Verordnen Sie durchschnittlich?
Bezeichnet man jemanden im alltäglichen Sprachgebrauch als „durchschnittlich“, wird sich der Betroffene in der Regel desavouiert fühlen. Anders verhält sich das bei der Verordnungs- und Behandlungsweise von Vertragsärzten.
Gemäß zahlreichen Gerichtsentscheidungen müssen sich Vertragsärzte in der Verordnungs- und Behandlungsweise mit dem Durchschnitt der Fachgruppe (FG) vergleichen lassen. Wird der Fachgruppendurchschnitt überschritten, kann ein drohender Regress durch den Nachweis von Praxisbesonderheiten abgewendet werden. Das Problem für den einzelnen Vertragsarzt liegt darin, dass er belegen muss, dass seine Patientenklientel sich von dem seiner FG deutlich unterscheidet und daraus ein höherer Verordnungs- und gegebenenfalls auch Behandlungsbedarf resultiert.
Die Verordnungen von Arzneimitteln sind abhängig von den gestellten Diagnosen. Welche Diagnosen von den Ärzten derselben FG am häufigsten gestellt werden, das erfährt der Vertragsarzt in der Regel nicht. Will ein Vertragsarzt eine Budgetüberschreitung bei Verordnungen als Praxisbesonderheit geltend machen, muss er belegen, dass er mehr verordungsintensive Fälle behandelt als der Durchschnitt der FG.
Hilfestellung durch Morbiditätsstatistik
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein veröffentlicht auf ihrer Homepage regelmäßig Statistiken, welche Diagnosen von jeder einzelnen FG am häufigsten gestellt werden, zuletzt für das II. Quartal 2018.
► Im Internet unter www.kvno.de. KV Nordrhein>Praxis>Verordnungen>Morbiditätsstatistik
In der Morbiditätsstatistik der KV Nordrhein werden die angegebenen Behandlungsdiagnosen von mehr als 2.500 Hausärzten (Allgemeinärzte) statistisch ausgewertet. Bei den hausärztlich tätigen Internisten sind es mehr als 1.200 Vertragsärzte. Aufgrund der großen Anzahl der ausgewerteten Vertragsärzte und deren Diagnoseangaben kann die Statistik der KV Nordrhein auch für andere KVen als repräsentativ eingestuft werden.Liegt ein Vertragsarzt mit seiner Morbiditätsstatistik bei verordnungsintensiven Erkrankungen deutlich über dem Durchschnitt seiner FG, hat er ein schlagkräftiges Argument, um im Fall der Fälle ein Prüfgremium davon überzeugen zu können, dass eine Praxisbesonderheit in seiner Praxis vorliegt und somit ein höheres Verordnungsvolumen die Folge ist.
Morbiditätsstatistik Allgemeinärzte II. Quartal 2018 |
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Allgemeinärzte | % | Hausärztliche Internisten | % |
I10 Essentielle Hypertonie | 36,3 | I10 Essentielle Hypertonie | 42,3 |
E78 Lipidämie | 24,3 | E78 Lipidämie | 28,6 |
M54 Rückenschmerzen | 7,9 | E11 Diabetes Typ II | 16,4 |
E11 Diabetes Typ II | 12,3 | M54 Rückenschmerzen | 14,6 |
F32 Depression | 10,9 | E04 Nichttoxische Struma | 12,4 |
E66 Adipositas | 10,1 | E66 Adipositas | 10,9 |
E04 NichttoxischeStruma | 10,1 | I25 Chronische ischämische Herzkrankheit | 10,8 |
I25 Chronische ischämische Herzkrankheit | 10,1 | F32 Depression | 10,1 |
K29 Gastritis/Duodenitis | 8,1 | K2 Gastroösophagealer Reflux | 9,2 |
J45 Asthma bronchiale | 8,0 | K76 Lebererkrankungen | 8,3 |
► Hinweis: Die Angaben zur prozentualen Häufigkeit der einzelnen Diagnosen ergeben addiert über 100 Prozent, weil die vierstelligen ICD-10-Codes für die Statistik auf drei Stellen aggregiert wurden.
Beispiel für Praxisbesonderheiten
Hat ein Hausarzt zum Beispiel überdurchschnittlich viele Patienten mit einer verordnungsintensiven Hypertonie oder Lipidämie, kann die Morbiditätsstatistik belegen, dass höhere Verordnungskosten anfallen mussten. Auch die Notwendigkeit einer überdurchschnittlichen Behandlungsweise kann gegebenenfalls mithilfe der Morbiditätsstatistik nachgewiesen werden, wenn beispielsweise signifikant mehr Patienten als vom Durchschnitt der FG mit einer Depression behandelt werden und daraus ein erhöhter Bedarf an psychosomatischen Interventionen nach den Positionen 35100 und 35110 EBM resultiert.
WichtigFür eine Stellungnahme bei überdurchschnittlicher Verordnungsweise sollten Sie prüfen, in welchem Prozentsatz Diagnosen mit notwendiger kostspieliger Verordnung angegeben wurden
Auch bei der Prüfung der Behandlungsweise kann mithilfe der Morbiditätsstatistik belegt werden, dass eine Behandlungsweise erforderlich ist, die über dem Fachgruppendurchschnitt liegt
Besonders kostspielige Verordnungen bei Hypertonien und Lipidämien belasten das individuelle Arzneimittelbudget