Eine Testosterontherapie erhöht das Risiko venöser Thromboembolien

M. Stücker

Pathophysiologische Untersuchungen legen nahe, dass eine exogene Testosterontherapie Einfluss auf die Blutviskosität und -gerinnung haben kann und somit das Risiko einer venösen Thromboembolie (VTE) erhöhen könnte. Bisherige Beobachtungsstudien kamen jedoch zu widersprüchlichen Ergebnissen. Ob die Hormongabe tatsächlich ein übermäßiges Risiko für VTE birgt, ist daher umstritten.

Referat zu: Walker RF et al. 
Association of Testosterone Therapy With Risk of Venous Thromboembolism Among Men With and Without Hypogonadism.
JAMA Intern Med. 2019 Nov 11. doi: 10.1001/jamainternmed.2019.5135

Risiko venöser Thromboembolien

In der Studie von Walker et al. wurde untersucht, ob eine Testosterontherapie die Häufigkeit venöser Thromboembolien steigern kann. Dabei wurde eine große Zahl von 39.622 Männern betrachtet, die eine VTE erlitten hatten. Für alle Männer standen Daten über den Einsatz von einer medikamentösen Testosterontherapie in den 12 Monaten vor der venösen Thromboembolie zur Verfügung. In einer individuellen Cross-over-Studie wurde das halbe Jahr unmittelbar vor der Thromboembolie mit einem Halbjahreszeitraum verglichen, der ein Jahr vor der Thromboembolie begann. Der überwiegende Anteil dieser Männer (36.512) hatte keinen Hypogonadismus, 3.110 wiesen einen Hypogonadismus auf.

Gemäß dieser Analyse war das Risiko, eine VTE zu bekommen, unter einer Testosterontherapie mehr als doppelt so hoch wie ohne Testosterontherapie. Dabei unterschieden sich die Männer mit und ohne Hypogonadismus nicht signifikant.

Diese Befunde vervollständigen das Bild, dass eine Testosterontherapie ein Risiko für Gefäßkrankheiten darstellt insofern, als unter Testosterontherapie ein größeres Schlaganfallrisiko und Myokardinfarktrisiko vorliegt.

Die Verschreibung von Testosteronpräparaten in den USA stieg insbesondere bei Männern im Alter zwischen 18 und 45 Jahren an. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass in der vorliegenden Studie das Risiko, unter Testosterontherapie eine VTE zu erleiden, zumindest tendenziell bei Männern unter 65 Jahren höher war als bei Männern über 65 Jahren. Während es keinen Zusammenhang gibt zwischen der physiologischen Höhe des Testosteronspiegels und der Häufigkeit von tiefen Beinvenenthrombosen, scheint dies bei exogen zugeführtem Testosteron anders zu sein. Als Ursache der erhöhten Thromboserate unter exogenem Testosteron wird ein Anstieg des Hämatokrit­levels postuliert, der die Blutviskosität steigert und die Thrombusbildung in allen Gefäßsystemen wahrscheinlicher werden lässt.

Bislang gibt es keine Daten, inwieweit sich die unterschiedlichen Applikationsformen z. B. über transdermale Gels oder intramuskuläre Injektionen in Bezug auf die kardiovaskulären Risiken unterscheiden.


Fazit


Basierend auf den Daten dieser Studie sollte vor der Einleitung einer Testosterontherapie das individuelle Thromboserisiko abgewogen werden.


 

Ein erhöhtes Thromboserisiko liegt zum Beispiel bei eingeschränkter Mobilität, bei einer Krebserkrankung, bei bereits abgelaufenen Thrombosen oder einer genetischen Thrombosedisposition vor. Nach den vorliegenden Daten könnte das Thromboserisiko für jüngere Männer unter exogener Testosteronzufuhr stärker erhöht sein als für ältere.

Prof. Dr. med. Markus Stücker
Venenzentrum der Dermatologischen und Gefäßchirurgischen Kliniken
Kliniken der Ruhr-­Universität Bochum
St. Josef Hospital
Gudrunstr. 56, 44791 Bochum
M.Stuecker@klinikum-bochum.de

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