Der Weg zum Wunschnachfolger – Praxisübertragung und ihre Tücken Teil 2: Vertragsgestaltung

In Teil 1 des Beitrags wurden die vertragsarztrechtlichen Möglichkeiten einer koordinierten Praxisübertragung vorgestellt. Dieser Beitrag zeigt auf, welche vertraglichen Regelungen von Bedeutung sind, damit die Praxisübertragung gelingt und die Praxis von dem Übernehmer* in eine erfolgreiche Zukunft geführt werden kann. Hierfür ist es besonders wichtig, auch vermeintliche „Nebenschauplätze“ in den Blick zu nehmen, die für die Standortsicherung sowie die Möglichkeit, auf den bestehenden Patientenstamm sowie auf die etablierte Praxisinfrastruktur aufbauen zu können, bedeutsam sind.

 


Lesen Sie hier Teil 1 unserer Beitragsserie zur Praxisübertragung


 

Notwendige Vorbereitungen

  • die Erstellung und Verhandlung der erforderlichen Verträge 
  • die Kontaktaufnahme und Abstimmung mit Dritten (z. B. dem Vermieter der Praxisräume und der Bank des Erwerbers, die den Kauf finanziert) 
  • das Einholen von Beratung zu steuerlichen Aspekten

Wenn die Übertragung einer vertragsärztlichen Praxis geplant wird, sollte frühzeitig mit den Planungen begonnen werden. So kann erfolgreich eine Strategie dafür entwickelt werden, die Praxis mit der vertragsärztlichen Zulassung an einen Wunschnachfolger zu übertragen. Aber auch, wenn mit der Praxis keine vertragsärztliche Zulassung übertragen werden soll, muss rechtzeitig damit begonnen werden, die Abgabe zu planen. Es sind umfassende Vorbereitungen nötig (s. Infokasten). 

Im Idealfall sollte deshalb möglichst frühzeitig vor der geplanten Praxisübertragung eine erste Kontaktaufnahme mit entsprechenden Beratern erfolgen und mit den Planungen begonnen werden. Zentrales vertragliches Regelungswerk für die Übertragung einer Arztpraxis stellt der Praxiskaufvertrag dar. Auf dessen wesentliche Inhalte soll im Folgenden eingegangen werden. 

Gegenstand des Kaufvertrags

Gegenstand des Praxiskaufvertrags ist – seinem Namen entsprechend – die Praxis. Bei der Betrachtung der Praxis als Kaufgegenstand ist zu unterscheiden zwischen zwei Bestandteilen, die ihren Wert ausmachen. 

1. Materieller Praxiswert

Zum einen sind dies materielle Werte wie z. B. Einrichtungsgegenstände, medizinische Geräte, Instrumente oder Verbrauchsmaterialien. Je nach Fachgruppe können hierbei materielle Werte in unterschiedlicher Höhe betroffen sein; sehr technisch arbeitende Arztgruppen verfügen zumeist über eine Vielzahl teurer Gerätschaften, wohingegen bei Praxen der sog. sprechenden Medizin oftmals die materiellen Werte eine eher untergeordnete Rolle spielen. Verkäufer und Käufer sollten eine Inventarliste aufstellen, die regelt, welche Gegenstände übereignet werden sollen (z. B. anhand des Anlagenverzeichnisses). In diesem Zusammenhang sollten sich die Parteien des Kaufvertrags auch darüber einigen, in welchem Zustand sich die Gegenstände, insbesondere medizinische Geräte, befinden und ob und in welchem Umfang dem Käufer Gewährleistungsansprüche zustehen sollen.

2. Immaterieller Praxiswert

Bei der Bestimmung des Kaufgegenstands „Arztpraxis“ – und damit in erheblichem Maß auch für die Kaufpreisfindung – spielen auch immaterielle Werte eine Rolle (sog. „ideeller Wert“ oder „Goodwill“ der Praxis). Hierunter wird die Möglichkeit des Übernehmers verstanden, in Zukunft den Patientenstamm sowie den „guten Ruf“ der Praxis nutzen zu können. In diesem Zusammenhang wird es für den Übernehmer auch von essenzieller Bedeutung sein, als Nachfolger des Abgebers vom Zulassungsausschuss eine (Teil)Zulassung zu erhalten, die ggf. zuvor bei dem Abgeber bestand. Nur so kann (auch) der gesetzlich versicherte Teil des bestehenden Patientenstamms in Zukunft weiter versorgt werden.

Übertragung der Patientenkartei

Um die weitere Betreuung der Patienten gewährleisten zu können, muss sodann auch die Patientenkartei auf den Käufer übertragen werden. Dieser zunächst vermeintlich simpel anmutende Vorgang ist mit höchster Akribie vertraglich zu regeln, sind doch höchst sensible Interessen betroffen wie etwa: 

  • das Recht des Patienten auf informationelle Selbstbestimmung (möchte der Patient seine sensiblen Gesundheitsdaten gegenüber dem „neuen“, für ihn zumeist noch fremden Arzt offenbaren?)
  • die ärztliche Schweigepflicht
  • das Datenschutzrecht 
  • die berufsrechtliche Pflicht des Arztes zur Aufbewahrung der Patientenunterlagen
     

Vertragsverhältnisse

Für den Erhalt der bestehenden Praxis­infrastruktur ist weiterhin zu regeln, welche bestehenden Vertragsverhältnisse auf den Praxisübernehmer übergehen. Hieran wird auch der Abgeber ein Interesse haben, weil er zumeist mit dem Übergang der Vertragsverhältnisse aus seinen vertraglichen Verpflichtungen entlassen wird. 

Besonderes Augenmerk ist hierbei auf die ordnungsgemäße Übertragung der Arbeitsverhältnisse mit Angestellten der Praxis zu richten. Das Praxispersonal ist oft ein entscheidender Faktor für die zukünftige Patientenbindung sowie für die Sicherung bewährter und geregelter Praxisabläufe. Aber auch andere Dauerschuldverhältnisse sind zu übertragen. Oft vergessen, wenngleich bedeutsam für die Standortsicherung, ist hierbei auch die rechtssichere Überleitung des Praxismietvertrags. Dessen Inhalt sollte im Vorfeld einer sorgfältigen Überprüfung unterzogen werden, um sicherzustellen, dass der Verwirklichung der Zukunftspläne des Übernehmers in den vorhandenen Räumlichkeiten nichts entgegensteht. Die wirksame Überleitung des Mietvertrags wird üblicherweise zur Bedingung für den Bestand des Kaufvertrags gemacht.

Sicherung der Kaufpreiszahlung

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist – insbesondere aus Sicht des Abgebers – die Sicherung der Kaufpreiszahlung. Hier wird klassischerweise mit bekannten Methoden der Kreditsicherung gearbeitet, z. B. mit der Bestellung einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft, die der Käufer beizubringen hat. Auch die Frage nach der Fälligkeit der Kaufpreiszahlung sollte klar geregelt sein. Für alle mit der Zahlung und dem Empfang des Kaufpreises zusammenhängenden steuerlichen Fragestellungen wird die gesonderte Beratung durch einen Steuerberater empfohlen. Es sollte zudem geregelt werden, ob und wenn ja, in welcher Form, der Übernehmer die Haftung für 
etwaige Altverbindlichkeiten der Praxis (z. B. Regresse) übernehmen soll.

Wettbewerbsverbot

Schließlich wird es für den Erhalt des immateriellen Werts der Praxis von hoher Bedeutung sein, zu regeln, dass der Abgeber innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht mehr im Einzugsgebiet der verkauften Praxis tätig wird (sog. Wettbewerbsverbot) und damit – aktiv oder passiv – seinen alten Patientenstamm „abwirbt“. Ein solches Verbot gilt jedoch sowohl räumlich als auch zeitlich nicht schrankenlos. Die Einzelheiten sollten im Kaufvertrag genau geregelt werden, ebenso wie die Rechtsfolgen eines Verstoßes.

Gesellschaftsvertrag

Ist die zu übertragende Praxis Teil einer ärztlichen Kooperationsform, etwa einer Berufsausübungsgemeinschaft oder einer Praxisgemeinschaft, so ist zusätzlich zu dem Praxiskaufvertrag zwischen Verkäufer und Erwerber auch das Verhältnis zu den anderen Gesellschaftern der Kooperation zu regeln. Zumeist wird es bereits einen bestehenden Gesellschaftsvertrag geben. Es ist dann zwischen allen Beteiligten Einvernehmen dahingehend zu erzielen, dass der Käufer als Übernehmer der Praxis des Abgebers in die bestehende Kooperation aufgenommen wird und ob der bestehende Gesellschaftsvertrag – ggf. mit einzelnen Modifikationen – weiterhin Geltung behalten soll. 

Fazit

An einer Praxisübertragung wirken üblicherweise mehr Beteiligte mit, als es zunächst den Anschein hat. Auch gibt es eine Vielzahl von Schnittstellen zwischen unterschiedlichen vertraglichen Regelungswerken sowie auch dem vertragsärztlichen Zulassungsverfahren, die es zu koordinieren gilt. Eine frühzeitige und sorgfältige Konzeptionierung der Praxisübertragung ist daher unerlässlich für deren Erfolg sowie die Sicherung des weiteren Erfolgs der Praxis in der Zukunft.

* Zum Zwecke der besseren Lesbarkeit wird hier allein die maskuline Form verwendet, selbstverständlich sind hiermit alle Geschlechter angesprochen.

Wiebke Düsberg
Fachanwältin für Medizinrecht
CausaConcilio Rechtsanwälte – Kiel, Hamburg, Flensburg, Schönberg
www.causaconcilio.de

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