Bei Hypogonadismus auch das metabolische Syndrom berücksichtigen

Bei der Abklärung eines Hypogonadismus steht oft die sexuelle Dysfunktion im Vordergrund – sie stellt jedoch nur einen Baustein dar. Urologe Prof. Dr. med. Herbert Sperling, Mönchengladbach, betonte auf dem 72. DGU-Kongress, dass bei einem Hypogonadismus auch an Übergewicht, Typ-2-Diabetes und das metabolische Syndrom gedacht werden sollte.

Der Anteil an Fettleibigen bzw. Personen mit metabolischem Syndrom steigt in der Bevölkerung – vor allem bei Männern – stetig an. Die Prävalenz des metabolischen Syndroms beträgt in Deutschland bei Frauen im Schnitt ca. 20% und bei Männern knapp 25%.1 Diese Zahlen seien laut Sperling auch für Urolog­innen und Urologen relevant. „Denn ein Testosteronmangel und das metabolische Syndrom sind sehr stark miteinander assoziiert“, betonte Sperling. Zunehmend gibt es Hinweise dafür, dass der Testosteronspiegel, die Entstehung von viszeralem Fettgewebe sowie einer Insulinresistenz und das metabolische Syndrom eng miteinander verknüpft sind. Bereits 2006 zeigte eine Metaanalyse, dass Männer mit Typ-2-Diabetes einen niedrigeren Testosteronspiegel aufweisen als gesunde gematchte Kontrollen.2

Testosteron – ED – metabolisches Syndrom

Für die urologische Praxis bedeutet dies, dass man bei einer erektilen Dysfunktion (ED) bzw. einem Testosteronmangel auch an das metabolische Syndrom denken sollte. Denn die Abnahme des Testosteronwerts korreliert eindeutig mit der Zunahme von Komponenten des metabolischen Syndroms. Zudem haben Männer mit moderater oder schwerer ED noch häufiger ein metabolisches Syndrom als Männer mit milder, leichter oder keiner ED. „Bei der Hypogonadismus-Abklärung ist die ED nur ein Baustein“, so Sperling und ergänzt: „Es ist ganz wichtig, dass wir bei unseren Patienten mit einem niedrigen Testosteronwert auch an Übergewicht, Diabetes mellitus und das metabolische Syndrom denken.“ Dieser Zusammenhang sei in Europa mehrfach untersucht. Auch eine Studie aus Mecklenburg-Vorpommern zeigte, dass Männer mit niedrigem Testosteronwert (< 8 nmol/l) ein 4,5-fach erhöhtes Risiko haben einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln, Männer im Graubereich (< 12 nmol/l) haben ein 1,9-fach erhöhtes Risko.3

Metabolisches Syndrom

Prävalenz:
Männer 21,4 % –26,6 %, Frauen 16,9 %–21,0 %1

Ein metabolisches Syndrom liegt bei 3 von 5 der folgenden Kriterien vor:

Risikofaktor

Kriterien*

Adipositas abdominell

Bauchumfang: Frauen > 80 cm, Männer > 94 cm

Triglyceride

> 150 mg/dL oder Medikation

HDL-Cholesterin

Frauen < 50 mg/dl, Männer < 40 mg/dL oder Medikation

Arterieller RR

systolisch > 130 mmHg und/oder diastolisch > 85 mmHg oder Medikation

Nüchtern-BZ

> 100 mg/dL oder Medikation

* harmonisiert IDF, AHA; WHF IASO – 2009

 

Lebensstiländerung und Testosteronsubstitution

Ziel der Therapie sei es pathogenetische Pfade zu durchbrechen und letztlich die endotheliale Dysfunktion und kardiovaskuläre Schäden zu verhindern. „Dafür müssen wir unsere Patienten aus der Komfortzone herausholen“, so Sperling. Ein veränderter Lebensstil in Form von mehr Sport und gesünderer Ernährung, aber auch eine Testosteronsubstitution kann sich günstig auswirken. So kann eine Testosterongabe eine Gewichtsreduktion und den HbA1c-Verlauf bei hypo­gonadaler Ausgangsituation positiv beeinflussen. Zudem kann sich die Testosteronsubstitution positiv auf das Überleben auswirken, was durch die Gabe eines PDE-5-Hemmers und Statins noch verstärkt wird.

Ob Testosteron allerdings auch zur Prävention eingesetzt werden könnte, was 2019 in einer Arbeit untersucht wurde4, „das traue ich mich noch nicht zu sagen“, so Sperling. Sein Fazit: 

„Testosteron und Typ-2-Diabetes bzw. metabolisches Syndrom sind sehr nah beieinander und gehören in unsere Hände.“

dal

1 Neuhauser H et al. Meeting Abstract. GMDS, DAE 2005
2 Ding EL, JAMA 295:1288–1299
3 Schipf S et al. The Aging Male, September 2011; 14(3): 168–175
4 Yassin A et al.  Diabetes Care 2019; 42: 1104–11.

Quelle: Vortrag „Hypogonadismus: Prävention versus Therapie beim Diabetiker“, H. Sperling, 25.09.2020, 72. DGU-Kongress.

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