Wie Magen-Stammzellen durch p57 ihre Zuständigkeit ändern

Eine adulte Stammzellenpopulation des Magens kann zwei völlig unterschiedliche Funktionen erfüllen: Unter normalen Bedingungen unterstützt sie die Verdauung. Bei Verletzungen übernimmt sie jedoch die Führung, diese zu reparieren. Forschende am IMBA, dem Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, zeigen, dass bei einer Verletzung nur ein einziger „molekularer Schalter“ genügt, um die Stammzellen von einem Zustand in den anderen zu versetzen.

Adulte Stammzellen sind für Forschende besonders interessant, weil sie sich unbegrenzt erneuern können und sich in alle Zelltypen differenzieren, aus denen das jeweilige Organ besteht. Immer mehr Hinweise deuten aber darauf hin, dass dies nicht die einzige Aufgabe adulter Stammzellen ist. Einige von ihnen sind wahre „Doppelagenten“: Sie können eine Schlüsselrolle in der normalen Funktion von Organen (Homöostase) einnehmen, behalten aber gleichzeitig ihre Fähigkeit, beschädigtes Gewebe zu regenerieren. 

chief cells im Magen

Eine bestimmte Population adulter Stammzellen im Magenkörper wird als „Hauptzellen“ bezeichnet („Chief cells“). Diese Zellen fungieren unter normalen physiologischen Bedingungen als Reserve, was bedeutet, dass sie sich nicht teilen, sondern nur Verdauungsenzyme absondern. Bei einer Gewebeschädigung schalten diese Zellen jedoch plötzlich um, vermehren sich rapide und regenerieren das geschädigte Gewebe. Die Forschenden wollten nun den genauen Mechanismus des zugrundeliegenden Schalters aufdecken.

Transkriptomanalyse

Das multinatinale Team entwickelte ein Mausmodell zur Beobachtung der Auswirkungen einer Verletzung des Magengewebes auf Zell-Ebene. So konnte das Team alle transkribierten Gene auf Einzel­zellbasis ­charakterisieren und die Abstammung der Zellen im sich regenerierenden Mausmagengewebe verfolgen. Mit dieser Strategie haben sie das Molekül p57 als den potenziellen molekularen Schalter identifiziert. Nach einer Verletzung nimmt die  p57-Konzentration in den „Hauptzellen“ rasch ab undes erfolgt dann ein rasanter Anstieg der Proliferation, die definitiv von den „Hauptzellen“ abstammt.

Test mit Magenorganoiden

Um ihre Hypothese weiter zu testen und ihre Ergebnisse zu untermauern, überexprimierte das Team p57 in Magenorganoiden. Dadurch konnten sie in den Organoiden ­einen langfristigen Reservestammzell­-Zustand herbeiführen und eine erhöhte Enzymsekretion auslösen. Die hohen p57-Werte in den Organoiden bewirkten also, dass sich die Reserve­stammzellen eher wie reife, sezernierende „Hauptzellen“ verhielten, die sich nicht vermehren.

Mit p57 in den Reservemodus

„Organoide sind normaler­weise aufgrund des Wachstumsfaktor-Cocktails, den sie in der Kultur benötigen, sehr proliferativ. Sobald wir jedoch p57 einführten, hörten die Organoide plötzlich auf zu wachsen“, erklärt Ji-Hyun Lee, Hauptautorin und Postdoktorandin in der Forschungsgruppe von IMBA-Gruppenleiter Bon-Kyoung Koo. „In einem zweiten Schritt reduzierten wir die Expression von p57, und zu unserer Freude begannen die Organoide wieder zu wachsen“, fährt Lee fort. „Das bedeutet, dass die Zellen durch p57 nicht ihre Stammzell-Eigenschaft verlieren. Sie gehen lediglich in den Reserve-Zustand über, was genau unseren in-vivo-Beobachtungen entspricht.“

CDK-Inhibitoren

Das Molekül p57 gehört zu einer größeren Familie von Proteinen, den so genannten CDK-Inhibitoren, die den Zellzyklus und die Zellvermehrung hemmen. Medikamente mit genau dieser Funktion wurden bereits zur Behandlung einiger Krebsarten entwickelt. 
Das Team um Koo und Lee untersuchte dann die Wirkung anderer CDK-Inhibitoren auf Magenorganoide, um zu prüfen, ob ihre Ergebnisse wirklich spezifisch für p57 sind. Im Gegensatz zu p57 lösten die anderen Moleküle keinen reversiblen Reservestammzell-Zustand in den Organoiden aus, sondern ließen sie einfach absterben. Die Ergebnisse könnten einen wichtigen Einfluss auf das Verständnis von Magenkrankheiten haben. 

Weitere Infos: www.oeaw.ac.at/imba-de

Lee Ji-Hyun et al. Cell Stem Cell. DOI: 10.1016/j.stem.2022.04.001
Quelle: IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften GmbH

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