Frühgeburt – Risikofaktoren rechtzeitig erkennen

In Deutschland kommen über 8 % aller Kinder vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt und zählen damit als Frühgeburt.1 Werden sie mehr als acht Wochen vor dem Termin oder mit einem sehr geringen Geburtsgewicht von unter 1500 g geboren, ist ihre Gesundheit besonders bedroht. Auf dem 30. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin im November beschäftigte sich ein Symposium mit den Möglichkeiten, der Gefahr vorzubeugen.

Weltweit ist die Frühgeburtlichkeit die häufigste Todesursache von Kindern unter fünf Jahren“, betonte Jürgen Lüthje vom Erich-Saling-Institut für Perinatale Medizin in Berlin. Komplikationen, die die Frühgeborenen gefährden würden, seien beispielsweise die periven­trikuläre Leukomalazie, die nekrotisierende Enterokolitis und das Atemnotsyndrom. Viele überlebende Frühgeborene würden unter lebenslangen Beeinträchtigungen wie Lernschwierigkeiten oder Seh- und Hörstörungen leiden.

„Störungen der vaginalen Mikrobiota und vaginale Infektionen sind für 40 % der spontanen Frühgeburten verantwortlich. Aber 50 % der betroffenen Schwangeren haben gar keine Symptome“, erklärte Lüthje. Deshalb sei ein systematisches Screening auf Störungen der vaginalen Mikrobiota und auf vaginale Infektionen in der Schwangerschaft erforderlich.

10–20 % der Schwangeren litten unter einer bakteriellen Vaginose, aber auch schon eine Intermediärflora erhöhe das Risiko von Frühgeburt und niedrigem Geburtsgewicht. Beides könne man mit dem Nugent-Score diagnostizieren. Dieser basiere auf der mikroskopischen Untersuchung gramgefärbter Vaginalabstriche und weise eine starke Korrelation mit dem vaginalen pH-Wert auf.2 „Schwangere sollten deshalb ihren vaginalen pH-Wert zweimal wöchentlich selbst messen (normal im Introitus ≤ 4,4) und bei einer Erhöhung die Ursache ärztlich abklären lassen. Am besten sollten sie damit schon vor der Schwangerschaft beginnen“, betonte er und riet zu einer Therapie von bakterieller Vaginose und Intermediärflora mit Clindamycin, gefolgt von lokaler Anwendung probiotischer Laktobazillus-Stämme oder eines Milchsäurepräparats.

Hebammenbetreuung senkt den Stress

Bei asymptomatischen Schwangeren gelte es, frühzeitig die Risikofaktoren für eine Frühgeburt zu erkennen und zu kontrollieren, betonte auch Dr. Sabine Striebich vom Universitätsklinikum Halle/Saale. Laut der S2k-Leitlinien von 20191 gehören z. B. die Zervixlängenmessung sowie die Gabe von Progesteron (oral/vaginal), Pessare und die Zerklage zu möglichen Maßnahmen.
Dr. Striebig stellte eine von ihr durchgeführte Auswertung aktueller Übersichtsarbeiten zur Prävention von Frühgeburten bei symptomlosen Schwangeren vor, die untersucht hatten, für welche der verwendeten Maßnahmen eine hohe Evidenzqualität besteht. Es habe sich gezeigt, so die Ärztin, dass die etablierten Strategien wie die Behandlung vaginaler Infektionen, Lebensstiländerungen bei Gestationsdiabetes und Zerklage wirksam seien.

„Neu ist, dass (Mikro-)Nährstoffe, wie Kalzium, LC-PUFA und Zink, möglicherweise eine wichtige präventive Bedeutung haben, da sie Stoffwechsel, Wachstum und Entzündungsprozesse beeinflussen“, erklärte sie. Ebenso könne eine kontinuierliche Hebammenbetreuung für alle Schwangeren sowie eine soziale Unterstützung bei besonderer Belastung durch eine Verringerung des psychischen und sozialen Stresses zur Vorbeugung von Frühgeburten beitragen.

Risikofaktor Konisation

Prof. Dr. Johannes Stubert von der Universitätsfrauenklinik und Poliklinik Rostock stellte eine unizentrische, retrospektive Kohortenstudie zum Frühgeburtsrisiko nach Zervixdysplasie in Abhängigkeit von der therapeutischen Intervention vor.3 Untersucht wurden Geburten, bei denen die Mutter zuvor eine Konisation erhalten hatte. Als Verfahren wuden dabei Large Loop Excision of the Transformation Zone (LLETZ) ± Laserablation (LA) versus alleinige Laserablation angewendet.

Das Ergebnis: Die modernen gewebeschonenden Konisationsverfahren verursachten im Vergleich zur alleinigen Laserablation kein erhöhtes Frühgeburtsrisiko. Allerdings waren wiederholte Zervixinterventionen und ein jüngeres Alter (< 30 Jahre) der Mütter mit einem erhöhten Frühgeburtsrisiko verbunden. Vermutlich, so Prof. Stubert, seien prädisponierende Faktoren für die Entwicklung und Persistenz einer Zervixdysplasie wie chronische Inflammation oder gestörte Immunität von größerer Bedeutung für das Frühgeburtsrisiko als das gewählte Konisationsverfahren.

Katrin Breitenborn

Literatur:

1 S2k-Leitlinie „Prävention und Therapie der Frühgeburt“, www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-025.html
2 Ravel J et al. Proc Natl Acad Sci USA 2011;108 Suppl 1:4680–7
3 Stratmann E et al. Z Geburtshilfe Neonatol 2021; 225(S 01): e21

Quelle: Symposium „Wie verhindern wir Frühgeburten?“ auf dem 30. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin, digital am 26.11.2021.

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