Der Patientenknigge: Eine Orientierung für die Sprechstunde

Patienten suchen sich ihre ganz eigenen Kriterien, um den Arztbesuch zu bewerten. Schon der Blick in die gängigen Bewertungsplattformen vermittelt ein aufschlussreiches Bild. Die fachliche Kompetenz wird eher am Rande erwähnt beziehungsweise von vielen Patienten vorausgesetzt. Viel häufiger trifft man dagegen auf Aussagen, die Themen wie Freundlichkeit, Wartezeiten, Betreuung und Zeit nehmen betreffen. Für die Praxisorganisation sind diese Erwartungen von entscheidender Bedeutung, stehen sie doch für einen Auftrag, den es zu erfüllen gilt. Ein sich gut aufgehobener und betreut fühlender Patient wird sich sehr viel entspannter in Ihrem Sprechzimmer verhalten als derjenige, der durch Negativerfahrungen mit erhöhtem Pulsschlag von Ihnen behandelt wird. Es macht Ihnen Ihr Leben im Behandlungszimmer um ein Vielfaches leichter.

Ein wichtiges Instrument, um dieses Ziel zu erreichen, ist der Patientenknigge. Er hat die Aufgabe die Betreuung der Patienten in Ihrer Praxis so zu organisieren, dass sich die Patienten von A bis Z gut aufgehoben und betreut fühlen. Schauen Sie sich mal um – in Dienstleistungsunternehmen wird das Personal im Umgang mit den Kunden regelmäßig geschult. Immer wieder gibt es Fortbildungen für die Mitarbeiter, um dem Kunden ein positives Gefühl zu vermitteln und ihn an das Unternehmen zu binden. Das ist in der Medizin nicht anders, ganz im Gegenteil. In den seltensten Fällen wandern Patienten ab, weil sie mit der medizinischen Leistung nicht zufrieden waren. Sie verlassen die Praxis, weil Abläufe nicht funktioniert haben, Wartezeiten entstanden sind oder aber die Freundlichkeit vermisst wurde. Und dennoch ist immer wieder zu sehen, dass den wichtigen Kriterien nicht die notwendige Beachtung geschenkt wird. Die Nichtachtung entsteht oftmals aus einem Mangel an Zeit, die aber mehr als gut investiert wäre, um einen Verhaltenskodex zu bestimmen.

Jeder Patient erlebt in Ihrer Praxis ganz verschiedene Situationen. Gehen wir die verschiedenen Phasen doch einmal durch, die wir an dieser Stelle nur ansatzweise darstellen können.


Der Erstkontakt

Sie haben niemals die Möglichkeit einen ersten Eindruck ein zweites Mal zu vermitteln. Also sollte er unbedingt positiv sein. Es beginnt mit der einheitlichen Meldung am Telefon. Wird der Praxisname gleichlautend formuliert? Teilt der Mitarbeiter dem Anrufer den Namen mit? Wünscht er einen guten Morgen, Tag oder Abend? Spricht er klar und deutlich in angemessenem Sprechtempo mit einer positiven Ausstrahlung? Eigentlich ganz einfach, dennoch nicht immer an der Tagesordnung.

Es kommt aber auch vor, dass Patienten die Praxis beim ersten Mal persönlich besuchen. Die Grundregel sollte sein, dass grundsätzlich jedem eintretenden Patienten die notwendige Aufmerksamkeit zu Teil wird. Vermieden werden sollte, dass die Mitarbeiter an der Rezeption so in Aufgaben vertieft sind, dass der Patient wartend an der Rezeption steht und als gerade störend behandelt wird. Das sorgt sofort für Unbehagen. „Der Kunde ist König!“ gilt auch für die Arztpraxis.


Wartezeiten

Im Idealfall ist das Terminbuch so konzipiert, dass möglichst keine oder nur geringe Wartezeiten entstehen. In der Regel wird der Patient nach dem Eintreffen ins Wartezimmer gebeten. Formulierungen wie: „Bitte nehmen Sie noch einen Moment im Wartezimmer Platz!“ oder „Sie dürfen noch einen Moment im Wartezimmer Platz nehmen!“, bedeuten nun was? Fünf, 15, 30 oder 60 Minuten? Der Patient befindet sich mit der Aussage im Tal der Ahnungslosigkeit. Es ist eine Floskel, die alles bedeuten kann. Die Wartezeiten sollten daher möglichst konkret vermittelt werden.

Zugegeben, das ist eine organisatorische Herausforderung und bedingt einen Dialog zwischen Behandlungszimmer und Rezeption. Wenn ich aber als Patient weiß, dass die Behandlung erst in 30 Minuten beginnt, kann ich entscheiden, was ich in dieser Zeit mache. Die Praxis dokumentiert, dass sie mit der Zeit der Patienten sorgsam umgeht. Daher sollte dem Patienten diese wichtige Information beispielsweise mit den folgenden Worten vermittelt werden: „Frau Müller, wir sind leider etwas in Verzug geraten. Gehen Sie von einer Verzögerung von etwa zehn Minuten aus. Es tut uns leid.“ Sollte sich die Wartezeit weiter verlängern, bekommt der Patient auch diese Information. Wichtig: Achten Sie darauf, dass die Wartezimmertür immer geschlossen ist.


Das Abholen aus dem Wartezimmer

Auch beim Abholen der Patienten aus dem Wartebereich gibt es zwischen den Mitarbeitern immer wieder große Unterschiede, die Auswirkungen auf die Betreuungsqualität haben. In der Regel ist nie da­rüber gesprochen worden und jeder gestaltet seinen ganz persönlichen Ablauf nach bestem Wissen und Gewissen. Hier sollte eine einheitliche Regelung gefunden werden.

Sie könnte so aussehen, dass der Patient von dem Mitarbeiter mit Namen aufgerufen wird, er beim Verlassen des Wartezimmers an ihm vorbei geht, der dann die Warte­zimmertür wieder schließt. Mit einem Hinweis auf das entsprechende Sprechzimmer, das aufgesucht wird, begleitet der Mitarbeiter den Patienten Seite an Seite mit einem auflockernden Smalltalk.


Die Behandlung

Man kann sich jetzt darüber unterhalten, ob der Mitarbeiter dem Patienten im Behandlungszimmer zur Begrüßung die Hand reicht (viele Mitarbeiter möchten das nicht) und sich bei neuen Patienten mit Namen vorstellt. Spätestens der Arzt oder die Ärztin sollte das jedoch tun, denn persönliche Ansprachen wirken besonders stark.

Während der Behandlung sind Störungen zu vermeiden, um den Patienten komplett in den Mittelpunkt zu stellen. Hierzu gehören auch gezielte Fragen, die dem Patienten dokumentieren, dass es Ihnen darum geht, viel über ihn zu erfahren und er nicht einfach abgearbeitet wird. Die Worte „Danke“ und „Bitte“ gehören zum normalen Sprachgebrauch und den Patienten mit Namen anzusprechen zum guten Ton. Wir empfehlen, dem Patienten nach Ende des Termins zur Verabschiedung die Hand zu reichen. Die gesamte Behandlungssituation geschieht ohne Zeitdruck mit voller Konzentration auf den Patienten.


Die Verabschiedung

Sehr häufig erleben wir eine flüchtige und beiläufige Verabschiedung der Patienten durch die Mitarbeiter. Manchmal auch keine, weil sie im Tagesgeschäft untergeht oder weil man sie nicht als wichtig erachtet. Sie ist es aber, da die Praxis es ansonsten versäumt den positiven Gesamteindruck des Praxisbesuchs noch weiter zu verstärken. Es sollte zur Grundregel werden, dass sich Assistenten und Rezeptionsmitarbeiter mit Nennung des Patientennamens persönlich vom Patienten verabschieden. So viel Zeit muss sein.


Grundsätzliches

„Trainings“-Plan1. Der Erstkontakt mit dem Neupatienten
(telefonisch/persönlich)

2. Die Terminvereinbarung mit dem Stammpatienten (telefonisch/persönlich)

3. Die Empfangssituation beim Neupatienten

4. Die Empfangssituation beim Stammpatienten

5. Wartezeiten-Management

6. Das Abholen des Patienten aus dem Wartezimmer

7. Die Behandlung

8. Die Verabschiedung

Der Patientenknigge ist die ganz persönliche Visitenkarte der Praxis. Er sollte daher gemeinsam mit dem Team erarbeitet werden, damit er authentisch und nicht aufgesetzt umgesetzt werden kann. Um ihn zu entwickeln, sind die verschiedenen Szenarien zu erarbeiten (s. Kasten).

Der Ablauf jeder einzelnen Phase wird besprochen und diskutiert. Es wird unterschiedliche Vorschläge und Meinungen geben. Schließlich wird jedoch eine einheitliche Regelung getroffen, die vom Team verabschiedet und schriftlich dokumentiert wird. Als Ergebnis entsteht ein schriftlicher Leitfaden, den anschließend jedes Teammitglied als Arbeitsgrundlage erhält. Er dient dann ab sofort als Umsetzungshilfe.


Kontrolle

Wichtig ist es die Umsetzung des Knigge regelmäßig zu kontrollieren. Es ist daher sinnvoll einen Verantwortlichen zu bestimmen, der immer wieder korrigierend eingreift, bis die Abläufe zur Routine werden. Hierbei sind Geduld und Konsequenz gefordert. Als Lohn werden zufriedene Patienten positiv über das Erlebte in der Praxis berichten.

Uwe Zoske

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