Nahrungsergänzungsmittel während der Krebstherapie: Es braucht mehr Bewusstsein für mögliche Wechselwirkungen

Derzeit gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass sich die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und Supplementen während einer Krebsbehandlung positiv auf den Therapieverlauf auswirkt. Im Gegenteil: In der Literatur finden sich Hinweise auf Wechselwirkungen und eine reduzierte Lebenserwartung.

Zitierweise: HAUT 2023;34(1):21.

Mehr als 19 Millionen Menschen weltweit erkrankten allein 2020 an Krebs. Zehn Millionen Menschen starben im selben Jahr da­ran. Durch Früherkennung und effektive Behandlungsmethoden lassen sich viele Krebsarten inzwischen gut behandeln.

Doch die Therapien haben Nebenwirkungen. In der Hoffnung, diese lindern zu können, nutzen viele Krebspatientinnen und-patienten eigenverantwortlich komplementäre und alternative Medizin. Ihre Informationen beziehen sie häufig aus dem Internet. Insbesondere Supplemente wie bestimmte Nahrungsergänzungsmittel – Vitamine, Mineralien, Antioxi­danzien – sind weit verbreitet.

37 Studien mit jeweils mehr als 1.000 Probanden

Wie häufig nehmen Krebspatientinnen und -patienten solche Supplemente ein? Und lassen sich Hinweise finden, dass die Einnahme von bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln herkömmliche Krebstherapien beeinflussen könnte? Das haben Prof. Marc Birringer und Paula Krejbich aus dem Fachbereich Oecotrophologie der Hochschule Fulda durch eine systematische Literaturrecherche untersucht. Sie sichteten 37 Studien aus den Jahren 2006 bis 2021. Alle schlossen jeweils mehr als 1.000 Probandinnen und Probanden ein.

Diesen Studien zufolge nutzten Krebspatientinnen und-patienten nach der Diagnose häufig Supplemente und Nahrungsergänzungsmittel (bis zu 77,2 % der Befragten), darunter Multivitamine (bis zu 70 %), ausgewählte Vitamine oder Mineralien wie Vitamin C (bis zu 41,6 %) und Vitamin E (bis zu 48 %) oder bestimmte Gruppen von Substanzen wie Antioxidanzien (bis zu 80,8 %). Die Betroffenen nahmen die Nahrungsergänzungsmittel häufig während der herkömmlichen Therapie und nur selten nach Rücksprache mit dem medizinischen Fachpersonal ein. Doch das kann den Studien zufolge zu Problemen führen, da Nahrungsergänzungsmittel und insbesondere Antioxidanzien mit herkömmlichen Therapien interagieren können.

Nahrungsergänzungsmittel können Krebszellen resistent machen

Der Grund für diese Wechselwirkung ist: Viele der etablierten Therapien bekämpfen Krebszellen – hauptsächlich oder als Nebeneffekt – durch das Erzeugen von oxidativem Stress, dem sich Krebszellen unter Umständen mit bestimmten Enzymsystemen anpassen können. 

Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine, Mineralien und insbesondere Antioxidanzien, die gesunde Zellen üblicherweise vor oxidativem Stress schützen, können den Trans­kriptionsfaktor Nrf-2 aktivieren, einen zellulären Abwehrmechanismus gegen oxidativen Stress. Auf diese Weise können die Nahrungsergänzungsmittel zur Resistenz von Krebs­zellen beitragen.

Um die Wechselwirkungen besser zu verstehen, untersuchte das Forschungsteam auch die Interaktion von Vitaminen, Mineralien und Antioxidanzien mit verschiedenen Chemotherapeutika bzw. Bestrahlungstherapie und analysierte, inwiefern sie den Erfolg von herkömmlichen Krebsbehandlungen beeinflussen können. Auch klinische Interventionsstudien, die ausgewählte Nahrungsergänzungsmittel bzw. Antioxidanzien begleitend zu einer herkömmlichen Therapie anwendeten, um Nebenwirkungen zu minimieren, bezogen sie mit ein.

„Wir haben keine Hinweise auf einen positiven Nutzen durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und Supplementen während einer Krebsbehandlung finden können, aber Anzeichen für Wechselwirkungen bis hin zu reduzierten Lebenserwartungen. Diese Hinweise müssen ernst genommen werden“, betonen die beiden Forschenden und empfehlen: „Mit Blick auf den hohen Prozentsatz an Krebspatientinnen und -patienten, die Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, ist es wichtig, das Bewusstsein für mögliche Wechselwirkungen [...] zu stärken und den [...] Austausch hierzu im Rahmen der Krebstherapie zu fördern.“

Originalpublikation

Krejbich P, Birringer M. doi.org/10.3390/antiox11112149 
Gefördert durch die Hochschul- und Landesbibliothek Fulda im Rahmen von Open Access. 

Quelle: Dr. Antje Mohr, Hochschule Fulda.

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