Was lange währt, wird endlich EBM

Zum 1. April 2020 tritt ein neuer einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) für Vertragsärzte in Kraft. Die sprechende Medizin wird im neuen EBM höher bewertet, die Kalkulationszeiten vieler Leistungen schrumpfen. Wie Hausbesuche in Zukunft vergütet werden, soll aber erst in den kommenden Monaten verhandelt werden.

Kurz vor dem Jahreswechsel setzten die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband endlich einen Schlusspunkt unter die jahrelang diskutierte EBM-Reform. Der Beschluss zur Weiterentwicklung des EBM wurde schon 2012 gefasst und seitdem immer wieder verschoben und hinausgezögert – zuletzt Ende 2018, weil beide Seiten das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) abwarten wollten. „Wir können nicht einen neuen EBM beschließen, der im nächsten Jahr abermals angepasst werden muss“, begründete Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV, damals die Entscheidung.

Nun, fast acht Jahre nach dem Beschluss, ist die EBM-Reform in trockenen Tüchern. Zufrieden sind speziell die niedergelassenen Ärzte damit aber noch nicht. Gassen haderte im Videointerview nach Verhandlungsende mit der Pflicht zur Punktsummenneutralität, die ebenfalls 2012 gemeinsam mit der Reform beschlossen worden war. Übersetzt bedeutete dieser Beschluss, dass ein Mehr an ärztlichen Leistungen nicht zu einer Erhöhung der Gesamtpunktmenge führen durfte. Nur künftige Veränderungen im Leistungsbedarf durch Morbidität und Demografie sollten sich auf das Honorar auswirken.
Weil von den Kassen kein zusätzliches Geld beigesteuert wurde, besteht die EBM-Reform im Wesentlichen aus einer Umverteilung zwischen technischen Leistungen der Apparate-Medizin einerseits und nicht-technischen Leistungen der sprechenden Medizin andererseits. Diese Forderung stammt u. a. aus dem TSVG.

Dafür wurde die betriebswirtschaftliche Kalkulationsgrundlage für die Bewertung aller Leistungen angepasst. Der kalkulatorische Arztlohn wurde von 105.571,80 Euro auf 117.060 Euro erhöht und die Praxiskosten wurden aktualisiert.
Eine weitere Reformbaustelle waren die Kalkulationszeiten, die im Schnitt um 30 Prozent gesenkt wurden. Denn die gesamte abgerechnete Kalkulationszeit lag in etwa doppelt so hoch wie die tatsächliche Jahresarbeitszeit der niedergelassenen Ärzte.  Leistungen mit einer festen Taktung wurden nicht angepasst. Die kürzeren Kalkulationszeiten wirken sich zwar auf die Vergütung der einzelnen Leistung aus, aber das Gesamthonorarvolumen bleibt unberührt.

Nach der ReformHöher bewertet (u.a.)
Gespräch, Beratung, Erörterung, Abklärung (GOP 14220, 16220, 21220): 154 Punkte
Individueller Arztbrief (GOP 01601): 108 Punkte
Problemorientiertes ärztliches Gespräch (GOP 03230, 04230): 128 Punkte
Verweilen außerhalb der Praxis (GOP 01440): 352 Punkte
Videofallkonferenz (GOP 01442): 86 Punkte

Niedriger bewertet (u. a.)
Ambulante Betreuung 2 / 4 / 6 Stunden (GOP 01510, 01511, 01512): 443 / 872 / 1299 Punkte

Hausbesuche: Verhandlungen vertagt

Abgeschlossen ist die EBM-Reform aber noch nicht, denn gleich mehrere kritische Punkte wurden aus der Verhandlungsmasse herausgenommen. Über sie wird in diesem Jahr separat verhandelt.

Ein solches Beispiel sind die Hausbesuche. Im Zuge der Verhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und KBV war es zum Streit um ihre Vergütung gekommen. Die Kassen wollten die Aufwertung der Hausbesuche kostenneutral finanzieren – also das Geld dafür von anderen Budgets abzweigen. Die KBV zog eine rote Linie. „Das konnten wir auf keinen Fall akzeptieren, das wäre zu Lasten der Versorger gegangen und nur über eine Abwertung der Versichertenpauschalen zu machen gewesen“, sagte Dr. Stephan Hofmeister, KBV-Vize und selbst Hausarzt im Dezember. Der GKV-Spitzenverband zog die Forderung schließlich zurück, die Verhandlungen darüber wurden auf Anfang 2020 vertagt.

Nicht nur die Hausbesuche müssen in diesem Jahr neu verhandelt werden, auch die Sachkostenpauschalen, die Vergütung ambulanter Operationen und der kalkulatorische Arztlohn stehen zur Debatte. Sie alle wären unter dem GKV-Credo der Punktsummenneutralität nicht zu machen. Mit einem raschen Einlenken der Kassen ist jedoch nicht zu rechnen.

 

Adrian Zagler

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