Entlastung für pflegende Angehörige

Der jüngsten Befragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zufolge bekommt die Unterstützung pflegender Angehöriger in der hausärztlichen Praxis eine immer größere Relevanz. Die Mehrzahl der Patienten, die ein Familienmitglied pflegt, gelangt körperlich und psychisch an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit und erhofft sich Rat und Unterstützung von ihrem Hausarzt. Der preisgekrönte Verein deinNachbar e. V. will pflegenden Angehörigen die dringend nötige Entlastung verschaffen. Der gemeinnützige Verein bietet ihnen daher eine kostenlose Beratung durch spezialisierte Pflegefachkräfte sowie Schulungen im häuslichen Bereich durch eine vereinseigene Pflegefachkraft an.

Familienangehörige sind der größte Pflegedienst der Nation

Dem Bundesministerium für Gesundheit zufolge gibt es in Deutschland aktuell 3,5 Mio. pflegebedürftige Menschen. Davon werden lediglich 24 Prozent stationär versorgt, 2,7 Mio. Pflegebedürftige hingegen zuhause von pflegenden Angehörigen betreut. Lediglich 23 Prozent von ihnen werden bei dieser Tätigkeit durch einen Pflegedienst unterstützt. Der Großteil der Versorgung lastet also auf den Schultern der pflegenden Familienmitglieder, dem größten Pflegedienst der Nation. Hinzu kommt die Versorgung von ca. 6 Mio. hilfsbedürftigen Menschen, die noch keinen Pflegegrad haben, aber bereits auf Unterstützung im Alltag angewiesen sind.


Überlastung gefährdet den Fortbestand der häuslichen Pflege

Laut Pflegereport 2018 der Barmer Krankenkasse sind pflegende Angehörige mit dieser Situation schon heute überlastet. 85 Prozent der pflegenden Familienmitglieder geben an, dass die Pflege ihr gesamtes tägliches Leben bestimme. Die Hälfte von ihnen ist mehr als zwölf Stunden pro Tag gefordert. "Nicht von ungefähr wünschen sich 60 Prozent der pflegenden Angehörigen mehr Unterstützung bei der Pflege. Viele sind an der Grenze der Belastbarkeit angekommen", sagt der Autor des Pflegereports, Prof. Heinz Rothgang von der Universität Bremen. So ist es nicht verwunderlich, dass 185.000 pflegende Angehörige nach eigener Aussage ernsthaft darüber nachdenken, ihre pflegerischen Tätigkeiten einzustellen.


Hausärzte müssen Pflegebedürftige und pflegende Angehörige versorgen

Für pflegende Angehörige ist der Hausarzt ein wichtiger Ansprechpartner und wird dies auch in Zukunft bleiben. Das ist ein Ergebnis der aktuellen Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Demnach pflegt fast jeder fünfte der rund 6.000 Befragten einen ihm nahestehenden Menschen. 59 Prozent gaben an, sich in dieser Situation ratsuchend an den Hausarzt zu wenden. Überdurchschnittlich oft erfolgt die Rücksprache bei den über 70-Jährigen. Hinweise auf eine drohende Überforderung der Familienangehörigen finden sich auch hier: „Die Pflege Angehöriger ist eine körperlich und emotional sehr belastende Aufgabe“, sagt KBV-Vizechef Stephan Hofmeister. Oftmals würden Betroffene erst spät realisieren, dass sie Hilfe benötigten, um nicht selbst zu erkranken. Mit Blick auf die Alterung der Bevölkerung betonte Hofmeister: „Hausärzte werden sich in Zukunft nicht nur um mehr pflegebedürftige Patienten kümmern müssen, sondern auch um deren Angehörige.“ Dies sei eine nicht zu unterschätzende Aufgabe.

Der Pflegebedarf wächst, während die Anzahl der potentiell Pflegenden schwindet

In den kommenden Jahren wird die Zahl der hilfs- und pflegebedürftigen Menschen weiter drastisch anwachsen. Aufgrund des demografischen Wandels steigt die Anzahl der Pflegebedürftigen in Deutschland zwischen den Jahren 2014 und 2030 um 64 Prozent auf 4,3 Mio. Menschen an (BGM 07/2018). Hinzu kommen all die hilfsbedürftigen älteren Menschen, die (noch) keine Pflegestufe haben, aber dennoch auf fremde Hilfe im Alltag angewiesen sind. Die Anzahl der hilfsbedürftigen Menschen ohne Pflegegrad wurde von Eurostat im Jahr 2013 auf 5,4 Mio. Menschen beziffert. Geht man von einem Wachstum dieser Anzahl von 50 Prozent bis zum Jahr 2030 aus, so muss in 11 Jahren mit 8,1 Mio. hilfsbedürftigen- und 4,3 Mio. pflegebedürftigen Menschen gerechnet werden. Das bedeutet, dass jeder siebte Bundesbürger auf Unterstützung im Alltag angewiesen sein wird!

Im gleichen Zeitraum nimmt der intergenerationale Versorgungskoeffizient um 34 Prozentpunkte ab. Während 2014 noch 3,8 Menschen aus der Generation der 50- bis 64-Jährigen auf einen über 80-Jährigen kamen, sind es im Jahr 2030 nur noch 2,5 Menschen, die einen über 80-Jährigen statistisch gesehen versorgen könnten. Zudem prognostiziert die Friedrich-Ebert-Stiftung für das Jahr 2030 einen Fachkräftemangel von über 500.000 Vollzeitstellen in der Pflege.

Die Belastung für pflegende Angehörige wird sich zukünftig drastisch verschärfen

Es ist somit davon auszugehen, dass eine äußerst prekäre Versorgungssituation der älteren Menschen entsteht. Trotz der Unterversorgung wird es zu einer Kostenexplosion um 290 Prozent von € 25,4 Mrd. im Jahr 2014 auf € 74,2 Mrd. im Jahr 2030 kommen (siehe Bertelsmann Stiftung, Perspektive Pflege, 2019). Damit würden die Kosten sich binnen 15 Jahren verdreifachen, ohne dass die Gesundheitskosten für pflegende Angehörige einbezogen würden, da diese nicht gesondert erfasst werden. Dazu kommen noch betriebliche Folgekosten in Höhe von mindestens 36 Mrd. Euro, die den Arbeitgebern durch Präsentismus und Absentismus von pflegenden Arbeitnehmern entstehen.

Nachdem die Versorgungssicherheit im stationären Bereich vermutlich Vorrang genießen wird, werden die Pflegefachkräfte primär die dort entstehenden Lücken füllen müssen. Die Unterstützung durch Pflegefachkräfte im ambulanten Bereich wird auch aufgrund des Fachkräftemangels weiter sinken, so dass die Belastung der pflegenden Angehörigen dramatisch zunehmen wird.


deinNachbar e. V.  – Ehrenamtliche Helfer zur Unterstützung pflegender Angehöriger

Der gemeinnützige Verein deinNachbar e. V. hat es sich zum Ziel gesetzt, ein deutschlandweites soziales Unterstützungsnetzwerk mit geschulten ehrenamtlichen Helfern aufzubauen, um hilfsbedürftige Menschen qualifiziert und zuverlässig innerhalb von 24 Stunden zu versorgen. Alte und pflegebedürftige Menschen sollen in ihrem Zuhause bleiben können und pflegende Angehörige entlastet werden. Dafür hat der Verein einen interdisziplinären Ansatz aus Pflege, modernem Ehrenamt, reibungslos funktionierender Logistik und einem hohen Grad der Digitalisierung entwickelt und in der bayerischen Landeshauptstadt München bereits erfolgreich implementiert.

Helfen muss bereichern

Der erfahrene Logistiker und ehemalige Rettungssanitäter Thomas Oeben beschreibt seine Motivation zur Gründung dieses besonderen sozialen Netzwerkes: „Letztendlich können wir das große gesellschaftspolitische Problem, das der stetig wachsende Pflegebedarf uns beschert, nur lösen, wenn die Menschen wieder enger zusammenwachsen und sich jeder ein bisschen in die Gesellschaft einbringt. Aber eben nur mit den Tätigkeiten, die er gerne macht, zu den Zeiten, in denen er auch verfügbar ist und im gewünschten Einsatzgebiet. Die Kunst besteht darin, die Last auf viele verschiedene Schultern zu verteilen und so dafür zu sorgen, dass Helfen zu einer Bereicherung und keiner Belastung wird.

Gut geschulte Laienhelfer können entlasten

deinNachbar e.V. baut ein Netzwerk mit vielen ehrenamtlichen Helfern auf, die von Pflegefachkräften geschult und angeleitet werden. Vereinsgründer Oeben erläutert: „Wir können die stetig wachsende Zahl der Pflegebedürftigen in Zeiten des Fachkräftemangels nur dann menschenwürdig versorgen, wenn die Pflegefachkräfte sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren und die Ressourcen der pflegenden Angehörigen nicht länger überstrapaziert werden. Betreuungs- und Unterstützungsleistungen müssen wir daher gut geschulten Laienhelfern übertragen, die unter der Anleitung von Fachkräften die Versorgung in der Nachbarschaft sicherstellen.“

Digitales Helferportal – für effiziente Hilfeleistungen

Der Prozess beginnt mit dem Aufbau eines großen Netzwerks von potentiellen Helfern. In persönlichen Aufnahmegesprächen werden Stammdaten, Leistungsbereitschaft für unterschiedliche Dienstleistungen, Qualifikation, mögliche Einsatz-Zeitfenster sowie das gewünschte geografische Einsatzgebiet erfasst, sodass das Helferpotenzial gezielt und systemgestützt per App abgefragt werden kann. Die Helfer werden durch Pflegefachkräfte zu Alltagsbegleitern für die Betreuung Pflegebedürftiger und die Entlastung von deren Angehörigen geschult und angeleitet.

Thomas Oeben ergänzt: „ Die Digitalisierung nutzen wir nicht um der Digitalisierung willen, sondern um unsere internen Prozesse so effizient wie möglich zu gestalten und die Verfügbarkeitsabfragen so schnell wie möglich durchzuführen, damit die Menschen, die Hilfe benötigen, innerhalb kürzester Zeit versorgt werden.“ Im Aufnahmegespräch wird von jedem Helfer ein Profil angefertigt und im System hinterlegt. Dazu gehören Attribute, wie gewünschte Tätigkeiten, geografisches Einsatzgebiet, Qualifikationen, Interessen und Zeitfenster für mögliche Einsatzstunden. Nachdem die Fachkraft einen Hilfebedarf im System hinterlegt, sucht dieses automatisch nach geeigneten Helfern, die die angefragte Leistung in den benötigten Zeitfenstern und der gewünschten Region gerne erbringen würden und fragt deren Leistungsbereitschaft per App an. Auch können die Helfer in der App auf einem Stadtplan aktiv selbst nach Einsatzmöglichkeiten, auch außerhalb ihres Helferprofils, suchen und sich bewerben.

Der Koordinator hat jederzeit den Überblick über den Status jeder Hilfeanfrage und sucht aus den digitalen Zusagen der Helfer einen geeigneten aus, der die kompletten Auftragsdaten über die App erhält. Bei Ersteinsätzen werden die Helfer den Pflegebedürftigen durch die Fachkraft vorgestellt und für die zu erbringenden Tätigkeiten und krankheitsbedingte Besonderheiten angeleitet.

Passgenaue Paarung für ein gutes Miteinander

Die „Last“ der pflegenden Angehörigen wird so auf viele Schultern verteilt, wobei das System von deinNachbar e.V. dafür sorgt, dass das Engagement für den einzelnen Helfer nicht zur Last, sondern zur Bereicherung wird. Das wiederum erreicht der Verein, indem die Helfer nur passgenaue Einsatzanfragen per App bekommen, die diese digital zu- oder ablehnen können, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Die Verbindlichkeit der Versorgungsstruktur wird durch die Engmaschigkeit des Netzwerkes und die schnelle, digitale Helfersuche und Einsatzkoordination erreicht. Für Qualität bürgen die angestellten Pflegefachkräfte, welche die Pflegebedürftigen persönlich aufnehmen und den Bedarf evaluieren, pflegende Angehörige beraten und die ehrenamtlichen Helfer schulen und anleiten.

Ein FallbeispielEin Blick in den Kühlschrank zeigt, dass dringend eingekauft werden muss. Doch für Elfriede von der Soeren ist ein schneller Gang zum Supermarkt nicht möglich. Die Münchnerin hat nach einer schlecht verlaufenen Operation vor sechs Jahren fünf versteifte Lendenwirbel. Seither geht ohne Rollator nichts mehr. Für Erledigungen benötigt die 89-Jährige zusätzliche Unterstützung. Also greift sie zum Telefon und ruft den Verein Dein Nachbar e.V. an. Dieser vermittelt meist den von Frau von der Soeren präferierten Helfer Wolfgang Nowak, wenn dieser verfügbar ist. Der 69-jährige Rentner hilft ihr seit einem guten Jahr bei den Einkäufen, fährt sie zum Arzt oder zum Friseur – eine willkommene Beschäftigung. „Die Zeit vergeht nicht, wenn man nichts zu tun hat“, erzählt der ehemalige Verwaltungsangestellte. Darum hat er sich an „Dein Nachbar e. V.“ gewendet. Der Münchener Verein bringt Pflegebedürftige und Menschen, die helfen wollen über eine eigens entwickelte Software zusammen.


Pilotmodell soll Schule machen

Im Juli 2015 hat deinNachbar e. V. in München die ersten Räumlichkeiten bezogen, die als Koordinationsstelle, Schulungszentrum und soziale Begegnungsstätte dienen. Das Pilotstadium des sozialen Unterstützungsnetzwerks ist mit 300 geschulten und einigen unge-schulten Helfern, die zusammen aktuell mehr als 1.800 Betreuungsstunden pro Monat erbringen, abgeschlossen. Die Prozesse und die IT-Infrastruktur sind soweit ausgebaut, dass das Projekt jederzeit skaliert werden kann. Abhängig von der Anschubfinanzierung will deinNachbar e. V. eine Vielzahl weiterer Niederlassungen nach demselben Modell aufbauen. Erklärtes Ziel ist der Aufbau eines deutschlandweiten, flächendeckenden und qualitätsgesicherten Unterstützungsnetzwerks, das Hilfsbedürftige und Angehörige innerhalb von 24 Stunden verbindlich mit Unterstützungsleistungen versorgt. Dafür möchte der Verein auch mit anderen Organisationen kooperieren, die sich denselben Qualitätsmaßstäben verpflichten und steht diesen mit Schulungen, Logistik Know-How und IT-Kompetenz zur Seite.


Preisgekröntes Konzept

In Politik und Gesellschaft erfährt das zukunftweisende Modell von deinNachbar e.V. große Anerkennung und ist bereits mehrfach ausgezeichnet worden. So wurde der Verein von Bundesminister a.D. Wolfgang Clement im Januar 2019 mit dem Deutschen Exzellenz-Preis prämiert, erhielt den vdek-Zukunftspreis 2018 vom Verband der Ersatzkassen, den German Stevie Award 2017 als „Startup des Jahres“ und wurde von Bundespräsident Joachim Gauck im Rahmen der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ im September 2016 als zukunftsweisendes Projekt ausgezeichnet.  Der frühere Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe schrieb schon im Juni 2016: „Ich finde die Art und Weise wie hier Betreuungs- und Entlastungsleistungen organisiert und eingesetzt werden wirklich beeindruckend. […] Initiativen wie diese benötigen wir in Deutschland für eine starke und zukunftsfeste Pflege.“ 

Kontakt:

Thomas Oeben
Tel 089-960 40 400
info@deinnachbar.de
www.deinnachbar.de

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