Auswirkungen der temporären Umsatzsteuersenkung auf die Praxis

Am 03.06.2020 hat sich die Bundesregierung auf ein Konjunkturpaket geeinigt. U. a. ist zum 01.07.2020 der normale Umsatzsteuersatz von 19 % auf 16 % gesenkt worden. Die neuen Umsatzsteuersätze von 16 % und 5 % sind auf die Lieferungen, sonstigen Leistungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe (d. h. Wareneinkauf aus dem EU-Ausland wie etwa Verbandsmaterial) anzuwenden, die zwischen dem 01.07.2020 und 31.12.2020 bewirkt werden. Worauf Praxisinhaber nun achten sollten.

Hintergrund – Umsatzsteuer in der Arztpraxis

Für Ärzte ist grundsätzlich der Umfang der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG zu beachten. Dabei liegt der Fokus auf Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin. Ärztliche Heilbehandlungen sind ebenso wie Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheits­störungen bei Menschen vorgenommen werden (Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL). Die befreiten Leistungen müssen dem Schutz der Gesundheit des Betroffenen dienen. Heilberufliche Leistungen sind daher nur steuerfrei, wenn bei der Tätigkeit ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht (Abschn. 4.14.1 Abs. 4 UStAE).

Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) sind als ärztliche Heilbehandlungen steuerfrei, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht (OFD Karlsruhe vom 31.1.2017, S 7170 – Karte 3, UR 2017, 481).

Sollten die Leistungen des betreffenden Arztes nicht unter diese Vorschrift zu subsummieren sein fällt Umsatzsteuer auf diese Leistungen an. Beispielhaft können hier folgende Tätigkeiten genannt werden, die nicht zur Tätigkeit als Arzt gehören z. B. (Abschn. 4.14.1 Abs. 5 Nr. 1 bis 12 UStAE): 

  • schriftstellerische Tätigkeit, Vortragstätigkeit, Lehrtätigkeit
  • Lieferung von Hilfsmitteln z. B. Kontaktlinsen, Schuheinlagen
  • Erstellung von Alkohol-Gutachten oder Gutachten über das Sehvermögen u. Ä. (Abschn. 4.14.1 Abs. 5 Nr. 6 UStAE).

Maßgebend für die Anwendung dieser Umsatzsteuersätze ist stets der Zeitpunkt, in dem der jeweilige Umsatz ausgeführt wird. Auf den Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung kommt es ebenso wenig an wie auf den Zeitpunkt der Entgeltsvereinnahmung oder der Rechnungserteilung (vgl. Abschnitt 12.1 Abs. 3 UStAE). Der Arzt hat somit genau seine umsatzsteuerpflichtigen Leistungen abzugrenzen, denn hat der Arzt als Unternehmer oder der von ihm beauftragte Dritte in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach dem UStG für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er gemäß § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG auch den Mehrbetrag. Hinzukommt, dass eine in einer Rechnung fälschlich ausgewiesene Steuer, die gemäß § 14c UStG geschuldet wird, unter den Voraussetzungen des § 233a AO zu verzinsen ist.

Hinweis: Das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 23.06.2020 hat eine Nichtbeanstandung für falsche Rechnungen bis zum 31.07.2020 gewährt.1

Rechnungseingang prüfen

Auch der Arzt als Leistungsempfänger muss die ihm überreichten Rechnungen kontrollieren. Auswirkungen hat die Absenkung der Umsatzsteuersätze insbesondere auf Leistungen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken (sog. Dauer­leistungen), sofern der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Umsatzsteuersatz­änderung in den für die Leistung vereinbarten Zeitraum fällt. Bei den Dauerleistungen kann es sich sowohl um sonstige Leistungen (z. B. Vermietungen, Leasing, Wartungen, Überwachungen, laufende Finanz- und Lohnbuchführung) als auch um die Gesamtheit mehrerer Lieferungen handeln. Um eine Lieferung handelt es sich bei allem, was der Arzt außerhalb der eigentlichen Behandlung verkauft, auch wenn dieser die „Ware“ nur vor Ort aushändigt. Für Dauerleistungen werden unterschiedliche Zeiträume (z. B. ½ Jahr, 1 Jahr, 1 Kalenderjahr, 5 Jahre) oder keine zeitliche Begrenzung vereinbart, wie z. B. beim Praxis-PKW, insbesondere bei hochpreisigen Modellen oder aber auch beim Leasing von Röntgengeräten usw.

Dauerleistungen werden ausgeführt:

  • im Falle einer sonstigen Leistung an dem Tag, an dem der vereinbarte Leistungszeitraum endet (Abschnitt 13.1 Abs. 3 UStAE),
  • im Falle wiederkehrender Lieferungen – ausgenommen Lieferungen von elektrischem Strom, Gas, Wärme und Wasser – am Tag jeder einzelnen Lieferung (Abschnitt 13.1 Abs. 2 UStAE).

Auf Dauerleistungen, die hiernach vor dem 01.07.2020 erbracht wurden und die der Umsatzbesteuerung unterliegen, ist der bis zum 30.06.2020 geltende Umsatzsteuersatz von 19 % bzw. 7 % anzuwenden. Später ausgeführte Dauerleistungen sind der Besteuerung nach den Umsatzsteuersätzen von 16 % bzw. 5 % zu unterwerfen. 

1 www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Umsatzsteuer/2020-06-23-befristete-Senkung-umsatzsteuer-juli-2020-erste-aktualisierung.html

► Stand: Juli 2020

Dennis Janz, LL. M.
Steuerstrafverteidiger und Fachberater im ambulanten Gesundheitswesen (IHK) ist Partner der Radloff | Ploch & Partner mbB, Im Defdahl 10a, 44141 Dortmund. 
www.rp-steuerberater.com

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