Die Medizin ist weiblicher – und das ist gut so

Immer noch taucht es gelegentlich auf, das Schreckgespenst von der „zunehmenden Feminisierung in der Medizin“. Angeblich erschwert der wachsende Anteil von Ärztinnen die geordnete Patientenversorgung. Doch es lohnt sich, das genauer zu beleuchten.

Unübersehbar ist, dass Ärztinnen teilweise andere Schwerpunkte in der Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten setzen als ihre männlichen Kollegen und eine ganzheitlichere und wieder stärker patientenzentrierte Gesundheitsversorgung verfolgen. Wissenschaftlich besteht mittlerweile auch kein Zweifel mehr daran, dass die Behandlungsweise von Ärztinnen denen ihrer männlichen Kollegen zumindest gleichwertig, wenn nicht überlegen ist. Der Literatur ist zu entnehmen, dass Ärztinnen häufiger leitliniengerecht und mit präventivem Fokus therapieren, eher patientenzentriert kommunizieren und ihre Patientinnen und Patienten neben der medizinischen Betreuung auch psychosozial begleiten.

Vorteile in der ambulanten Versorgung

Eine kanadische cross-sectional Analyse mit über 4.000 eingeschlossenen Hausärztinnen und Hausärzten zeigte auf, dass ­Kranke, die primär von Ärztinnen behandelt wurden, weniger häufig in der Notaufnahme oder im Krankenhaus landeten als bei initialer Behandlung durch einen ärztlichen Kollegen. Als mögliche Erklärung hierfür wurden eine differierende Herangehensweise an klinische Fragestellungen und Entscheidungen von Ärzten im Gegensatz zu ­Ärztinnen diskutiert. Unter­suchungen auf Unterschiede im Behandlungsergebnis bei Menschen mit Diabetes mellitus und chronischer Herz­insuffizienz erbrachten gleichermaßen ein besseres Out­come nach der Behandlung durch eine Ärztin. Es zeigen sich sogar Unterschiede in der Mortalität mit einer Reduktion des relativen ­Risikos von bis zu 4 % nach der Behandlung durch eine Ärztin.

Fachkräftemangel im niedergelassenen Bereich

Abgesehen von der medizinischen Qualität sind gemischte Teams nachweislich leistungsstärker und erfolgreicher, was eindeutig für eine positive Auswirkung weiblicher Kontribution im Sinne der Versorgung von Patientinnen und Patienten steht. Wenn man sich die gesundheitspolitische Lage in Deutschland betrachtet, ist dieser weibliche Beitrag auch zunehmend unerlässlich. Der Fachkräftemangel, der lange vorhergesagt wurde, ist eingetreten und die Auswirkungen sind mittlerweile unübersehbar. In den kommenden Jahren werden zusätzlich nun die geburtenstarken Jahrgänge – auch der Ärzte und ­Ärztinnen – in den Ruhestand gehen. Alarmierend ist die Statistik der Kassenärztlichen Vereinigung (KBV) von 2021. Sie zeigt, dass ungefähr ein Drittel der Niedergelassenen älter als 60 Jahre ist und ein weiteres Drittel in der Altersgruppe zwischen 50 und 60 Jahren. Dies macht deutlich, dass in den nächsten zehn bis 15 Jahren eine Vielzahl von jungen Ärztinnen und Ärzten in der ambulanten Versorgung benötigt wird, um zumindest das derzeitige Niveau zu halten.

Es führt kein Weg daran vorbei: Aus gesundheitspolitischen Erwägungen ist es zwingend erforderlich, hoch qualifizierte ­Ärztinnen dauerhaft einzubinden, um die Patientenversorgung zu sichern. Topausgebildete Ärztinnen, die im Laufe ihres Berufsweges der direkten Versorgung verloren gehen, sind – ökonomisch betrachtet – eine unerschlossene Ressource. Wir müssen daher schnellstmöglich Rahmenbedingungen schaffen, um es Ärztinnen – aber auch immer mehr Ärzten – zu ermöglichen, ihre Lebenswünsche mit dem Beruf in Einklang zu bringen. Es sollte im ureigensten Interesse der Politik und der ärztlichen Vertretungsgremien liegen, Verbesserungen die höchste Priorität zuzuweisen. Als Ärztinnen sollten wir uns in die Gremien noch ­stärker einbringen, um die ­anstehenden Veränderungen in unserem Sinne zu steuern.

PD Dr. med. 
Barbara Puhahn-Schmeiser 
Vizepräsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes e. V. und Fachärztin für Neurochirurgie, Universitätsklinik Freiburg. Berufspolitisch ist sie außerdem in der Ärztekammer Baden-Württemberg aktiv.

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