Alterskriminalität: Wenn „Alte“ straffällig werden

Alterskriminalität ist eine ernste Herausforderung, vielschichtiger als angenommen und wenig untersucht. Zu diesem Schluss kam eine Arbeitsgruppe um Prof. Stefan Pohlmann von der Hochschule München, die sich aktuell mit dem Thema näher befasste.

Das Phänomen der Devianz im Alter, also des regelabweichenden Verhaltens von Seniorinnen und Senioren, wirft viele Fragen auf, denen eine Forschungsgruppe um Prof. Stefan Pohlmann von der Hochschule München nachging. Alterskriminalität bezeichnet gemeinhin alle Formen von Straftaten, die von Personen über 60 Jahren verübt werden oder die zu einem Strafprozess im höheren Alter führen. Hinzu kommen Fälle, die eine Haft im oder bis zum hohen Alter umfassen. In Wissenschaft und Praxis haben diese Themen bislang allenfalls ­marginale Beachtung gefunden.

Dabei ist Alterskriminalität ein Phänomen mit steigender Tendenz. In Zukunft könnte – angesichts des Anstiegs der Zahl alter Menschen durch die zunehmende Lebenserwartung bei einem weitgehend aktiven Lebensstil und dem gleichzeitigen Rückgang der Geburtenraten – die Zahl krimineller „Alten“ jene der Heranwachsenden übertreffen. Noch ist ein solcher Trend allerdings nicht erreicht.

Typische Verstöße und Rechtfertigungen 60plus

Das Forschungsteam untersuchte hierzu die Polizeiliche Kriminalstatistik. Für das Jahr 2019 ergaben sich deutschlandweit insgesamt um die 155.000 Tatverdächtige im Alter von 60 und mehr Jahren. Das Ergebnis ergänzender Befragungen: Die höchsten Zahlen an Tatverdächtigen gibt es im Bereich der Diebstahldelikte, es folgen Beleidigungen, leichte Körperverletzungen und Betrug.

Das Team um Pohlmann identifizierte sieben subjektive Rechtfertigungskategorien: Darunter Langeweile und die damit verbundene Sehnsucht nach Spannung, Ablenkung und Nervenkitzel (thrill) sowie existenzielle Not oder die persönliche Angst vor einem sozialen Abstieg (affliction). Weitere Motive sind kognitive Veränderungen oder psychische Störungen (disorder), Rache und Selbstjustiz (revenge), unzureichende Einschätzung der Rechtswidrigkeit des eigenen Verhaltens (pseudo rationality) sowie die aktive Provokation einer Straftat, da die alltäglichen Lebensumstände gegenüber dem Strafvollzug weniger attraktiv ausfallen (active choice). Schließlich führt ein kriminelles Umfeld (environment) zu Straftaten. 

Betrachtet man die Heterogenität dieser Tatauslöser, lässt sich kein einzelner, universell gültiger Erklärungsansatz für Devianz im Alter geben. Was genau Straftäter und -täterinnen im Alter antreibt, ist also (auch) höchst individuell.

Quelle: Hochschule München

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