Konsequenter Beckenbodenschutz prä-, intra- und postpartal

Was bei werdenden Müttern beachtet werden sollte, um Beckenbodenschäden vorzubeugen bzw. optimal zu behandeln, erläuterte PD Dr. med. Gert Naumann, Helios Klinikum Erfurt, auf dem FOKO 2021.

Schwangerschaft und Entbindung haben einen nachweislichen Einfluss auf Beckenbodenintegrität und Beckenbodenfunktionen. Bei der Entbindung werden in der Austreibungsperiode die Muskeln des Beckenbodens bis um das 3,3-fache gedehnt. Diese hohe Belastung kann zu langfristigen Schäden führen. Laut Naumann, sollten Frauen daher dementsprechend aufgeklärt und frühzeitig eine optimale Behandlung angestrebt werden.

Sectio als „schonende“ Alternative?

Viele Studien zeigen, dass ein Kaiserschnitt im Vergleich zu einer vaginalen Geburt das Risiko für eine Urininkontinenz oder einen Prolaps senken kann. Allerdings kann sich eine Sectio auch negativ auf die kindliche Gesundheit auswirken. So zeigen Kaiserschnittkinder u. a. ein erhöhtes Risiko für Asthma oder Adipositas.2 Zudem zeigten laut Naumann viele Studien zum Zusammenhang von Geburtsmodus und Beckenbodenstörungen vielfältige und zum Teil auch widersprüchliche Daten im Vergleich. Diese seien auch in Anbetracht von assoziierten Faktoren, wie z. B. wiederholten Kaiserschnitten, schlecht auszuwerten. „Viele Arbeitsgruppen Schlussfolgern daher, dass es unwahrscheinlich sei, dass die elektive Sectio eine effektive Präventionsstrategie für die meisten Frauen darstellt“, so Naumann.

Gute Risikoabschätzung

Es sei wichtig, bereits präpartal Beckenbodenschäden zu vermeiden. „Dazu brauchen wir eine exakte Risikoabschätzung“, so Naumann. Dazu sollte überprüft werden, ob bereits schon relevante Beckenbodenstörungen vor einer Schwangerschaft vorliegen. Außerdem sollten die Möglichkeiten für eine vaginale Entbindung überprüft und eine erweiterte Indikation zur Sectio nur bei Beckenbodenproblemen als Einzelfallentscheidung gestellt werden. Zudem legte er seinen Kollegen den Internetrechner UR-CHOICE ans Herz, mit dem sich das individuelle Risiko für Beckenbodenschäden einer werdenden Mutter anhand der Eingabe verschiedener Risikopara­meter bestimmen lässt (►https://riskcalc.org/UR_CHOICE).

Prä- und intrapartale Möglichkeiten

Ergibt sich ein erhöhtes Risiko, dann „reicht keine einfache Rückbildungsgymnastik“, betonte Naumann. Frühzeitiges Handeln sei hier extrem wichtig. Präpartale Möglichkeiten zur Beckenbodenprotektion sind z. B. Dammmassage, Phytotherapie und Beckenbodentraining bereits in der Schwangerschaft.

Zu den intrapartalen Möglichkeiten zählen Dammschutz, warme Kompressen, aufrechte Gebärposition, Pressdrang folgen statt Power-Pressen, restriktiver Einsatz von Episiotomie und vaginal-operativen Entbindungen, PDA, Wasserentbindung und exakte Versorgung aller geburtshilflichen Läsionen. „Extrem wichtig ist die kompetente gemeinsame Führung durch Arzt und Hebamme“, so Naumann.

Postpartale Möglichkeiten

„Wir müssen aufhören das Feld den Hebammen zu übergeben“, sagte Naumann. Postpartal sei eine frühzeitige interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Hebammen, Physiotherapeuten und niedergelassenen Gynäkologen nötig. Wichtig sei u. a. eine Beckenbodenrehabilitation unmittelbar nach der Entbindung, die Versorgung der Rectusdiastase, die lokale Östrogenisierung in der Stillphase und Unterstützung durch vaginale und anale Hilfsmittel.

Fazit Selbstbestimmung der Frau ist vorrangig

Die aktuelle Datenlage erlaubt keine Befürwortung der elektiven Sectio

Schwangere frühzeitig und ausführlich über medizinische Aspekte der Entbindung aufklären

Argumente für vaginale Entbindung unter hoher Sicherheit Prä-, intra- und postpartal

alle konservativen Möglichkeiten zu Becken­bodenprotektion einsetzen

Noch konsequenter und frühzeitiger in postpartale Rehabilitation einsteigen (z. B. lokale Östrogenisierung, Pessartherapie, Behandlunung von Funktionsstörungen)

Pessare als effektives Mittel

Laut Naumann sei die Verwendung von Pessaren besonders effektiv bei der Behandlung von Beckenbodenproblemen. „Der Beckenboden braucht in den ersten Monaten eine passive Hilfe, damit es zu keinen weiteren Senkungen kommt und sich diese Organstrukturen wieder konsolidieren können.“ Hierfür sei ein Pessar ideal, das ca. 8 Wochen nach der Entbindung verwendet werden könne. Er stellte dazu die laufende Studie BREST (Beckenboden-­Rehabilitations-Studie) von Dr. Rainer Lange, Worms, vor. Erste Daten an knapp 500 Schwangeren zeigen vielversprechende Ergebnisse für Pessare im Vergleich zu Rückbildungsgymnastik und Physiotherapie. „Das bloße Einlegen eines adäquaten Pessars führt zu einer sofortigen 90 %igen Reduktion der Harninkontinenz“, so Naumann zu den ersten Ergebnissen.

Die alleinige Arbeit der Hebammen sei oft nicht ausreichend. Beckenbodenprotektion gehöre auch in die Hand des Frauenarztes, so das Fazit von Naumann.

 

 

dal

Quelle: „Geburtsplanung, Geburtsleitung und postpartale Rehabilitation für den Beckenboden aus Sicht des Urogynäkologen“, Gert Naumann, FOKO, 06.03.2021.

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