Neue Leitlinie zum Schlaganfall – klare Aussagen zu komplexen Fragen

Die neue S2e-Schlaganfall-Leitlinie zur „Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls“ von 2021 (1) hat das Vorgängermodell nach knapp zehn Jahren abgelöst. Die komplett überarbeitete neue Version entstand unter Mitwirkung verschiedener Fachgesellschaften, unter anderem auch der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG).

Zitierweise; vasomed 2022; 34(4): 146

In die aktuelle Leitlinie wurden auch bisher nicht behandelte Aspekte aufgenommen, hervorzuheben sind die Stroke-Unit-Behandlung von TIA-Patienten, Rekanalisationstherapien außerhalb des engen Zeitfensters von 4,5 Stunden, Diagnose und Behandlung des Delirs nach Schlaganfall und geschlechtsspezifische Aspekte. Die Leitlinie deckt somit alle Phasen der Versorgung akuter Schlaganfallpatienten ab. Zu betonen ist, dass diese Leitlinie explizit auch die Versorgung von Patienten mit flüchtigen Symptomen, sogenannten transitorisch ischämischen Attacken (TIA), einbezieht. Der Leitlinientext umfasst insgesamt 116 Empfehlungen mit klaren Handlungsempfehlungen und 28 Statements der Leitliniengruppe. Einige besonders wichtige sind im Folgenden aufgeführt. 

  • Alle Patienten mit einem akuten Schlaganfall sollen auf einer Stroke Unit behandelt werden. Das gilt auch für Patienten mit einer TIA-Symptomatik innerhalb der letzten 48 Stunden. Die Aufenthaltsdauer auf der Stroke Unit sollte sich an individuellen, patientenspezifischen Faktoren orientieren.
  • Bei allen Patienten mit Verdacht auf Schlaganfall, die Kandidaten für eine Reperfusionstherapie sind, soll eine sofortige Bildgebung des Gehirns mit CT oder MRT erfolgen, um zwischen Ischämie und Blutung zu unterscheiden und somit das therapeutische Prozedere festlegen zu können. Patienten, die die Voraussetzungen für eine endovaskuläre Schlaganfalltherapie erfüllen, sollen unmittelbar auch eine nicht invasive Gefäßdiagnostik (CTA, MRA) erhalten, die auch den Aortenbogen umfassen sollte. Falls bei Ankunft in der Klinik das kritische Zeitintervall von 4,5 Stunden überschritten ist, sollte eine erweiterte multimodale Bildgebung erfolgen (z.B. Perfusionsuntersuchung mit MRT oder CT), da befundabhängig noch eine spezifische Schlaganfalltherapie möglich sein kann.
  • Das sogenannte Post-Stroke-Delir betrifft im Mittel jeden vierten Schlaganfallpatienten und hat erhebliche Auswirkungen auf die Behandlung. In kurzer Zeit entwickeln sich fluktuierende Störungen von Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Bewusstsein, die nicht allein durch den Schlaganfall erklärt werden können. Ein solches Delir führt zu einer fast fünffach erhöhten Sterblichkeit, längeren Klinikaufenthalten und häufigeren Entlassungen in Pflegeeinrichtungen. Trotz dieser Häufigkeit und der möglichen Folgen des Post-Stroke-Delirs sind Forschungsergebnisse dazu rar und die Therapien daher kaum standardisiert. Die Leitlinien empfehlen das gezielte Screening mit etablierten Scores. Neben der Behandlung mit speziellen Medikamenten ist es besonders wichtig, frühzeitig die Reorientierung der Patienten zu stimulieren (Kommunikation, Mobilisation, Brille, Hörgeräte, Tag-Nacht-Rhythmus).
  • Eine frühe duale antithrombotische Sekundärprophylaxe (ASS plus Clopidogrel oder Ticagrelor) sollte nicht routinemäßig durchgeführt werden. Sie kann aber bei ausgewählten Patienten nach TIA oder leichten Schlaganfällen für einen kurzen Zeitraum Vorteile haben. Bei erhöhtem Blutungsrisiko sollte keine duale Plättchenhemmung erfolgen.

Insgesamt bildet die aktuelle Leitlinie das derzeit verfügbare Wissen zum ischämischen Schlaganfall ab, um eine bestmögliche Versorgung der Betroffenen zu gewährleisten. Einige Abschnitte, z. B. die Delirtherapie, wurden auch im internationalen Vergleich erstmalig in einer Schlaganfall-Leitlinie behandelt. Bei anderen Themen – insbesondere der frühen dualen antithrombotischen Therapie – nahm die Leitliniengruppe eine im Vergleich zu anderen Leitlinien deutlich kritischere Haltung ein, was mit einer umfassenden Neubewertung der Studiendaten zu begründen ist.

Literatur

1. Ringleb P, Köhrmann M, Jansen O et al. Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls, S2e-Leitlinie, 2021, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. www.dgn.org/leitlinien

Die S2e-Leitlinie „Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls, S2e-Leitlinie“ von 2021 ist auch zu finden unter https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/030-046.html

Quelle: Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft

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