Das Restless-Legs-Syndrom – Teil 3: Therapieoptionen

Behandlungsmöglichkeiten des RLS – was kann man tun? Milde RLS-Symptome können mittels Bewegung oder Ablenkung gemildert werden. Eine medikamentöse Behandlung ist angezeigt, wenn die klinische Symptomatik mit einem erheblichen Leidensdruck einhergeht.

Die meisten Patienten können ihre Beschwerden durch Bewegung lindern. Nun ist es unmöglich, ständig in Bewegung zu bleiben. Gerade die durch hartnäckige Schlafstörungen erschöpften und verzweifelten Patienten sehnen sich nach einer Zeit der Ruhe und Entspannung. Milde RLS-Symptome können reduziert werden durch Ablenkung mit z. B. Konzentrationsspielen, durch Massagen oder ein heißes Bad. Viele Betroffene berichten auch über Linderung durch kaltes Abduschen der Beine oder eiskalte Fußwickel oder Bürsten der Beine.


Medikamentöse Behandlung

Eine medikamentöse Behandlung ist angezeigt, wenn die klinische Symptomatik mit einem erheblichen Leidensdruck einhergeht, zum Beispiel die üblichen Aktivitäten des Alltags und das Sozialleben beeinträchtigt sind und von einem chronischen Schlafmangel gesprochen werden muss. Gute Anhaltspunkte ergeben sich aus der Schweregradskala IRLS (International Restless Legs Scale), ein entsprechender deutschsprachiger Beurteilungsbogen mit 10 zu beantwortenden Fragen ist – wie auch der RLS-Diagnose-Index – in der DGN-Leitlinie zum Restless Legs Syndrom verfügbar.


RLS-verstärkende Faktoren

Bevor eine medikamentöse Behandlung eingeleitet wird, sollte man die Patienten auf Faktoren hinweisen, von denen aus klinischer Erfahrung bekannt ist, dass sie RLS-Symptome verstärken können. Solche Faktoren sollten möglichst vermieden werden:

  • Genuss koffeinhaltiger und alkoholischer Getränke,
  • Stress,
  • Schichtarbeit,
  • starke körperliche Aktivität vor dem Zubettgehen.

Teil der Beratung ist zudem die Klärung der aktuellen ­Medikation, weil eine Reihe von Substanzen RLS-Symptome verschlechtern oder auslösen können (siehe Diagnostik). Gegebenenfalls müssen Medikamente abgesetzt werden. Das Absetzen von Antidepressiva wird allerdings nur dann empfohlen, wenn ein zeitlicher Zusammenhang mit dem RLS gesichert und die Behandlung mit dem jeweiligen Antidepressivum nicht mehr notwendig ist.10

Liegt ein sekundäres (symptomatisches, komorbides) RLS aufgrund einer Grunderkrankung vor, sollte diese zuerst behandelt werden, was in vielen Fällen bereits zu einer Linderung der Beschwerden führt.

Erste Wahl bei der medikamentösen Therapie sind dopaminerge Substanzen. Die Behandlung erfolgt je nach Beschwerdebild entweder intermittierend oder kontinuierlich.

Die Auswahl zwischen L-Dopa und Dopaminagonisten wird bestimmt

  • von der Schwere der Symptomatik,
  • der zeitlichen Verteilung der Beschwerden sowie
  • vorbestehenden medika­mentösen Nebenwirkungen.

So ist für Patienten mit leichtem oder intermittierendem RLS und einem IRLS-Score von unter 15 Punkten gegebenenfalls die Behandlung mit L-Dopa/Benserazid in Standard- oder Retardform angezeigt.

In der Regel jedoch ist nur das klinisch relevante RLS (mäßige-­schwere Ausprägung, fast tägliches Auftreten, subjektiver Leidensdruck) behandlungsbedürftig, sodass die Initialbehandlung mit Dopaminagonisten erfolgen kann. In jedem Fall sollte bei einer Initial­behandlung mit L-Dopa auf Dopaminagonisten umgestellt werden, wenn der L-Dopa-Tagesbedarf 200–300 mg übersteigt.10

Die Einstellung der Medikation und Dosis ist für jeden Patienten individuell zu optimieren. Momentan (Stand August 2018) sind in Deutschland neben L-Dopa drei Dopaminagonisten zugelassen sowie ein Opioid (Oxycodon/Naloxon) (Tab. 5). Üblicherweise werden Dopaminagonisten einmal täglich dosiert, die praktische Erfahrung zeigt jedoch, dass es sinnvoll sein kann, die abendliche Dosis zu splitten auf eine Dosis am späten Nachmittag und eine vor dem Zubettgehen.

 

In der klinischen Praxis kommt auch eine Kombinationstherapie aus L-Dopa und Dopaminagonisten oder Dopamin­agonisten und Opioiden recht häufig zum Einsatz, wenn eine Monotherapie mit einer Substanz keine ausreichende Wirkung oder Nebenwirkungen zeigt. ­Studien hierzu liegen nicht vor. Alternativ werden auch Dopaminagonisten in Kombination mit Gabapentin oder Pregabalin verabreicht, beide Substanzen sind jedoch in Deutschland nicht für die Therapie des RLS zugelassen. Sie können jedoch z.B. bei therapieresistentem RLS mit schmerzhaften Missempfindungen bei begleitender Polyneuropathie oder bei V. a. Augmentation besonders hilfreich sein.

Kurz- bis mittellang wirksame Benzodiazepinrezeptoragonisten können in Einzelfällen in Kombinationstherapie kurzzeitig indiziert sein, insbesondere bei persistierenden Schlafstörungen.


Therapiekomplikationen

    Die Augmentation gilt als ­wichtigste und schwerwiegendste Komplikation insbesondere dopaminerger Therapien. Sie wurde zahlreich für L-Dopa, aber auch für Dopaminagonisten beschrieben. Neuere Definitionskriterien wurden 2007 publiziert.19 Augmentation bezeichnet einen früheren Beginn der Symptomatik im 24-Stunden-Verlauf, ein schnelleres Einsetzen der Beschwerden, wenn sich die Patienten in Ruhe befinden und/oder ein Ausdehnen der Beschwerden auf andere Körperbereiche unter stabiler Therapie. Eine Wiederzunahme der Intensität der Beschwerden gilt als weiteres Symptom der Augmentation, kann aber auch ein Nachlassen der Wirksamkeit der aktuellen Dosierung des verabreichten Medikaments sein (Toleranz). Typisch ist auch die paradoxe Zunahme der Beschwerden bei Dosiserhöhung der dopaminergen Therapie. In der täglichen Praxis können vier einfache Screening-Fragen helfen:

    • Treten RLS-Beschwerden früher am Tage auf als vor Beginn der Therapie?
    • Sind höhere Dosierungen nötig oder müssen die Medikamente früher eingenommen werden?
    • Hat die Intensität der Beschwerden zugenommen seit Beginn der Behandlung?
    • Haben sich die Symptome auf andere Körperteile ausgedehnt (z. B. Arme)?

    Um eine Augmentation zu vermeiden, ist grundsätzlich eine zurückhaltende Dosierung dopaminerger Substanzen zu empfehlen; die zugelassene Maximaldosis sollte keinesfalls überschritten werden (Tab. 6). Für L-Dopa sollte daher eine Maximaldosis von 200–300 mg/d nicht überschritten werden. Auch für Dopaminagonisten empfiehlt sich eine möglichst geringe Dosierung sowie eine nur langsame Dosissteigerung. Ein niedriger Eisenspiegel bzw. ein niedriges Ferritin sind bekannte Risikofaktoren für die Auslösung oder die Verstärkung eines RLS sowie die Entwicklung einer Augmentation.20 Um das Risiko für eine Augmentation gering zu halten, sind daher regelmäßige Kontrollen des Serum-Ferritin-Spiegels und ggf. eine Eisensubstitution sinnvoll.

    Wurde eine Augmentation diagnostiziert, so stehen therapeutisch mehrere Möglichkeiten zur Verfügung (Tab. 7).

    Ist die Augmentation unter L-Dopa aufgetreten, so empfiehlt es sich, L-Dopa abzusetzen und eine Therapie mit einem Dopaminagonisten zu beginnen. Tritt die Augmentation unter einem Dopaminagonisten auf, so kann zuerst ein Splitten der täglichen Dosis versucht werden. Auch die Umstellung auf einen längerwirksamen Dopaminagonisten (z. B. Rotigotin-Pflaster), um gleichmäßigere Wirkstoffspiegel zu erreichen, kann erfolgreich sein.

    Sollten diese Maßnahmen nicht zu einer Besserung der Symptomatik führen, so kann eine Kombinationstherapie eines Dopaminagonisten (möglichst niedrigdosiert) mit einem Opiat (Oxycodon/Naloxon) oder mit Pregabalin oder Gabapentin (off label) erwogen werden.

    Bei voller Ausprägung einer Augmentation mit massiven Tagesbeschwerden, massiver Unruhe und schwerer Beeinträchtigung der Lebensqualität der Patienten, ist ein vollständiges Absetzen der Medikation und eine Therapiepause von erfahrungsgemäß mindestens drei Tagen notwendig.

    Da der Augmentation wohl eine dopaminerge Überstimulation zugrunde liegt, ist es in vielen Fällen erforderlich, die dopaminerge Medikation vorübergehend so rasch wie möglich auszuschleichen (bei höheren Dosierungen) bzw. sofort ganz abzusetzen. In diesem Fall empfiehlt sich eine begleitende supportive Therapie mit Opiaten und in der Regel eine neurologische Mitbehandlung.

     

    Lesen Sie hier "Das Restless-Legs-Syndrom – Teil 1: Definition und diagnostische Kriterien"

    Lesen Sie hier "Das Restless-Legs-Syndrom – Teil 2: Symptomatik und Diagnostik"


    1 Berger K, Kurth T. RLS epidemiology--frequencies, risk factors and methods in population studies. Mov Disord 2007; 22 Suppl 18: S420-S423
    2 Allen RP, Walters AS, Montplaisir J et al. Restless legs syndrome prevalence and impact: REST general population study. Arch Intern Med 2005; 165: 1286-1292
    3 Abetz et al, Clin Ther2004, 26:925-35
    4 Allen RP et al, ArchInternMed 2005, 165:1286-1292)
    5 Benes H, Walters AS, Allen RP et al. Definition of restless legs syndrome, how to diagnose it, and how to differentiate it from RLS mimics. Mov Disord 2007; 22 Suppl 18: S401-S408
    6 (S1-Leitlinie Restless Legs Syndrom (RLS) und Periodic Movement Disorder (PLMD) der Deutschen Gesellschaft für Neurologie; Stand September 2012, AWMF-Registriernummer 030/081)
    7 Allen RP, Picchietti D, Hening WA, Trenkwalder C, Walters AS, Montplaisir J. Restless legs syndrome: diagnostic criteria, special considerations, and epidemiology. A report from the restless legs syndrome diagnosis and epidemiology workshop at the National Institutes of Health. Sleep Med 2003;4:101-19.
    8 International Restless Legs Syndrome Study Group (IRLSSG). 2011 Revised IRLSSG Diagnostic Criteria for RLS. 2011 [cited 2013 June 13 2013]; Available from: irlssg.org/diagnostic-criteria/
    9 Stiasny-Kolster K, Kohnen R, Moller JC et al. Validation of the „L-DOPA test“ for diagnosis of restless legs syndrome. Mov Disord 2006; 21: 1333-1339
    10 S1-Leitlinie Restless-Legs-Syndrom (RLS) und Periodic Limb Movement Disorder (PLMD) der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Stand: September 2012; AWMF-Registernummer 030/081
    11 Hening W et al., Sleep Medicine 2004, 5: 237–246
    12 Wellbery CE. Getting the facts on restless legs. Am Fam Physician 2000; 62: 51-52
    13 Honryak, M et al: Depressive Erkrankungen beim Restless Legs Syndrom, Nervenarzt 2009 · 80:1160–1168
    14 Dauvilliers,Y. and Winkelmann J Restless Legs Syndrom: update on pathogenesis; Curr Opin Pulm Med 2013, 19:594-600
    15 Hornyak M, Kotterba A, Trenkwalder C, and members of the study group “ motor disorders” of the German Sleep Society Indications for performing polysomnography in the diagnosis and treatment of restless legs syndrome. Somnologie 2001;5:159 – 162.
    16 Walters AS, Rye DB. Review of the relationship of restless legs syndrome and periodic limb movements in sleep to hypertension, heart disease, and stroke. Sleep. 2009;32(5):589-597
    17 Benes H, Kohnen R. Validation of an algorithm for the diagnosis of Restless Legs Syndrome: The Restless Legs Syndrome-Diagnostic Index (RLS-DI). Sleep Med 2009; 10: 515-523
    18 Garcia-Borreguero et al., BMC Neurology 2011, 11: 28
    19 Garcia-Borreguero D et al. Diagnostic standards for dopaminergic augmentation of restless legs syndrome: report from a world association of sleep medicine – international restless legs syndrome study group consensus conference at the Max Planck Institute. Sleep Med 2007a;8:520– 530.
    20 Trenkwalder C, Hogl B, Benes H et al. Augmentation in restless legs syndrome is associated with low ferritin. Sleep Med 2008; 9: 572–574
    21 Garcia-Borreguero D et al Guidelines for the first-line treatment of restless legs syndrom, prevention and treatment of dopaminergic augmentation: a combined task force of the IRLSSG, EURLSSG and the RLS-Foundation. Sleep Med 2016; 21:1-11

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    Priv.-Doz. Dr. med. Heike Benes

    Schlaflabor Schwerin und Medical Center
    Universität Rostock

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