Ein zweites Leben – Rostocker Ärzte bringen „stehendes“ Herz eines 38-Jährigen wieder zum Schlagen

Durch den Einsatz modernster Medizintechnik der Universitätsmedizin Rostock konnte das Herz eines 38-jährigen Rostockers nach einem Herzstillstand ohne Folgeschäden wieder zum Schlagen gebracht werden.

Es ist der letzte Januartag 2022. Gemeinsam mit einem Kollegen ist der 38-jährige Kranmonteur in 36 Metern Höhe auf den Turm eines Krans gestiegen. Plötzlich spürt er einen stechenden Schmerz in der Brust. Sein Gesicht verfärbt sich aschgrau. Auf der Stirn werden Schweißperlen sichtbar. Sein Kollege fragt, ob alles in Ordnung sei. „Es geht gleich wieder“, sagt der Rostocker. Und erzählt, dass er vor drei Tagen schon einmal ähnliche Symptome hatte. Dachte an Verspannungen. Der Kollege erkennt, dass er sofort dringend Hilfe braucht und fragt ihn noch schnell, ob er die zehn Meter Abstieg bis ins Kran-Plateau alleine schafft. Das gelingt. Der Kollege ruft den Notdienst.

Schnell sind die Höhenretter der Rostocker Feuerwehr mit einer Spezialausrüstung vor Ort und bringen den Mann mit dem Rettungswagen ins Herzzentrum der Universitätsmedizin Rostock. Hier erkennen die handelnden Ärztinnen und Ärzte sofort den Ernst der Lage. Der Patient ist in einem extrem schlechten Zustand – ein kardiologischer Schock: kreideweis, mit niedrigem Blutdruck und klassischen Veränderungen im EKG, nicht ansprechbar.

Dem Tod näher als dem Leben

„Bei dem Patienten zeigte sich bei der Untersuchung im Herzkatheter-Labor, dass der so genannte Hauptstamm, also das Gefäß, das in der Regel 75 Prozent der Herzmuskulatur mit Blut versorgt, verschlossen war“, sagt Professor Alper Öner, der gemeinsam mit Professor Hüseyin Ince das Herzzentrum der Rostocker Unimedizin leitet.

Für die beiden Experten, die im Fachgebiet der Herzmedizin international einen Namen haben, grenzt es an ein Wunder, den Patienten überhaupt lebend im Krankenhaus zu empfangen. „Patienten mit diesem Befund sind meist schon vor Ort tot“, sagt Professor Ince. Selbst diejenigen, die mit diesem Befund noch im Krankenhaus aufgenommen werden, hätten eine extrem niedrige Überlebenschance. „Das liegt daran, dass das Herz ein Muskel ist, der auf permanente sauerstoffreiche Blutzufuhr angewiesen ist“, betont Professor Öner, der bei der Behandlung Regie führte. „Bei einem Hauptstammverschluss wie in diesem Fall ist man dem Tod näher als dem Leben“.

Unbestechlich signalisierte der Ultraschall den Ärzten, dass das Herz des 38-Jährigen „stand“ und somit das Leben des Familienvaters von drei Kindern noch weniger als am seidenen Faden hing. Denn, der Befund bedeutete auch, dass kaum noch Blut in den Kreislauf gepumpt werden konnte. Allen beteiligten Spezialisten um Oberarzt Stephan Valenta war klar, dass sich, selbst wenn mit Hilfe eines Stents das Gefäß geöffnet werden würde, das Herz nicht erholen, sprich: pumpen, würde.

Technik hilft heilen

Für Professor Öner gibt es in solchen Grenzsituationen nur die Devise: „Alles was möglich ist, tun. Technik hilft heilen“. Die Technik, die hier hilft, sind Herz-Lungen-Maschinen. Diese verwenden Herzchirurgen für die offene Herz-OP: Mit Hilfe von großen Schläuchen, im Durchmesser zwei Zentimeter, wird das Blut aus dem Körper gezogen, mit Sauerstoff angereichert und wieder in den Körper zurückgeführt.

Doch diese Maschine alleine hätte dem Patienten nicht das Leben gerettet, „weil sie nicht die Eigenschaft hat, das angegriffene Herz zu entlasten“, erklärt Professor Öner. Da konnte nur eine weitere Maschine, die so genannte Impella, unterstützen. Diese minimalinvasive, temporäre Herzpumpe arbeitet mit Echtzeit-Intelligenz und ermöglicht eine bessere Erholung des Herzens. Sie schafft es, zwei bis dreieinhalb Liter Blut in der Minute zu pumpen und reduziert dadurch die Last, die das Herz sonst bewältigen muss. Denn wichtig ist, dass die Heilungskräfte des Körpers, die nötige Zeit bekommen, um aktiviert zu werden. „Hier geht es um Sekunden, Minuten, oft aber auch Stunden, die für die körpereigenen Heilungskräfte benötigt werden“, verdeutlicht Professor Öner.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit rettet Leben

Das Implantieren dieser Technik durch Kardiologen ist das eine; das andere das Führen und Bedienen der lebensrettenden Maschinen, das einen sehr hohen Spezialisierungsgrad der beteiligten Teams voraussetzt. Beispielsweise von der Anästhesiologie und Intensivtherapie um Professor Daniel Reuter sowie der Abteilung für Pneumologie mit Professor Johann Christian Virchow an der Spitze und Professor Pascal Dohmen aus der Herzchirurgie.

Und genau das sei es, was die Unimedizin in Rostock auszeichne, die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Fachbereiche, unterstreicht der Dekan der Medizinischen Fakultät, Professor Emil Reisinger. „Wir setzen in Rostock auf den Schwerpunkt Medizintechnik und forschen gemeinsam mit den technischen Fakultäten der Universität Rostock an Neuentwicklungen hochtechnischer Geräte, die den Patienten zugutekommen“.

Die Professoren Ince und Öner danken dem Vorstand, dass beide Herzmaschinen in ihrem Herzzentrum verfügbar sind. Denn: Die Kosten sind hoch und werden oft nicht durch das Vergütungssystem der Krankenkassen vollständig abgedeckt.

Hören Sie auf Ihr Herz!

Gegenwärtig befindet sich der Patient in der Reha, er fühle sich gut, könne kurze Strecken gehen und Treppen steigen. Die Ehefrau des Patienten ist sich sicher: „Die Technik funktioniert nur, wenn großartige Menschen dahinterstehen.“ Sie sei dem Herzzentrum der Universitätsmedizin Rostock unendlich dankbar für die großartige Leistung, die ihrem Mann ein zweites Leben ermögliche. Besonders glücklich sei sie, dass er keine geistigen Schäden davongetragen habe. Und er habe einen anderen Lebensstil anvisiert, er wolle nicht mehr rauchen und sich in Zukunft gesünder ernähren.

Dass sich das Herz des Patienten gut erholt habe, „grenzt fast an ein Wunder“, betont Professor Ince und zeigt sich, wie er sagt, „ein bisschen stolz“ auf das, was das Rostocker Herzzentrum geleistet habe. „Der Patient hat keinen Herzschaden genommen. Weder beim Sport, noch beim Arbeiten oder Feiern wird er eingeschränkt sein.“ Die Krankheit werde ihn zwar begleiten, „aber wir halten sie in Schach“, sind sich die Professoren Öner und Ince einig. Ihre Botschaft an ihn: „Hören Sie auf Ihr Herz!“

Uni-Rektor Professor Wolfgang Schareck, selbst Mediziner, sagt: „Dank und Glückwunsch diesem Team und dem Patienten alles erdenklich Gute!“ Der Wissenschafts- und Forschungsschwerpunkt der beiden Rostocker Kardiologen Professor Öner und Ince in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Implantat-Technologie und Biomaterialien, geführt durch Professor Klaus-Peter Schmitz, liegt auf dem Gebiet der Medizintechnik. Die wunderbare Lebensrettung eines jungen Familienvaters, bei dem es gelang, mit spezialisierter ärztlicher Notfallversorgung und dem Einsatz modernster Medizintechnik ein Herz ohne bleibende Schäden wieder zum Schlagen zu bringen, zeigt, dass der beschrittene Weg der richtige ist.

Quelle: Universität Rostock

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