Neues Medikament zur Gerinnungshemmung mit geringem Blutungsrisiko

Zur Schlaganfallprävention werden bei Vorhofflimmern Antikoagulanzien verordnet. Dafür steht heute eine Reihe verschiedener oraler Präparate zur Verfügung, die zu einer effektiven Gerinnungshemmung führen und damit Schlaganfälle vermeiden. Allerdings erhöhen sie auch das Risiko für Blutungen. Eine neue Substanz, Asundexian, zeigte nun in einer Phase-II-Studie (1) eine hohe gerinnungshemmende Wirksamkeit bei gleichzeitig deutlich reduziertem Blutungsrisiko.

Ältere Menschen leiden relativ häufig an Vorhofflimmern (VHF), einer oftmals symptomlosen Herzrhythmusstörung. In Deutschland leidet ca. 1% der Gesamtbevölkerung und ca. 20% der älteren Menschen an einem VHF (2) – das sind ca. 1,8 Millionen Betroffene (3). Die häufigsten zugrunde liegenden Ursachen des VHF sind Bluthochdruck und Herzschwäche (4).

Die optimale Therapie des VHF besteht in der kardiologischen Behandlung, wodurch das Flimmern unterbrochen wird und der Vorhof wieder koordiniert an der Pumpfunktion des Herzens teilnimmt. Wenn diese Behandlung nicht möglich oder nicht erfolgreich ist, wird zur Schlaganfallprävention die Gabe von gerinnungshemmenden Medikamenten (Antikoagulanzien) empfohlen. Dafür gibt es verschiedene orale Substanzen; neben den klassischen Vitamin K-Antagonisten  (VKA) sind seit einiger Zeit die sogenannten direkten oralen Antikoagulanzien („DOAK“) verfügbar, die spezifisch einzelne Gerinnungsfaktoren (Proteine) hemmen, beispielsweise den Faktor IIa (Dabigatran) oder Faktor Xa (Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban). DOAKs sind besser steuerbar als VKA, da die Wirkung praktisch sofort einsetzt und beim Absetzen auch schnell wieder nachlässt. Alle Präparate haben jedoch das Problem, dass sie nicht nur die Gerinnung hemmen, sondern gleichzeitig das allgemeine Blutungsrisiko leicht erhöhen.

Asundexian hemmt den Gerinnungsfaktor XIa

Das neue orale Antikoagulans Asundexian (ein sogenanntes „small molecule“) hemmt den Faktor XIa und soll thromboembolische Ereignisse bei nur minimalen Effekten auf die Blutgerinnung bzw. geringem Blutungsrisiko verhindern. Die nun publizierte Phase-2-Dosisfindungsstudie „Pacific-AF“ verglich randomisiert doppelblind zwei Dosierungen Asundexian gegenüber einer Standardbehandlung mit Apixaban bei Menschen ab 45 Jahren mit Vorhofflimmern hinsichtlich der Inzidenz von Blutungsereignissen. Die Studie wurde in 14 Ländern an insgesamt 93 Zentren durchgeführt (12 europäische Länder, Kanada und Japan). Einschlusskriterium war ein CHA2DS2-VASc-Score (zur Abschätzung des Thrombembolie-Risikos bei Vorhofflimmern anhand anamnestischer Risikofaktoren) von ≥ 2 (Männer) oder ≥ 3 (Frauen) sowie ein erhöhtes Blutungsrisiko.

Die Teilnehmenden wurden in drei gleichgroße Gruppen randomisiert und erhielten einmal täglich 20 mg oder 50 mg Asundexian oder zweimal täglich 5 mg Apixaban. Es erfolgte außerdem eine Stratifizierung nach der bisherigen DOAC-Einnahme vor Studienbeginn. Primärer Endpunkt war eine Kombination großer bzw. klinisch relevanter, kleinerer Blutungen gemäß den ISTH-Kriterien („International Society on Thrombosis and Haemostasis“). Insgesamt wurden 755 geeignete Patientinnen und Patienten randomisiert und 753 ausgewertet (249 erhielten 20 mg und 254 erhielten 50 mg Asundexian und 250 hatten Apixaban). Das mittlere Alter der Teilnehmenden lag bei 73,7±8,3 Jahren, 41% waren weiblich, 29% hatten eine chronische Nierenerkrankung und der mittlere CHA2DS2-VASc-Score betrug 3,9±1,3.

Mit Asundexian 20 mg wurde eine 81%ige Hemmung der Faktor XIa-Maximalkonzentrationen im Blut erzielt sowie eine 94%ige Inhibition der FXIa-Talspiegel. Die Inzidenz-Ratio für das Auftreten des primären Endpunktes lag bei 0,5 für 20 mg Asundexian (drei Ereignisse), bei 0,16 für 50 mg Asundexian (ein Ereignis) und bei 0,33 für beide gepoolten Asundexian-Gruppen (vier Ereignisse) gegenüber der Behandlung mit Apixaban (sechs Ereignisse). Die sonstige Nebenwirkungsrate war in allen drei Gruppen ähnlich: Sie betrug 47% bei den mit 20 mg Asundexian Behandelten, ebenfalls 47% bei 50 mg Asundexian und 49% bei Apixaban.

Deutlich weniger Blutungsereignisse

„Bei Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern mit dem Faktor XIa-Inhibitor Asundexian – in zwei verschiedenen Dosierungen – gab es mit insgesamt 4/503 (0,8%) deutlich weniger Blutungsereignisse als mit der Apixaban-Standardmedikation mit 6/250 (2,4%)“, so das Fazit von Prof. Hans Christoph Diener, Essen. „Die Blutungsraten wurden um 67% reduziert – bei fast vollständiger Hemmung des Gerinnungsfaktors XIa. Diese Ergebnisse sind vielversprechend und wir erwarten nun mit Spannung prospektive klinische Outcome-Studien zur Schlaganfallprävention für diese neue Substanz.“

Literatur

  1. Piccini JP, Caso V, Connolly SJ et al. the PACIFIC-AF Investigators. Safety of the oral factor XIa inhibitor asundexian compared with apixaban in patients with atrial fibrillation (PACIFIC-AF): a multicentre, randomised, double-blind, double-dummy, dose-finding phase 2 study. Lancet 2022 Apr 03; Published Online https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)00456-1
  2. Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V.   http://kv2020.vs10366.internet1.de/de/patienteninformation/vorhofflimmern
  3. https://www.herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/herzrhythmusstoerungen/vorhofflimmern/vorhofflimmern-symptome
  4. https://www.herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/herzrhythmusstoerungen/vorhofflimmern/vorhofflimmern-ursachen

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie

Interessiert an neuen Fortbildungen oder Abrechnungstipps?

Abonnieren Sie unseren Infoletter.
 

Zur Infoletter-Anmeldung

x
Newsletter-Anmeldung