. In einigen Fällen kann Hautkrebs sogar auch als Berufskrankheit anerkannt werden, was viele Vorteile für die Betroffenen bietet, weil hier z. B. auch Sonnenschutz über den Versicherungsträger übernommen wird. In frühen Stadien ist Hautkrebs in den meisten Fällen sehr gut behandelbar und hat eine gute Prognose. Daher ist eine Früherkennung so wichtig!

Wir bedanken uns herzlich für die interessanten Ausführungen!

Hintergrund

Kongress34. Deutscher Hautkrebskongress, 
Würzburg, 25. – 28.9.2024, 
Information: www.ado-kongress.de .  

Hautkrebs ist immer noch die häufigste Krebserkrankung in Deutschland mit der größten Steigerungsrate – trotz der immensen medizinischen Fortschritte der letzten Jahre. Die Zahl der Neu­erkrankungen hat sich in den letzten zehn Jahren auf jährlich rund 300.000 verdoppelt. Dafür werden UV-bedingte Hautschäden aufgrund intensiver Sonnenexposition in der Kindheit und ­Jugend mitverantwortlich gemacht. An erster Stelle steht das Basalzellkarzinom, gefolgt vom ­kutanen Plattenepithelkarzinom und dem malignen Melanom.

Die ADO (Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG)) organisiert Fortbildungen, Forschungsprojekte und klinische Studien, um die Qualität der dermato-onkologischen Patientenversorgung in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu verbessern und die wissenschaftliche Zusammenarbeit zu fördern. Ein wichtiger Fokus liegt auf der Erarbeitung diagnostischer und therapeutischer Leitlinien zu verschiedenen Hautkrebsarten, wie zum malignen Melanom, Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom, Merkelzellkarzinom, Kaposi-Sarkom und zu kutanen Lymphomen. Information: https://www.ado-homepage.de/ .

Literatur

1. Alli S et al. Understanding the Perceived Relationship between Sun Exposure and Melanoma in Atlantic Canada: A Consensual Qualitative Study Highlighting a “Sunscreen Paradox”. Cancers 2023;15(19), 4726; https://doi.org/10.3390/cancers15194726 .
2. Jeremian R et al. Gene-Environment Analyses in a UK Biobank Skin Cancer Cohort Identifies Important SNPs in DNA Repair Genes That May Help Prognosticate Disease Risk. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2023;32(11):1599-1607. https://doi.org/10.1158/1055-9965.EPI-23-0545 .

Quelle: Kerstin Aldenhoff, Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH.

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