Die Videosprechstunde – nur bei Corona oder auch in Zukunft?

Corona hält uns alle weiterhin in Atem und ein Ende der Maßnahmen ist noch nicht abzusehen. Erfindungsreichtum, kluges Handeln und der Umgang mit einer Ausnahmesituation erfordern Optimismus, einen kühlen Kopf und neue Methoden. Eine dieser neuen Methoden ist die Videosprechstunde, die zunehmend in den Praxen Einzug gehalten hat und in vielen Einrichtungen mittlerweile zum Standard gehört. Anfangs noch mit einer gewissen Skepsis betrachtet, werden die Vorteile immer mehr erkannt und sorgen für eine wachsende Routine. Verschiedene Anbieter präsentieren sich im World Wide Web und werben für eine Behandlungsform, die in Zukunft sicherlich mehr an Bedeutung gewinnen wird.

 

Technik und Vorgaben

Am einfachsten ist es sich auf der Webseite der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) über die Voraussetzungen zu informieren, die grundsätzlich aus nur wenigen Bestandteilen bestehen und relativ einfach in den Praxisablauf zu integrieren sind. Man kann zwischen einer Vielzahl von zertifizierten Videoanbietern auswählen, benötigt ansonsten nur einen Bildschirm mit Kamera, Mikrofon und Lautsprecher. Die Anforderungen für die technische Sicherheit und die Einhaltung des Datenschutzes sind in Anlage 31b zum Bundesmantelvertrag geregelt und sind unbedingte Voraussetzung für eine rechtssichere Behandlung. Diese sollte unbedingt vor dem Anbieten einer Videosprechstunde sorgsam studiert werden.

Der Videodienstanbieter muss zertifiziert sein und eine Selbstauskunft bei der KBV und dem GKV-Spitzenverband eingereicht haben. Dies ist eine unabdingbare Voraussetzung. Die Vorgaben für die IT-Sicherheit und den Datenschutz unterliegen unbedingt der Zertifizierung. Daneben muss die End-to-End Verschlüsselung des Kommunikationsvorgangs gewährleistet sein. Der Schutz der Daten steht an oberster Stelle.

Die Vorgaben für die Praxen sind:

  • der Patient muss eine Einwilligung für die Videosprechstunde abgeben
  • der Raum muss eine entsprechende Privatsphäre bieten
  • die Sprechstunde muss vertraulich und störungsfrei verlaufen und darf nicht aufgezeichnet und gespeichert werden
  • der Klarname des Patienten muss erkennbar sein

Abrechnung und Organisation

Die Möglichkeiten und Voraussetzungen zur Abrechnung und Organisation finden Sie unter:

> EBM

> GOÄ

> Praxisorganisation

Auch gibt es Fördertöpfe, die die Einbindung dieser Behandlung in den Praxisalltag attraktiver gestalten sollen. Somit ist dokumentiert, dass an einem Ausbau dieser Beratungs- und Behandlungsmöglichkeit ein allgemeines Interesse besteht.

Der Gewöhnungseffekt

Sicherlich müssen sich sowohl Arzt als auch Patient erst einmal daran gewöhnen keinen direkten Kontakt mehr zu haben, aber mit jeder Sitzung nimmt die Sicherheit zu und das „Digitale Meeten“, das in dieser schwierigen Zeit überall Einzug gehalten hat, wird zunehmend zur Routine. Aus unserer Erfahrung können wir berichten, dass sich aus einer anfänglichen Zurückhaltung eine Behandlungs- und Beratungsmethode entwickelt hat, die sich auch nach den Corona-Zeiten nicht mehr verdrängen lassen wird. Mittlerweile belegen Studien, dass jeder Vierte in Deutschland mit seinem Arzt online kommunizieren möchte.

Vorteile für die Patienten

Vorteile für die Arztpraxis

Sicherlich wird es Patienten geben, die unabhängig von ihrem Krankheitsbild auf den persönlichen Besuch nicht verzichten möchten. Für viele aber ergeben sich Vorteile, die die Videosprechstunde äußerst attraktiv machen:

Auch für die Praxis liegen die Vorteile eindeutig auf der Hand. Der digitale Arztbesuch ist heute technisch keine Herausforderung mehr und bedeutet für die Praxen keinen nennenswerten Mehraufwand:

 
  • Zunächst spart der Patient sich die Anreise, die mit Zeit und Kosten verbunden ist und womöglich auch noch eine lästige Parkplatzsuche notwendig macht. Es gibt immer wieder Patienten, die sich ihren Arzt nicht nach der räumlichen Nähe aussuchen und einen langen Anreiseweg in Kauf nehmen. Gerade für diese Menschen ist die Erleichterung sehr deutlich zu spüren.
 
 
  • Ergänzung zu Präsenzterminen: Gerade in Corona-Zeiten ist ein „leeres“ Wartezimmer ein MUSS. Jeder Patient, der nicht persönlich erscheint, trägt zu einer Minimierung des Infektionsrisikos bei.
 
 
  • Geringeres Infektionsrisiko: Viele Patienten, die ihre Behandlung aus Angst vor einer Ansteckung nicht wahrgenommen oder nur mit Scheu die Praxis aufgesucht haben, nutzen nun die Möglichkeit der Beratung.
 
 
  • Flexibilität: Wenn gewünscht, lassen sich die Sprechzeiten ausweiten.
 
 
  • Keinen Anfahrtsweg: Für behinderte und alte Menschen erleichtert sich der Arztbesuch ganz entscheidend. Auch chronisch kranke Patienten müssen nicht immer den Weg in die Praxis suchen.
 
 
  • Mobilität: Es besteht keine lokale Bindung. Auch das Smartphone kann von überall aus genutzt werden.
 
 
  • Menschen aus ländlichen Regionen, die die Unterversorgung der Region mit langen und mühsamen Anreisewegen verbinden müssen, sehen nun wieder die Möglichkeit eines regelmäßigen Arztgesprächs.
 
 
  • Effizienz: Der Patient übermittelt vorab die Symptome per Fragebogen, die Termine können daher besser vorbereitet werden.
 
 
  • Information: Angehörige und Pflegepersonal können die Möglichkeit nutzen sich im Beisein des Patienten direkt von zu Hause aus zu informieren, um z. B. die Medikation abzusprechen.
 
 
  • Geringeres Infektionsrisiko: Das Risiko der Infektion reduziert sich. Die Gefahr, die Praxis schließen zu müssen, wird gemindert.
 
 
  • Flexibilität: Sofern dies von der Praxis angeboten wird, können auch Termine vor oder nach der Sprechstunde vorgenommen werden.
 
 
  • Patientensteuerung: Das Arbeiten ist stressfreier, die Patienten lassen sich leichter führen (Zeit­ersparnis). Die Zeit wird vorab festgelegt, sodass der Patient sensibilisiert ist.
 
 
  • In der Regel entstehen keine Wartezeiten, da der Termin fest vereinbart ist und nicht in den regulären Praxisablauf eingebunden sein sollte.
 
 
  • Es besteht die Möglichkeit eine größere Patientenzielgruppe anzu­sprechen, die den weiten Weg zur Praxis vorher gemieden hat. Gerade für Praxen mit internationaler Ausrichtung ein großer Vorteil.
 
 
  • Rezepte und Krankschreibungen können ggf. online ausgestellt
    werden. (Achten Sie auf die Vorgaben der KBV zum Geltungszeitraum.)
 
 
  • Einsatzgebiete: In der Nachsorge ist die Videosprechstunde häufig gut einsetzbar.
 
 
  • Keinen Anfahrtsweg: Gerade für „kleine Erkrankungen“ ist der Besuch vor Ort nicht mehr notwendig.
 
 
  • Durch eine höhere Frequenz, die insgesamt nicht zu einem erhöhten Zeitaufwand führen muss, erhöht sich die Patientenbindung.
 
 
  • Die Herausforderungen des „Winterbesuchs“ (wo wartet der Patient?) können vermieden werden.
 
 
  • Die Praxis zeichnet sich durch Modernität und Innovationskraft aus, was für viele Patienten ein Synonym für gute Medizin darstellt.
 

 

Geht das nun für alle?

Sicherlich ist die Videosprechstunde etwas für alle Ärzte, jedoch gibt es Grenzen und Schwerpunkte, die es zu beachten gilt. Die mit Abstand stärkste Nutzergruppe sind die psychologisch-psychotherapeutisch tätigen Ärzte und am geringsten sind die operativ tätigen Fachärzte vertreten. Die Gründe hierfür sind naheliegend. Die Sprechstunde kann nicht ersetzen den Patienten zu sehen, zu untersuchen und ihn ganzheitlich wahrzunehmen. Sie ist aber ein gutes Instrument, um ausgehend von einem Status Quo Folgebehandlungen auch durchaus engmaschiger zu begleiten. Hieraus ergeben sich wiederum Vorteile für Patient und Arzt. Sicherlich wird es in der Nutzung immer Unterschiede zwischen den Fachgruppen geben, letztendlich werden aber alle davon profitieren können.

Fazit

Auch wenn es sehr schwerfällt der jetzigen Situation etwas Positives abzugewinnen, wäre es sicherlich nicht möglich gewesen die Videosprechstunde ohne Corona so stark und so schnell zu forcieren. Es lässt sich schon heute vorhersagen, dass diese Einrichtung nicht mehr aus dem Behandlungsspektrum verschwinden wird. Zu eindeutig sind die Vorteile, als dass Patienten darauf verzichten wollen und auch die Praxen erleben eine neue Möglichkeit der Flexibilität. In einschlägigen Untersuchungen ist bereits festgestellt worden, dass die Ärzteschaft diese neue Einrichtung ausdrücklich begrüßt. Die Tendenz ist gerade bei den jüngeren Ärzten steigend. Unsere Empfehlung ist daher sich unabhängig vom persönlichen Alter auf dieses Thema einzulassen, um zu lernen, dass sich Möglichkeiten entwickeln, die allen Beteiligten einen entscheidenden Mehrwert geben. Und genau darum geht es!

Uwe Zoske
Med3 Beratung für Heilberufe
Alexander-Diehl-Straße 12
55130 Mainz
06131/912 56 77
zoske@med3.net

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