Nichtinfektiöse Unverträglichkeitsreaktionen auf Tätowierungen

Steffen Schubert. Nach Tätowierungen kann es zu lichenoiden Reaktionen kommen, zu Hyperkeratosen, Ulzera, Pseudolymphomen, Granulomen, Kontaktekzemen und sarkoidalen Reaktionen. Diese Zusammenfassung konzentriert sich auf allergische Reaktionen.

 

Referat zu: Dermatologie in Beruf und Umwelt 2018;66(1):3-13.
HAUT 2020;31(3):119.

Die Inzidenz von Tattoo-Nebenwirkungen schwankt laut einer EU-Untersuchung zwischen 10 und 76 %. In einer dänischen Untersuchung waren allergische Reaktionen am häufigsten, gefolgt von Fremdkörpergranulomen und lichtinduzierter Urtikaria.

Regulierung von Tätowierfarben

Die Qualitätsunterschiede der Tätowiermittel auf dem Weltmarkt sind enorm. Die Regulierung und Kontrolle von Tätowiertinten ist momentan inadäquat; es existiert keine Positivliste von Inhaltsstoffen. Die Deutsche Tätowiermittel-Verordnung übernimmt das Verbot von über 1.300 Kosmetika-Inhaltsstoffen aus der EU-Kosmetikverordnung 76/768/EEC (Aktualisierung 2020 erwartet). Diese deckt nicht das gesamte Spektrum von Tätowierfarben-Inhaltsstoffen ab, da sie sich nur auf die epidermale Anwendung kosmetischer Mittel bezieht. Die Kontrolle der Tätowiermittel-Verordnung ist mangelhaft. Die Etablierung einer Negativ­liste führt auch zum Einsatz von organischen Pigmenten, die nicht in Kosmetika eingesetzt werden. Es gibt keine Pigmentproduktion speziell für den Tätowiermittelmarkt, somit liegen die Rohstoffe bestenfalls in kosmetischer Reinheit vor. Die meisten Schwermetalle (Verunreinigungen) wurden deshalb lediglich mit einer Konzentrationsbeschränkung versehen, z. B. Nickel. Nickel darf „so niedrig wie technisch ausführbar" eingesetzt werden, da etwa die Produktion von Eisenoxidpigmenten ohne Nickel-Kontamination technisch unmöglich ist.  

Allergietest worauf?

Das Hauptproblem für Allergologen besteht darin, dass Tätowierfarbe viele verschiedene toxische oder sensibilisierende Substanzen enthalten kann, auch in versteckter sowie falsch oder gar nicht deklarierter Form. Wenn eine allergische Reaktion innerhalb weniger Tage nach dem Anfertigen der Tätowierung auftritt, bedeutet dies in der Regel, dass der Patient bereits gegen einen (löslichen) Bestandteil der Tätowierfarbe (Farbstoffe, Metalle, Konservierungs- und Bindemittel) sensibilisiert ist, während eine verzögerte Reaktion (nach Wochen, Monaten oder Jahren) für eine Sensibilisierung durch einen Inhaltsstoff der Tätowierfarbe selbst oder ein dermales Haptenisierungs-Produkt spricht. 

Allergologische Diagnostik

Bei Verdacht auf eine Kontaktallergie auf Tätowierfarbe erscheint die Epikutantestung am ehesten zur Klärung geeignet. Systematisches Testen von Standard-Testpräparationen ist schwierig und wird zum einen durch die eingeschränkte Auswahl an Testpräparati­onen, zum anderen durch mangelhafte oder falsche Deklaration von Inhaltsstoffen behindert. Neben Standardpräparationen kann auch patienteneigenes Material (z. B. Tätowiertinten) epikutan getestet werden. Es gibt eine offizielle Testempfehlung bei Tätowiermittel-Unverträglichkeit (>80 Substanzen). Diese wird in vielen IVDK-Kliniken umgesetzt. Der Autor vermittelt Niedergelassenen gern ein Testzentrum in deren Nähe. 

Nicht nur Farbstoffe können die relevanten Allergene sein, sondern auch unbekannte Inhaltsstoffe und/ oder Spaltprodukte der Farbstoffe. Oft kann nicht ermittelt werden, welche Tätowierfarbe (Marke, Charge o. ä.) benutzt wurde. Auch erfasst ein epidermaler Test nicht unbedingt die dermalen Verhältnisse. Möglicherweise könnte der Abriss­epikutantest („strip patch testing“) oder Prick-Test die dermalen Verhältnisse bei der allergischen Reaktion im Tattoo-Bereich eher widerspiegeln. Allerdings birgt vor allem der Prick-Test das Risiko, ein Al­lergen unter der Basalschicht zu manifestieren. 

Bei entsprechender Anamnese und Exposition sollten andere Hilfsmittel wie Hautpflegeprodukte, Handschuhe der Tätowierer, Desinfektionsmittel oder Heilsalben in die Epikutantestung aufgenommen werden. 

Literatur

https://www.dustri.com/nc/de/article-response-page.html?artId=16670&doi=10.5414%2FDBX0312.

Redaktion: any

Korrespondenzadresse

Dr. rer. nat. Steffen Schubert
Informationsverbund Dermatologischer Kliniken (IVDK)
Geiststraße 3, 37073 Göttingen
E-Mail: sschube4(ett)gwdg.de

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