Beschäftigungsverbote für schwangere Ärztinnen nach dem MuSchG

Noch immer verschweigen angestellte Ärztinnen ihre Schwangerschaft vielfach so lange es möglich ist, um einen Arbeitsbereichswechsel oder gar ein Beschäftigungsverbot an ihrem Arbeitsplatz zu umgehen. Zeitgleich besteht auf Arbeitgeberseite* aufgrund vermeintlicher Gesundheitsrisiken die Sorge, ein Haftungsrisiko einzugehen, wenn eine schwangere Ärztin weiterhin im gleichen Umfang wie vor der Schwangerschaft, z. B. im OP, eingesetzt wird.

Anwendungsbereich

Das MuSchG findet u. a. Anwendung bei schwangeren Ärztinnen, die einer nicht­selbstständigen, das heißt weisungsgebundenen, Beschäftigung nachgehen. Es gilt somit für schwangere Ärztinnen, die in einer Klinik oder in einer Praxis (Einzelpraxis, Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) oder Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)) angestellt sind; unabhängig davon, ob die Beschäftigung in Voll- oder Teilzeit, zeitlich befristet ist – z. B. im Rahmen einer Weiterbildung oder als Vertreterin – oder auf Minijob-Basis ausgeübt wird.

Nicht vom MuSchG umfasst sind hingegen alle selbstständigen (freiberuflichen) Ärztinnen. Ist eine Ärztin beispielsweise in einer Einzelpraxis oder einer BAG niedergelassen und schwanger, so findet das MuSchG auf sie keine Anwendung. Verlaufen Schwangerschaft oder Entbindung komplikationslos und setzt die selbstständige Ärztin ihre Tätigkeit nicht aus, stellt dies zunächst kein Problem dar. Schwierig wird es hingegen, wenn sie ihrer ärztlichen Tätigkeit aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht mehr nachgehen kann oder nach der Entbindung zeitweise nicht möchte. Zwar kann sich eine Vertragsärztin nach § 32 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit einer Entbindung bis zu einer Dauer von zwölf Monaten vertreten lassen. Alternativ kann die Zulassung auch gemäß § 95 Abs. 5 SGB V vorübergehend zum Ruhen gebracht werden. Die finanzielle Belastung, z. B. Betriebskosten für Miete und Personal, bleibt jedoch bestehen.

Praxishinweis

Den Ärztinnen, die in einer BAG zusammengeschlossen sind, empfiehlt es sich daher dringend, frühzeitig – bestenfalls im Gesellschaftsvertrag – zu regeln, wie, durch wen, in welchem Umfang und zu welchen Konditionen eine Vertretung im Falle einer Schwangerschaft und nach der Entbindung erfolgen soll.

 

Die Folge ist, dass auch heute – nach der Reform des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) im Jahr 2018 – weiterhin pauschal betriebliche Beschäftigungsverbote zulasten der schwangeren Ärztinnen, oftmals gegen ihren Willen, ausgesprochen werden, um auf „der rechtlich sicheren Seite“ zu stehen. Dies erfolgt, obschon die Reformierung des MuSchG eigentlich zum Ziel hatte, die Rechte schwangerer berufstätiger Frauen zu stärken, zeitgemäßer – angepasst an eine modernere Arbeitswelt – und anwenderfreundlicher zu werden. Dieser Beitrag befasst sich mit den rechtlichen Grundlagen der Beschäftigungsverbote für schwangere Ärztinnen nach dem MuSchG und den in diesem Zusammenhang bestehenden Herausforderungen.

Beschäftigungsverbote nach dem MuSchG

Das MuSchG regelt zwei Arten von Beschäftigungsverboten, das betriebliche und das ärztliche Beschäftigungsverbot.
Das ärztliche Beschäftigungsverbot ist in § 16 MuSchG normiert. Danach darf ein Arbeitgeber eine schwangere Frau nicht beschäftigen, soweit nach einem ärztlichen Zeugnis ihre Gesundheit oder die ihres Kindes bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist. Maßgeblich ist allein der individuelle Gesundheitszustand der Frau. Dieser muss mit den tatsächlichen Bedingungen am Arbeitsplatz in keinem Zusammenhang stehen.

Das betriebliche Beschäftigungsverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG schützt die schwangere Ärztin hingegen vor einer konkreten Gefährdung am Arbeitsplatz. Jeder Arbeitgeber ist, nachdem er von der Schwangerschaft Kenntnis erlangt hat, gemäß § 9 Abs. 1 MuSchG verpflichtet, alle aufgrund einer (bereits durchgeführten, generellen, anlassunabhängigen) Gefährdungsbeurteilung erforderlichen Maßnahmen für den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit der schwangeren Ärztin sowie der ihres Kindes zu treffen. Dabei ist zu beachten, dass der Ärztin auch während der Schwangerschaft die Fortführung ihrer ärztlichen Tätigkeit grundsätzlich zu ermöglichen ist. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber aktiv die Weiterbeschäftigung der schwangeren Ärztin zu fördern hat. Dies erfordert nach § 9 Abs. 2 MuSchG, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Gefährdungen der schwangeren Ärztin oder ihres Kindes möglichst vermieden werden und eine unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen wird. Eine unverantwortliche Gefährdung der schwangeren Ärztin liegt bei Tätigkeiten nach § 11 MuSchG vor. Dies sind u. a. Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, Biostoffen, physikalischen Einwirkungen oder belastender Arbeitsumgebung; es sei denn, die Gefährdung kann ausgeschlossen werden. Hier ist die Rechtslage für den Arbeitgeber klar bestimmt.

Liegt eine Gefährdung der schwangeren Ärztin nicht eindeutig vor, so steht der Arbeitgeber vor der Herausforderung, das MuSchG auszulegen und auf den Einzelfall anzuwenden. Eine Gefährdung ist unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist, so der Gesetzeswortlaut.
 

Rechtssichere Einordnung schwierig

Aus Angst etwaiger rechtlicher Konsequenzen agieren Arbeitgeber sodann bei der Gesetzesauslegung nach der Erfahrung aus der Praxis regelmäßig zurückhaltend. Es zeigt sich hierbei, dass trotz der Reform des MuSchG weiterhin Gesetzeslücken und daraus resultierend Unsicherheiten bei den Beteiligten bestehen. Zwar leistet der Gesetzgeber in § 9 Abs. 4 MuSchG dem Arbeitgeber Hilfestellung, indem darauf verwiesen wird, dass die Maßnahmen und die Gefährdungsbeurteilung dem Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und der Hygiene sowie den sonstigen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen müssen. Orientierung sollen hierzu die Regeln und Erkenntnisse des Ausschusses für Mutterschutz bieten. Ein Blick auf die Homepage (www.ausschuss-fuer-mutterschutz.de/arbeitsergebnisse) zeigt allerdings, dass die Arbeitsergebnisse bis dato nur als Projektskizze vorliegen. Fakt ist: Es gibt für viele ärztliche Tätigkeitsbereiche immer noch keine allgemeingültigen Regelungen oder zumindest Handlungsempfehlungen, die es Arbeitgebern ermöglicht, Tätigkeitsbereiche schwangerer Ärztinnen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung rechtssicher einzuordnen.

Stellt der Arbeitgeber eine Gefährdung der schwangeren Ärztin fest und kann er nach § 13 MuSchG vorrangig weder die Arbeitsplatzbedingungen der schwangeren Ärztin umgestalten noch ihr einen geeigneten Arbeitsplatz zuweisen, so ist er verpflichtet, das berufliche Beschäftigungsverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG gegenüber der schwangeren Ärztin anzuordnen. Der Arbeitgeber darf die ­angestellte schwangere Ärztin sodann nicht mehr weiterbeschäftigen; auch nicht, wenn diese weiterbeschäftigt werden möchte.

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers vorrangig

Die schwangere Ärztin kann auf das angeordnete betriebliche Beschäftigungsverbot nicht verzichten. Eine zwiegespaltene Situation. Denn obschon die Reform des MuSchG eigentlich darauf ausgerichtet war, der Selbstbestimmung der Frau eine große Bedeutung beizumessen und sie aktiv in die Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen, so zeigt sich, dass dies nicht vollends gelungen ist. Zwar ist der Arbeitgeber verpflichtet, mit der schwangeren Ärztin ein Gespräch zur Gefährdungsbeurteilung zu führen. Sie darf von dem Arbeitgeber aber nicht auf eigenen Wunsch beschäftigt werden, wenn die Gefährdungsbeurteilung positiv ausfällt. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist vorrangig vor der freien Entscheidung der werdenden Mutter. Dies ist zumindest in dem Fall diskutabel, in dem die schwangere Frau eine ausgebildete Ärztin ist. Einerseits wird dadurch das Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Ärztin untergraben, da diese durch ihre Qualifikation als Ärztin fachlich in der Lage ist, ihre Gefährdungslage selbst zu beurteilen und einzuordnen. Freiberufliche Ärztinnen, die nicht in den Anwendungsbereich des MuSchG fallen, haben diese Entscheidungsfreiheit. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass das MuSchG ein Arbeitnehmerinnenrecht darstellt und dem eigenen Schutz dient. Die normierte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sorgt dafür, dass die schwangere Ärztin nicht unmittelbar oder mittelbar dazu gedrängt werden kann oder sich verpflichtet fühlt, auf ihre Rechte zu verzichten und so sich oder ihr Kind zu gefährden. Wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

Weitreichende Folgen

Die Folgen sind dennoch weitreichend. Schwangere Ärztinnen verschweigen ihre Schwangerschaft auch heute noch teils bis ins 3. Trimester, um weiterhin ihrer ärztlichen Tätigkeit nachgehen zu können. Dies resultiert beispielsweise auch daher, dass die Weiterbildungsordnungen immer noch Richtzahlen vorsehen, das heißt eine bestimmte Anzahl von Erfahrungen und Fertigkeiten, die zur Erlangung des Facharztes nachgewiesen werden müssen. Eine Unterbrechung der Weiterbildung durch die Schwangerschaft und Elternzeit wird auf die Weiterbildungszeit nicht angerechnet. Die Ärztinnen befürchten durch das Beschäftigungsverbot berufliche Benachteiligung. Im Umkehrschluss werden schwangere Ärztinnen in die Geheimhaltung ihrer Schwangerschaft hineingedrängt. Anders als oftmals angenommen, besteht gerade keine Pflicht für schwangere Frauen, dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft mitzuteilen.

Fazit

Der Gesetzgeber hat deshalb die Aufgabe, das MuSchG umzusetzen. Der Ausschuss für Mutter­schutz ist verpflichtet, den gesetzgeberischen Auftrag zu erfüllen und praxisgerechte Regeln zu entwickeln. Aber auch die Arbeitgeber sind in der Pflicht: Da Ärztinnen beschäftigt werden, sind diese verpflichtet, präventiv alle (medizinischen) Arbeitsplätze mutterschutzrechtlich zu prüfen und zu beurteilen und interne Rahmenbedingungen und Vorgaben zu entwickeln, die den Einsatz schwangerer Ärztinnen ermöglichen. Dass beispielsweise die routinemäßige Testung von Patienten auf ansteckende Krankheiten umsetzbar ist, zeigt sich aktuell während der Corona-Pandemie. Aber auch die Ärztinnen sind aktiv in die Entscheidungen und die generellen Gefährdungsbeurteilungen von medizinischen Arbeitsplätzen einzubeziehen. Dies erfordert Einsatz und Kompromisse auf beiden Seiten. Am Ende wird es jedoch bei allen Beteiligten für Zufriedenheit sorgen und zur Gleichberechtigung beitragen.

* Im Beitrag verwenden wir das generische Maskulinum. Damit sind Personen jedweden möglichen Geschlechts (m/w/d) mitgedacht und mitgemeint.

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Dina Gebhardt
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Dorpatweg 10
48159 Münster
d.gebhardt@kanzlei­-am-aerztehaus.de
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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