Strategien für den Arzt/die Ärztin als erfolgreiche Führungskraft

Sie sind Arzt oder Ärztin* in einer Praxis, Praxisgemeinschaft oder Gemeinschaftspraxis. Meinen Glückwunsch! Das heißt, Sie hatten den Mut und die Verve, sich niederzulassen, inklusive Praxisteam, sei es mit nur einer medizinischen Fachangestellten (MFA) oder auch 30, je nach Praxisgröße und Ausrichtung. Zusätzlich zu diesem Beruf haben Sie demnach einen weiteren Job inne: Sie sind Führungskraft. Zum Führen gehört viel Power, Weitblick, Entscheidungsstärke, Menschenkenntnis. Sie bringen also eine beachtliche Menge an Kompetenzen mit.

In meiner Tätigkeit als Führungs-­Coach vertrauen sich mir viele Mediziner* an, für die das Führen des Praxisteams eine ungeliebte und lästige Tätigkeit darstellt und die ihre Führungsaufgaben am liebsten abgeben würden. Durchaus verständlich, denn die meisten von ihnen haben vermutlich ihren Beruf aus anderen Beweggründen gewählt und möchten ihre kostbare Zeit viel lieber der eigentlichen Medizin widmen. Manch einer versucht, Führungsaufgaben zu ignorieren oder sogar weitestgehend aus dem Praxis­alltag zu verbannen. Sie als Führungsprofi wissen an dieser Stelle genau, was in der Folge passiert, ja passieren muss; man nennt dies eine sogenannte „Führungsfalle“. Denn nicht gelebte Führung führt genauso zu mittel- und langfristigen Konsequenzen wie eine nicht durchgeführte Sonografie bei akuten Abdominalbeschwerden. Und zwar deshalb, weil überall dort, wo Menschen zusammenarbeiten, auto­matisch neben der „Nestwärme“ auch Reibung entsteht, und weil es dafür Klarheit und Struktur bedarf. Für den medizinischen Bereich trifft dies noch mehr zu als für den Verkauf von Autoersatzteilen.

Als Führungsprofi werden Ihnen eine Fülle an Vorteilen einfallen, die gelungenes Führen mit sich bringt: ein zufriedeneres und leistungs­fähigeres Team, mehr Harmonie und Zusammenhalt, weniger zeit- und nervenraubende Konflikte, weniger Fluktuation und aufwändige Personalsuche, eine professionelle Kommunikation, eine zufriedenere Patientenschaft, langfristig mehr Erfolg, ein entspannterer Praxisalltag. Was würden Sie einem in der Führung weniger erfahrenen neuen Kollegen empfehlen? Wahrscheinlich das Gleiche wie ich als Führungsexpertin: Klassische Führungsfallen vermeiden und stattdessen die folgenden Strategien für mehr Führungsstärke anwenden.

Strategie 1: Ja zur Führungsrolle – Ja zu den Führungsaufgaben

Zur Tätigkeit als niedergelassener Arzt oder Ärztin gehört das Führen unabdingbar dazu, so wie die Notwendigkeit einer Telefonanlage. Von Ihren MFA erwarten Sie – zu Recht – genauso, dass sie ungeliebte Aufgaben erledigen, weil diese nun mal zum Berufsbild dazugehören. Ein klares Ja zu dieser Tatsache lässt inneres Hadern verstummen und spart Zeit und Energie. Halten Sie sich vor Augen, welche Tätigkeiten zum Führen gehören. Strukturieren Sie Ihre Führungsaufgaben und planen Sie ausreichend Zeit dafür ein. Auch Führen braucht Termine! Aufschieben ist wenig hilfreich und kommt meist teuer zu stehen. Damit Ihnen Aufgaben wie Mitarbeitergespräche (noch) leichter von der Hand gehen, holen Sie sich Unterstützung. Das schenkt Ihnen Sicherheit und spart langfristig Zeit, die Sie stattdessen für die Medizin (oder Freizeit) nutzen können.

Strategie 2: Selbstreflexion und Ausbau der Führungsstärke

Welche Fähigkeiten und Stärken bringen Sie mit, die Sie als Menschen und als Führungskraft ausmachen? Empathie beispielsweise ist eine Führungsstärke, die nicht nur mit Patienten enorm hilfreich ist. Besonnenheit. Ein Gespür für Fairness. Authentizität ist eine Qualität, die von Menschen sehr geschätzt wird. Behalten Sie Ihre Stärken im Auge und nutzen Sie sie. Zusätzliche Kompetenzen lassen sich in entsprechenden Fortbildungen vertiefen, genauso wie elektrophysiologische Diagnostik. Teambesprechungen effektiv leiten, schwierige Konflikt­gespräche mit Mitarbeitern führen oder mit unterschiedlichen Persönlichkeiten umgehen, das lässt sich trainieren und schenkt mehr Souveränität und Entscheidungssicherheit.

 

Strategie 3: Feedback einholen

Es ist schwer, den Fussel auf dem eigenen Rücken zu erkennen, geschweige denn zu entfernen; vorhanden ist er trotzdem. Je höher ein Mensch in der Hierarchie steht, desto weniger erhält er Rückmeldungen, weder positive noch negative. Wer klopft Ihnen mal anerkennend auf die Schulter und sagt Ihnen, wie gut Sie etwas gemacht haben? Oder wäscht Ihnen, wenn nötig, mal gehörig den Kopf? Holen Sie sich aktiv Rückmeldungen ein, sei es von erfahrenen Kollegen oder Ihrem Team, am besten regelmäßig und von verschiedenen Seiten. Das stärkt und bestätigt und gibt Ihnen zudem die Möglichkeit, Dinge zu verbessern oder abzustellen, zum Wohle aller Beteiligten, inklusive Ihnen selbst. Auch das ist Qualitätsmanagement.

Strategie 4: Kommunikation als Kleber

Gehören Sie vielleicht zu der Hälfte der Menschheit, die eher sachorientiert ist und der Kommunikation weniger notwendig erscheint? Aus Ihrer Sicht nachvollziehbar; die andere Hälfte der Menschheit ist allerdings menschenorientiert und hat mehr Kommunikationsbedarf. Die Funktion von Kommunikation ist ähnlich der von Mörtel oder Zement, ohne den kein Gebäude standfest ist, sondern bei der nächsten stärkeren Erschütterung zu einem Steinhaufen zusammenfällt.

Der Wert von gelungener Kommunikation kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Genialerweise bietet Ihnen der Praxisalltag eine Fülle von Gelegenheiten, mit Ihrem Team zu kommunizieren:  Angefangen mit der morgendlichen Begrüßung, der kurze Plausch an der Rezeption, Teambesprechungen, Jahresgespräche, das Zwischendurchgespräch in der Teeküche, Loben oder der gelegentliche Team­event. Kommunikation ist DER Schlüssel für erfolgreiches Führen.

Strategie 5: Praxis­bespre­chun­gen nutzen

Im turbulenten Praxisalltag fallen regelmäßige Teamsitzungen gern unter den Tisch. Verständlich, denn sie kosten Zeit, und ist die Behandlung des Patienten mit akuten Herzproblemen nicht wichtiger? Jein, im ersten Moment schon, doch mittel- und langfristig „fliegt“ Ihnen Ihr Team „um die Ohren“, wenn die regelmäßige Kommunikation ausbleibt (siehe Strategie 4). Außerdem bieten Ihnen Besprechungen mit dem gesamten Team eine hervorragende Möglichkeit, sich in Ihrer Führungsrolle zu zeigen, ein Gespür für die allgemeine Stimmung zu bekommen und wichtige Botschaften zu vermitteln. Verbunden mit einem netten Austausch auf menschlicher Ebene werden Teambesprechungen zum wichtigen Beziehungskitt und zur Schmiede für Vertrauen und Zusammenhalt.

Strategie 6: Augen auf bei Konflikten

In Ihrer Praxis gibt es keine Konflikte? Fantastisch, das spricht dafür, dass Sie bereits viel Führungsarbeit und Teampflege geleistet haben. Oder auch, dass eventuell etwas übersehen wurde. Überall da, wo Menschen aufeinandertreffen, gibt es hin und wieder Konflikte. Das ist normal und natürlich. Die Frage ist nur: Wie gehen wir damit um? Sehen wir bei Konflikten dauerhaft weg und räumen sie nicht aus dem Weg, ziehen sie genauso wie bei einer nichtbehandelten Appendizitis Konsequenzen nach sich, und zwar meist größere als die ursprünglichen. Gehen Sie Konflikte beherzt an und sehen Sie genau hin. Entscheiden Sie: Wo bedarf es welchen Eingriffs? Dafür können Sie genauso ein Gespür entwickeln und Wissen darüber erlangen wie in der medizinischen Diagnostik.

Strategie 7: Freude

Als Letztes möchte ich Ihnen eine alte Weisheit mit auf den Weg geben. Eine Binsenwahrheit, die für so vieles gilt, was wir tun. Es hilft, GERN zu führen. Bekanntlich wird alles leichter und wir erbringen eine bessere Leistung, wenn wir eine Aufgabe mit Freude ausführen. Vielleicht fällt Ihnen die ein oder andere Führungsaufgabe noch leichter, wenn es Ihnen gelingt, Ihre Einstellung dazu zu ändern. Denn Führen kann tatsächlich Freude machen! Führen heißt gestalten, Ihren Berufsalltag gestalten. Führen heißt, Menschen bewegen, Ziele erreichen. Ihre ureigenen Ziele, als Mediziner in Ihrer Praxis. Dabei wünsche ich Ihnen viel Freude und Erfolg.

► Weitere Impulse und Knowhow zum Thema erfahren Sie in diesem Seminar: 26.09.2019 in Berlin „Führungsstark in der Praxis. Strategien für den Arzt und die Ärztin als erfolgreiche Führungskraft“

Nadja van Uelft
Leadership-Coach und
Führungs­trainerin
Internet: www.nadja-van-uelft.de

Interessiert an neuen Fortbildungen oder Abrechnungstipps?

Abonnieren Sie unseren Infoletter.
 

Zur Infoletter-Anmeldung

x
Newsletter-Anmeldung