Senioren vor COVID-19 schützen – Junge infizieren: Ein gefährlicher Irrweg

Mehr und mehr werden in der Öffentlichkeit Forderungen laut, die öffentlichen Beschränkungen zur Eindämmung der SARS-CoV-2 Epidemie rasch aufzuheben, damit wieder ein normales Sozial- und Wirtschaftsleben beginnen kann. Dabei wird häufig eine Strategie der „kontrollierten Durchseuchung“ bestimmter Altersgruppen, beispielsweise der unter 60-Jährigen, vorgeschlagen, um hiermit eine Herdenimmunität zu erzeugen, während für ältere Menschen die Restriktionen aufrechterhalten werden sollen. Als Begründung dient hierbei zum einen die relativ niedrige Sterblichkeit von jüngeren Menschen durch COVID-19. Zum anderen wird die rasche Erzeugung einer Herdenimmunität als notwendige Voraussetzung für die Kontrolle der Epidemie angeführt. Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) spricht sich entschieden gegen ein solches Vorgehen aus.

Die Idee der sogenannten „kontrollierten Durchseuchung“ kritisiert Professor Dr. med. Bernd Salzberger, Präsident der DGI, scharf: „Es gibt überhaupt keinen Präzedenzfall für das Funktionieren einer „kontrollierten Durchseuchung“. Wenn das Virus breit in der (jüngeren) Bevölkerung zirkuliert, muss man damit rechnen, dass die Infektionen bei Jüngeren in einer Art ‚spillover-Effekt‘ auch auf andere Altersgruppen übertragen werden – mit dramatischen Konsequenzen“, so Salzberger. Ein wirksamer Schutz der besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen – neben älteren Menschen solche mit schweren Grunderkrankungen – sei mit dieser Strategie nicht zu gewährleisten.

Die Zahl der Todesopfer unter jüngeren Menschen wäre gewaltig

Aber nicht nur für die bekannten Risikogruppen wäre diese Strategie fatal. Auch wenn die Sterblichkeit von COVID-19 bei älteren Menschen deutlich höher ist, wäre die Zahl der Todesfälle bei ungebremster Ausbreitung unter jüngeren Menschen gewaltig. „Wir müssten mit deutlich über 100.000 Toten allein bei den unter 60-Jährigen rechnen – das lässt sich aus den Daten, die uns zu dieser Infektion vorliegen, ableiten“, so Professor Dr. med. Gerd Fätkenheuer, Vorstandsmitglied der DGI.

Statt sich auf ein solches Szenario mit absehbar katastrophalen Folgen einzulassen, plädiert die DGI weiterhin für eine Verlangsamung des Infektionsgeschehens in allen Altersgruppen. Dazu empfiehlt die Fachgesellschaft eine Strategie der Überwachung und Kontrolle der Infektion. Dringend notwendig sind hierfür ein Ausbau der Testkapazitäten sowie die Isolation positiv getesteter Personen. Dazu müssen alle Maßnahmen ergriffen werden, die bei der Kontrolle der Epidemie helfen können. Hierzu gehören sowohl das Smartphone-Tracking per COVID-19-App wie auch das Tragen von Gesichtsmasken, wenn die Möglichkeit eines direkten Personenkontaktes besteht. „Der Mund-Nasen-Schutz schützt einen Gesunden nicht davor, die Infektion zu bekommen. Er kann jedoch helfen, dass ein Infizierter die Viren nicht per Tröpfcheninfektion an andere weitergibt. Mit steigenden Infektionszahlen kann das Tragen von Mund-Nasen-Schutz in der Bevölkerung also ein wichtiger Teil einer Gesamtstrategie sein“, so Salzberger. Hier sollte bevorzugt auf selbstgemachte Masken zurückgegriffen werden, um dem Gesundheitssystem die dringend benötigte medizinische Ausrüstung nicht vorzuenthalten.

 

Literatur:
R. Verity et al., 2020 Mar 30. pii: S1473-3099(20)30243-7. doi: 10.1016/S1473-3099(20)30243-7., https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=verity+covid

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI)

Stand: 06.04.2020

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