Der Pes planovalgus (Knick-Plattfuß) des Erwachsenen

Der Beitrag gibt einen Überblick über Ursachen, Diagnostik und Therapie des Pes planovalgus des Erwachsenen.

Wie der Name schon nahelegt, besteht die Erkrankung des Knick-Platt­fußes aus zwei grundlegenden Komponenten. Zum einen aus dem Knickfuß, bei dem die Ferse im Verhältnis zur Unterschenkelachse nach außen „wegknickt“. Und zum anderen aus dem Plattfuß, der meist deutlich sichtbaren Abflachung des Längsgewölbes. Im orthopädischen Fachjargon heißt der Plattfuß Pes planus und der Knickfuß Pes valgus. In der Kombination heißt der Knick-Plattfuß dann folglich Pes planovalgus. In manchen Fällen kommt es als dritte optisch auffällige Erscheinung auch noch zu einer Abweichung des Vor- und Mittelfußes nach außen (Abduktion) (s. Abb. 1).

Ursachen

Die Ursache für dieses Fußproblem ist die Tibialis posterior Insuffizienz, die zunehmende Schwäche der Tibialis posterior Sehne. Beim Erwachsenen ist hierfür in der Regel ein Verschleißprozess verantwortlich, der das Sehnengewebe schwächt. Neben einer gewissen Veranlagung und dem ausgeprägten kindlichen Knick-Plattfuß als Vorstufe sind chronische Überlastungen (Beruf oder Sport) sowie Übergewicht als auslösende oder unterstützende Faktoren bei der Entwicklung dieser Fußfehlstellung mitverantwortlich.

Am gesunden Fuß bildet die hintere Schienbeinsehne mit ihrem Gegenspieler, der langen Peroneussehne, eine Art Steigbügel für die Ferse. Lässt nun die Kraft der hinteren Schienbeinsehne auf der Innenseite des Rückfußes nach, kippt er nach außen weg. Durch den oben beschriebenen Dreh-Kipp-Mechanismus kommt es nun zum Kollaps des Längsgewölbes. Folge des Fersenvalgus ist die Verkürzung der Achillessehne, was dann wiederum die Fehlstellung der Ferse fixiert. Ein Circulus vitiosus. Zwischen dem Calcaneus und der Außenknöchelspitze kann es nun zum Impingement der dort gelegenen Weichteile mit subfibularen Schmerzen kommen. Die Dreh-Kipp-Bewegung erfolgt in allererster Linie im unteren Sprunggelenk. Der biomechanischen Einheit aus dem Subtalargelenk und dem Talonaviculargelenk. Das Wegknicken der Ferse nach außen und die Rotation des Sprungbeines nach medial bei gleichzeitigem Abkippen nach plantar ist eine gegenläufige Kombinationsbewegung. Dabei verliert der Taluskopf seinen Halt in der „Hängematte“ des Pfannenbandes (spring ligament) zwischen Fersenbein und Kahnbein.

Bleibt der Knick-Plattfuß unbehandelt oder wird je nach Stadium nicht ausreichend therapiert, droht die Arthrose in diesen Gelenken. Das obere Sprunggelenk zwischen dem Sprungbein und der Knöchelgabel kann diese Problematik eine ganze Weile kompensieren. Langfristig droht aber auch hier die Arthrose.

Seltenere Ursachen für einen Knick-Plattfuß:

  • neurologische Erkrankungen
    (z. B. Lähmung oder Spastik)
  • eine Coalitio tarsi
  • Verletzungen (z. B. Calcaneusfraktur)

Knick-Plattfußfehlstellungen aufgrund dieser Ursachen lassen sich aber häufig nicht mehr gelenkerhaltend operieren, sondern mit Arthrodesen korrigieren.

 
  • Die Ferse knickt nach außen.
  • Der Kopf des Talus rotiert nach medial und in Relation dazu der Vorfuß nach lateral.
  • Der Talus rutscht von seiner Auflagefläche, bestehend aus dem Sustentaculum (siehe Pfeil Bild rechts) und dem Pfannenband, und kippt nach plantar.

Abb. 1: Die Einzelkomponenten des Dreh-Kipp-Mechanismus

Schweregrade der Tibialis posterior Insuffizienz

Aufgrund der genannten biomechanischen Vorgänge im Rückfußbereich lässt sich der Pes planovalgus in vier Schweregrade einteilen (s. Tab. 1). Diese Gradeinteilung geht auf die Amerikaner Johnson und Storm zurück. Durch Myerson wurde sie um Grad 4 erweitert.

Tab. 1: Stadien der Tibialis posterior Insuffizienz bei Pes planovalgus

Grad 1

Beginnender Verschleiß der hinteren Schienbeinsehne mit Tendovaginitis. Schwellung und Schmerzen im Verlauf der Sehne hinter und unterhalb des Innenknöchels. Eine nennenswerte Fehlstellung des Fußes besteht in diesem Stadium oft noch nicht.

Grad 2

Nun kommt es durch die oben beschriebene Dreh-Kipp-Bewegung im unteren Sprunggelenk aufgrund der nachlassenden Kraft der hinteren Schienbeinsehne zum Wegknicken der Ferse nach lateral und Einsinken Längsgewölbes nach medial und plantar. Die Fehlstellung der Ferse ist noch flexibel. Aber eine aktive Aufrichtung durch den Patienten ist oft schon nicht mehr möglich (Einbeinzehenspitzenstand).

Grad 3

In diesem Stadium ist es bereits zur Arthrose des Subtalar- und eventuell auch schon des Talonaviculargelenks gekommen. Zunehmende Einsteifung der Fehlstellung.

Grad 4

Als Langzeitfolge der Knick-Plattfuß Fehlstellung und der Arthrose im unteren Sprunggelenk kommt es nun auch noch zur Arthrose des oberen Sprunggelenks.


Klinische Untersuchung

Anamnese

In allererster Linie sind es Schmerzen, welche die Patienten in meine Fußsprechstunde führen. Sie berichten über einen ziehenden Schmerz an der Innenseite des Fußes, der sich um den Innenknöchel herum weiter in Richtung Innenseite der Wade ausbreitet. Damit beschreiben die Patienten schon relativ genau den Verlauf der Tibialis posterior Sehne.

Insbesondere ältere Patienten bemerken eine erhebliche Einschränkung in ihrer Alltagsroutine. Längere Gehstrecken werden zunehmend zur Qual. Äußeres Zeichen ist ein vermehrter medialer Abrieb an Schuhsohlen im Fersenbereich. Der Fußabdruck wird breiter.

Inspektion, Palpation und Funktionstests

Bei der Untersuchung von Patienten mit ein- oder beidseitigen Beschwerden durch einen Pes planovalgus zeigen sich folgende typische Befunde:

  • vermehrter Abrieb an der Schuhsohle auf der Innenseite
  • Abweichung der Ferse nach außen bei Betrachtung des Fußes von hinten
  • Ein abgeflachtes Fußlängsgewölbe mit einem verbreiterten Fußabdruck
  • Medioplantare Vorwölbung an der Innenseite der Fußwurzel durch den Taluskopf
  • Abduktion des Vorfußes
  • bei Betrachtung des Fußes von hinten sind auf der Fußaußenseite mehr Zehen zu sehen als am gesunden Fuß („too-­many-toes-sign“)
  • Vermehrtes Einknicken des Fußes nach innen in der Standphase des Gangzyklus (Hyperpronation)
  • Der einbeinige Zehenspitzenstand ist schmerzhaft, instabil oder auch gar nicht mehr möglich
  • Druckempfindlichkeit entlang der hinteren Schienbeinsehne insbesondere in der Region hinter und unter dem Innenknöchel
  • Druckschmerz am unteren Sprunggelenk distal des Außenknöchels durch ein Impingement
  • Verkürzung der Achillessehne

Abb. 2: Typische Röntgenzeichen bei Knick-Plattfuß

Röntgendiagnostik

Die Röntgenuntersuchung des Fußes muss in mindestens zwei Ebenen und zwingend im Stehen erfolgen. In der Regel ist aber eine Erweiterung der Röntgendiagnostik um eine Achsaufnahme des Rückfußes (Saltzman-View) und eine a. p.-Aufnahme des Sprunggelenks im Stand notwendig. Auf den Röntgenaufnahmen zeigen sich die klassischen Merkmale des Pes planovalgus (s. Abb. 2).

Bei höhergradigen Stadien zeigt sich zudem eine Arthrose. Zuerst im Bereich der Funktionseinheit des unteren Sprunggelenks aus Subtalar- und Talonaviculargelenk. Später auch im Calcaneocuboidal- und oberen Sprunggelenk (s. Abb. 3).

Erweiterte Bildgebung

In der Kernspintomographie lässt sich die chronische Schädigung der Tibialis posterior Sehne direkt darstellen. Bei fortgeschrittener Fehlstellung mit Verschleiß im Bereich des Rückfußes und Sprunggelenks ist eine zusätzliche Computertomographie für die Operationsplanung hilfreich.

Therapie

Die Behandlung des Knick-Plattfußes des Erwachsenen richtet sich nach dem jeweiligen Schweregrad der Grunderkrankung.

Grad 1

Bei Grad 1 ist ganz zu Beginn auch noch ein Umkehrprozess des Krankheitsverlaufs, also eine echte Heilung, möglich. Die Behandlung besteht hier vorrangig in der Unterstützung des Längsgewölbes durch Einlagen. Ein kleiner Keil an der Einlage unter der Innenseite der Ferse („Supinationskeil“) kann wie ein Bremsklotz ein Abweichen der Ferse nach außen eindämmen. Zusätzlich können spezifische fußgymnastische Übungen die Kraft der hinteren Schienbeinsehne und der gewölbestützenden Muskulatur trainieren. Abschwellende und entzündungshemmende lokale Maßnahmen wie Eisabreibungen oder kalte Quarkwickel kommen bei beginnenden Schmerzen und Schwellungszuständen zum Einsatz.

Bei Bedarf werden NSAR zum kurzfristigen Einsatz verordnet. Deren Anwendung sollte aber niemals eine Dauer­lösung sein.

In wenigen Fällen kann bei beginnender Chronifizierung der Inflammation eine Tenosynovektomie der Tibialis posterior Sehne notwendig sein. Ziel ist der Stopp der entzündungsbedingten Sehnendegeneration. Hierzu gibt es auch endoskopische Techniken (Tendoskopie).

Grad 2

 

Tab. 2: Mögliche Zusatz­eingriffe bei der Korrektur des Knick-Plattfußes

 

Plantarisierung des Fußinnenrandes bei Vorfußsupination zur Rekonstruktion des Längsbogens (Cotton-Osteotomie am Os cuneiforme mediale oder Lapidus-Arthrodese bei gleichzeitigem Hallux valgus)

 

Verlängerung der Achillessehne (Gastroc slide)

 

Verlängerungsosteotomie des Fersenbeins mit Knocheninterponat zur Korrektur der Vorfußabduktion

 

Rekonstruktion des Pfannenbandes
(spring ligament)

Bei Grad 2 ist ein Umkehrprozess des Krankheitsverlaufs nicht mehr möglich. Die Ferse steht bereits deutlich im Valgus. Das Längsgewölbe ist abgeflacht. Die hintere Schienbeinsehne hat ihren Dienst mehr oder weniger quittiert. Ein Behandlungsversuch mit Aufrichtung der Ferse und Stützung des Längsgewölbes durch speziell angefertigte Einlagen ist legitim, bringt meist aber keinen langfristigen Behandlungserfolg. Eine spezielle Fußgymnastik kann hier allenfalls noch das Tempo des Fortschreitens der Problematik bremsen aber nicht mehr aufhalten.

Bleiben die Beschwerden durch den Knick-Plattfuß aber trotz Einlagen und gegebenenfalls unterstützenden Maßnahmen (siehe oben bei Grad 1) bestehen oder kehren nach anfänglicher Besserung wieder zurück, ist die Operation indiziert. Sie hat die Wiederherstellung der Fußgeometrie zum Ziel. Die zentralen Anteile solcher Eingriffe sind zum einen die medialisierende Calcaneusosteotomie (MCO), damit die Ferse und somit der Kraftvektor der Achillessehne wieder in der Unterschenkelachse zentriert wird. Die Osteotomie wird mit Schrauben von dorsal oder kleinen Stufenplattenplatten fixiert. Zum anderen wird die insuffiziente Tibialis-posterior-Sehne durch eine Tenodese mit der Sehne des Flexor digitorum longus (FDL) oder deren Transposition auf das Naviculare augmentiert. Befundabhängig sind noch begleitende Zusatzeingriffe zur Verbesserung der Gesamtsituation und zur Prophylaxe einer erneuten Fehlstellung notwendig (s. Abb. 4 und 5).

Grad 3

Erreicht die Erkrankung der Tibialis posterior Insuffizienz und damit der Knick-Plattfuß-Fehlstellung Grad 3, so ist es zu einer Arthrose (Gelenkverschleiß) des Gelenkes zwischen Sprungbein und Fersenbein gekommen. Dieser Zustand ist konservativ nicht mehr ausreichend behandelbar, da die Fehlstellung der Ferse nun kontrakt ist. Auch ein gelenkerhaltendes Verfahren, wie die oben genannte MCO mit FDL-Transfer aufs Kahnbein kann das Problem der rigiden Arthrose im Subtalargelenk nicht mehr korrigieren. Die Korrektur der Fersenfehlstellung kann nun nur noch mittels Arthrodese des Subtalargelenks erfolgen. Nicht selten ist zusätzlich die Versteifung des Talonaviculargelenks (Double-Arthrodese, s. Abb. 6) und gelegentlich auch des Calcaneocuboidalgelenks (Triple-Arthrodese) notwendig.

Kommt es durch Fortschreiten der Erkrankung auch zur Arthrose des oberen Sprunggelenks (Grad 4), so muss auch dieses Gelenk versteift oder alternativ durch ein Kunstgelenk ersetzt werden.

Postoperative Behandlung

Die Nachbehandlung nach Operationen eines Knick-Plattfußes Grad 2 oder 3 sieht für bis zu 12 Wochen eine Ruhigstellung von Fuß und Sprunggelenk in einer Stiefel­orthese (Walker) vor. Nach einer Entlastungsphase mit maximaler Belas­tung bis 20 kg an Unterarmgehstützen für sechs Wochen beginnt der stufen­weise Belastungsaufbau im Walker über weitere vier bis sechs Wochen. Während dieser Zeit behandeln Physiotherapeuten das Bein mittels Lymphdrainagen und nach vier bis sechs Wochen auch mit Bewegungsübungen. Dann wird der Walker entfernt und die Rehabilitation in bequemen Sport- oder Straßenschuhen intensiviert.

Abb. 4: Korrektur der Fersenbeinfehlstellung (ganz oben) und Versetzung der Sehne des langen Zehenbeugers (FDL) auf das Kahnbein (Mitte und unten) zur Rekonstruktion der Muskelkräfte, die das Längsgewölbe aufrichten.

Abb. 5: Korrektur des Pes planovalgus (Röntgen prä- und postoperativ):

  • MCO (Stufenplatte dorsal)
  • Fersenbeinverlängerung (Platte am vorderen Fersenbeinfortsatz)
  • FDL-Transfer auf das Kahnbein
  • Rekonstruktion des Pfannenbandes
  • Gastroc slide
 

Dr. Stefan Feiler
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie
Zertifizierter Fuß- und Sprunggelenkchirurg (GFFC/DAF)
dr.feiler@dr-feiler-orthopaede.de


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