„Behandlungsfall“ und „Krankheitsfall“ – inwiefern sind sie für die Privat­abrechnung wesentlich?

Ein leidiges „Dauerthema“ bei der Privatliquidation ist die Streichung von erbrachten ärztlichen Leistungen mit der Begründung, dass es sich dabei um Leistungen handeln würde, die im Behandlungsfall nur einmal abrechnungsfähig seien.

 

Dies ist Anlass genug, auf dieses Thema einzugehen, obwohl es hierzu bereits eine Vielzahl von Publikationen gibt. Denn die Begrifflichkeiten in der GOÄ unterscheiden sich wesentlich von denen, die nach dem EBM für die Kassenabrechnung zugrunde gelegt werden müssen. 

Der „Behandlungsfall“ in der GOÄ

Wie der Behandlungsfall und der Krankheitsfall im EBM und in der GOÄ definiert werden, können Sie im untenstehenden Infokasten nachlesen. Im Gegensatz zu den Definitionen im EBM lautet die Definition für beide Begrifflichkeiten in den Allgemeinen Bestimmungen der GOÄ (Grundleistungen Abschnitt B) völlig anders, obwohl die Wortschöpfungen aus dem EBM entlehnt wurden und zur Konkretisierung beitragen sollten. Dieser Versuch ist schlecht gelungen und trägt nicht zum Verständnis bei. 

Beim Behandlungsfall in der GOÄ steht der Zeitraum eines Monats im Mittelpunkt. Hintergrund dafür ist, dass der Verordnungsgeber eine mehrfache Vergütung von Beratungs- und Untersuchungsleistungen in einem „normalen“ Behandlungsfall einschränken wollte. 

Der „Krankheitsfall“ in der GOÄ

Das wiederum führt zu dem Begriff des „Krankheitsfalles“, da die Abgrenzungen dazu immer wieder kontrovers diskutiert werden (s. Infokasten). Eine erklärende Aussage der Bundesärzte­kammer findet sich dazu im Deutschen Ärzteblatt1: Der Begriff des „Krankheitsfalles“ wird in der GOÄ nirgends ausdrücklich definiert. Allerdings stellt § 5 (Bemessung der Gebühren für Leistungen des Gebührenverzeichnisses) unter Punkt 2 darauf ab (s. Infokasten). Der Begriff „Krankheitsfall“ ist in der GOÄ weiter gefasst als der Behandlungsfall und umschließt einen längeren Zeitrahmen. Trotzdem ist der Begriff „Krankheitsfall“ in der GOÄ nicht gleichzusetzen mit demselben Begriff im EBM. Er ist in mehrere Behandlungsfälle teilbar, die jeweils an einen Behandlungsmonat gebunden sind. 

Je nach Rechtsgrundlage unterscheiden sich die Definitionen der Fallarten.

Definition im EBM

Definition in der GOÄ

Behandlungsfall

Nach Aussage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (3.1 EBM) ist der Behandlungsfall in § 21 Abs. 1 Bundes­mantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) wie folgt definiert: „Behandlung desselben Versicherten durch dieselbe Arztpraxis in einem Kalendervierteljahr zu Lasten derselben Krankenkasse.“

Krankheitsfall

Der Krankheitsfall (3.2 EBM) umfasst nach § 21 Abs. 1 BMV-Ä „das aktuelle sowie drei nachfolgende Kalendervierteljahre, die der Berechnung der krankheitsfallbezogenen Gebührenposition folgen.“

Behandlungsfall

Allgemeine Bestimmungen der GOÄ (Grundleistungen Abschnitt B): „Als Behandlungsfall gilt für die Behandlung derselben Erkrankung der Zeitraum eines Monats nach der jeweils ersten Inanspruchnahme des Arztes“. Als Monat ist hierbei ein Kalendermonat zu verstehen, wobei entsprechend BGB § 188 Abs. 2 der Tag des Behandlungsbeginns mitzählt2.

Krankheitsfall

§ 5 der GOÄ Punkt 2: „Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Schwierigkeit der einzelnen Leistung kann auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein.“

 

Praxistipp: „Dieselbe Erkrankung“ sollte gut dokumentiert und der Begriff eng ausgelegt werden.

Wichtig ist diese Konstellation besonders für Gemeinschafts- und Schwerpunkt-Praxen gleicher oder ähnlicher Fachrichtungen. Wenn die Leistungen aller Ärzte zusammen abgerechnet werden, gäbe es nur dann eine Ausnahme, wenn ein Partner eine Spezialisierung aufweist, die hinsichtlich der Abgrenzung der Behandlungsfälle plausibel wäre. 

Das müsste für die Abrechnung jedoch gesondert kenntlich gemacht werden und kann den Erstattungsstellen nicht immer plausibel vermittelt werden.

Schwierigkeit des Krankheitsfalles

Im Kommentar zur GOÄ findet sich zur Schwierigkeit des Krankheitsfalles folgende Klärung3:

„Die besondere Schwierigkeit einer einzelnen Leistung rechtfertigt schon für sich den Ansatz eines höheren Multiplikators, so dass es insoweit eines Rückgriffs auf die Schwierigkeit des Krankheitsfalles nicht bedurft hätte. Die Begründung zum Verordnungsentwurf ist daher insoweit unlogisch, als sie verlangt, dass sich die Schwierigkeit des Krankheitsfalles ‚im Einzelfall in der Schwierigkeit der einzelnen Leistung niederschlägt und damit konkretisiert‘. Wenn überhaupt die nach § 5 Abs. 2 S. 2 ausdrücklich zugelassene Begründung der Schwierigkeit der einzelnen Leistung durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles einen Sinn haben soll, so nur dann, wenn bei schwierigen Krankheitsfällen die Notwendigkeit einer Begründung der Schwierigkeit einzelner Leistungen – mit Ausnahme der in Abs. 3 genannten – entfällt. Dies ist auch allein sachgerecht, weil bei schwierigen Krankheitsfällen unterstellt werden kann, dass die Behandlung als solche unabhängig von Abstufungen des Schwierigkeitsgrads in der Durchführung einzelner Verrichtungen schwierig ist. Allein diese Interpretation kann die Ausklammerung der in Abs. 3 genannten Leistungen rechtfertigen, soweit es sich dabei um auch bei schwierigen Krankheitsfällen mögliche Routine­leistungen handelt." 

Und: „Die Schwierigkeit des Krankheitsfalles kann nur dann und insoweit zur Begründung der Schwierigkeit der Leistungserbringung herangezogen werden, als sie sich auf die Behandlung des Krankheitsfalles auswirkt. Dies ist dann nicht mehr der Fall, wenn nach einer abgeschlossenen Behandlung der Patient lediglich zur Kontrolle des Behandlungsergebnisses und des beginnenden Genesungsprozesses sowie der Überwachung möglicher Komplikationen in der (stationären) ärztlichen Versorgung verbleibt (Übergang zu einer Routinebehandlung und -überwachung). Treten solche Komplikationen auf, sind die Voraussetzungen des Abs. 2 S. 2 jedoch wieder gegeben.“ 

Weiter: „Die Schwierigkeit des Krankheitsfalles kann nur dann durch ein schwieriges Krankheitsbild begründet werden, wenn und soweit dies nicht bereits bei der Gebührenbewertung von Leistungen, die auf die Behandlung dieses schwierigen Krankheitsbildes gerichtet sind, berücksichtigt worden ist. Ein schwieriger Krankheitsverlauf kann auch bei an sich ‚einfachen‘ Krankheitsbildern im Einzelfall die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründen. Die Gebühren der Abschnitte A, E, M und O dürfen nicht aus Gründen der Schwierigkeit des Krankheitsfalles höher bemessen werden (§ 5 Abs. 2 S. 2).“

 

Die Dokumentation zählt

Zwingend erforderlich ist, eine gute Dokumentation in den (heute meist elektronisch geführten) Krankenakten bzw. Karteikarten vorzunehmen. So ist die Verschlechterung einer Erkrankung immer noch unter demselben Behandlungsfall zu werten. Bei einer erneut erforderlich werdenden Beratung und Diagnostik einer weiteren Erkrankung, selbst wenn diese zunächst auf die zugrunde liegende Erkrankung zurückzuführen wäre, handelt es sich um einen neuen Behandlungsfall.

Dies sind wesentliche Hinweise zu den Kriterien, die für den Ansatz der Leistungspositionen und Faktorbegründungen erforderlich sind. Hierzu sei besonders auf die Beratungs- und Untersuchungsleistungen nach Nrn. 1, 3, 4, und 5 sowie Koordinierungsleistungen nach Nr. 15 GOÄ hingewiesen. 

So beugen Sie Einwänden vor

Es können jedoch mehrere Behandlungsfälle „parallel“ laufen. Deshalb ist es für die Abgrenzung solcher Fälle empfehlenswert, in den Rechnungen einen datierten Hinweis auf einen „neuen“ oder „anderen Behandlungsfall“ mit Angabe der jeweiligen Diagnosen aufzuführen. Dies beugt Missverständnissen vor und erleichtert die Erstattung. Bei fehlenden Leistungsbegründungen können die nachfolgenden Korrespondenzen mit den Erstattungsstellen sehr zeitintensiv werden. Dies ist ärgerlich, zumal die für solche Korrespondenzen aufgewendeten Ressourcen doch eher zur Behandlung von Patienten genutzt werden sollten. 

► Weitere Erläuterungen zu Einschränkungen und Beispielen des Behandlungsfalles in Bezug auf Beratung und Untersuchung wurden im GOÄ Ratgeber Heft 13 vom 31.03.2006 und Heft 17 vom 28.04.2006 veröffentlicht.

1 Deutsches Ärzteblatt, 2014, 111 (35-36): A-1482 / B-1278 / C-1214 von Dr. iur. Lysann Hennig)

2 Deutsches Ärzteblatt 103, Heft 15 vom 14.04.2006, S. A-1027

3 Kommentar zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), Dr. med. R. Klakow-Franck (Hrsg.)/Dietrich Brück (Begr.), Deutscher Ärzteverlag

► Stand: November 2020

Sabine Zaun
MSC Medicine Surround Consulting
Konzeptionelle Beratungen für Arztpraxen und Fortbildungen für Ärzte.
mscons@gmx.de 
www.msc-zaun.de

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