Telemedizin im Berufsalltag: An die eigene Gesundheit denken 

Während Corona boomten Videosprechstunden – Ärzte sowie Patienten profitierten von dieser Art der medizinischen Versorgung gleichermaßen. Doch bis heute wird die digitale Alternative zu wenig genutzt, sagt Susanne Kreimer. Sie erklärt, wie Telemedizin den Praxisalltag erleichtern und die Arzt-Patienten-Beziehung verbessern kann.

Susanne Kreimer, Ärztin und Geschäftsführerin von Doktor.de

Frau Kreimer, warum sollten niedergelassene Ärzte Telemedizin einsetzen? 

Kreimer:

„Niedergelassene Ärzte arbeiten im Schnitt 53 Stunden pro Woche1, um die Bürger in Deutschland zu versorgen, die knapp zehnmal pro Jahr die Arztpraxis aufsuchen. Gleichzeitig hat ein Drittel der Bevölkerung den Eindruck, dass sich die medizinische Versorgung in den vergangenen Jahren verschlechtert hat.2 Vor allem der hausärztliche Bereich wird in Zukunft von einer Unterversorgung betroffen sein: Jeder siebte Hausarzt geht in absehbarer Zeit in den Ruhestand, womit zukünftig rund 11.000 Hausarztstellen unbesetzt und 20 % der Landkreise hausärztlich unterversorgt sein werden.3 Bereits jetzt geben 54 % der Hausärzte an, aufgrund des Arztmangels mehr Patienten zu versorgen als früher. Und diese zusätzliche Arbeitslast ist sehr ungleich verteilt: Ärzte in Regionen mit unter 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern sind stärker betroffen (71 %) als Ärzte in Regionen mit über 750.000 Einwohnern (34 %).3 Parallel dazu altert die Bevölkerung und die Zahl der chronischen Erkrankungen steigt. Somit müssen die verbleibenden (Haus-)Ärzte zukünftig versuchen den flächendeckenden Versorgungsmangel zu schließen. Die Konsequenz für sie: weiter steigende Arbeitsbelastung, Unzufriedenheit und die Gefahr, aufgrund von Überlastung, psychisch und physisch zu erkranken. Zudem mangelt es an qualifiziertem Praxispersonal: Jede fünfte Arztpraxis ist unterbesetzt. Der Einsatz von klugen telemedizinischen Lösungen bietet die Chance, Praxisabläufe, Zeit- und Abrechnungsmanagement sowie Sprechstundenplanung zu optimieren.“  

Verändert die Videosprechstunde auf kurz oder lang die Arzt-Patienten-­Beziehung?  

Kreimer:

„Videosprechstunden sind für Erkrankte insbesondere mit Bagatellerkrankungen eine bequeme und einfache Alternative zum physischen Besuch in der Praxis. Sie fungieren als moderner, digitaler Hausbesuch. Weitere Pluspunkte sind der Wegfall von Terminstress, aufwendigen Anfahrtswegen und langen Wartezeiten für die Patienten. Das Angebot einer videogestützten Behandlung sowie von e-Rezept und e-AU – steigert außerdem die Attraktivität der Praxis gerade für junge „Verdünner“-Patienten.“  

Wie wirkt sich die Verzahnung von digitalen und ambulanten Behandlungen auf Praxisabläufe und die Work-­Life-Balance aus?  

Kreimer:

„52 % der Ärzte geht davon aus, dass sich die Gesundheitsversorgung in Deutschland in den nächsten zehn Jahren verschlechtern wird.2 Eine nachhaltige Gesundheitsversorgung ohne Qualitätsabstriche kann zukünftig nur durch die intelligente Verzahnung von digitaler und physischer Medizin bei gleichzeitig ortsunabhängiger, digitaler Versorgung der Patienten gewährleistet werden. Dieses hybride Modell ist der Schlüssel, um Praxen personell zu entlasten sowie Patienten langfristig Zugang zu medizinischer Versorgung zu gewähren. Ein solches Konzept implementieren wir derzeit in vier Berliner Hausarztpraxen. Weitere werden in Kürze folgen.“   


1 Kassenärztliche Bundesvereinigung, Ärztemonitor 2018, www.kbv.de/media/sp/infas_TabBand_Aerztemonitor2018_Facharztgruppen_20180615.pdf 
2 MLP Gesundheitsreport 2022 Repräsentative Umfrage in Kooperation mit dem Institut für Demoskopie Allensbach. mlp-se.de/redaktion/mlp-se-de/gesundheitsreport-microsite/2022/report/mlp-gesundheitsreport-2022.pdf   
3 Robert Bosch Stiftung (Hg.). Gesundheitszentren für Deutschland Wie ein Neustart in der Primärversorgung gelingen kann, www.bosch-stiftung.de/de/publikation/gesundheitszentren-fuer-deutschland  

Das Interview führte Nina Pressentin, Senior Communications Manager bei PIABO 

Vielen Dank für das Gespräch!

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