Der Weg zum Wunschnachfolger – Praxisübertragung und ihre Tücken

Wer als Arzt oder Ärztin* mit dem Gedanken spielt, seine Praxis an einen Nachfolger abzugeben, der überträgt ein (berufliches) Lebenswerk. Häufig hat der Abgeber bereits einen Nachfolger ins Auge gefasst, dem er seine Praxis anvertrauen möchte. Auch für den Übernehmer einer Praxis handelt es sich um einen wichtigen Einschnitt in der beruflichen Weiterentwicklung. Für den einen ist die Übernahme der erste Schritt in eine selbstständige ärztliche Tätigkeit, der andere möchte seine bereits bestehende Praxis in räumlicher und/oder personeller Hinsicht erweitern. Damit die Übertragung reibungslos abläuft, sollte frühzeitig mit der Planung begonnen werden.

Die Übertragung einer Vertragsarzt­praxis an einen Praxisnachfolger ist nicht ohne weiteres möglich, es sind vielmehr in Planungsbereichen, für die Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, zahlreiche regulatorische Vorschriften zu beachten. Die Entscheidung darüber, ob und an wen eine Vertragsarztpraxis übertragen wird, obliegt dem zuständigen Zulassungsausschuss (ZA).

Nachbesetzungsverfahren

Der Gesetzgeber hat als „klassischen“ Weg für die Übertragung einer Vertragsarzt­praxis ein zweistufiges Nachbesetzungsverfahren vorgesehen. Der ZA stellt zunächst fest, ob der Sitz aus Gründen der Versorgung noch erforderlich ist. Entscheidet der ZA hierüber positiv, so wird die zuständige KV den Sitz zur Nachbesetzung ausschreiben. Um diesen ausgeschriebenen Sitz können sich sodann Fachärzte desselben Fachgebiets bewerben.

Unter allen geeigneten Bewerbern wird der ZA nach dessen Ermessen unter Beachtung der gesetzlichen Kriterien den Nachfolger auswählen. Die Möglichkeit der Einflussnahme des Praxisabgebers auf die Entscheidung ist hierbei gering. Es zeigt sich aber bereits, dass eine frühzeitige Konzeptionierung der Praxisübertragung wichtig ist, jedenfalls dann, wenn die Übertragung der Praxis auf einen bestimmten „Wunschnachfolger“ angestrebt wird.

Bewerberauswahl

Der ZA wird es zwar durchaus zur Kenntnis nehmen, wenn der Abgeber und ein Bewerber übereinstimmend erklären, die Praxis untereinander übertragen zu wollen. Dies entbindet jedoch den ZA nicht von seiner Pflicht zur Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben bei der Bewerberauswahl (s. Infokasten). 

Kriterien, nach denen der ZA potenzielle Praxisübernehmer auswählt, sind u. a.:

  • berufliche Eignung
  • Approbationsalter
  • Dauer der fachärztlichen Tätigkeit 
  • Bereitschaft der Bewerber, besondere Versorgungsbedürfnisse zu erfüllen etc.
  • Dauer der Eintragung in der Warteliste bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung

Nicht zu vernachlässigen ist auch ein Kriterium, das in der Praxis häufig den Ausschlag zugunsten eines Bewerbers gibt: die Dauer der Eintragung in der Warteliste bei der zuständigen KV. Potenziellen Praxis­übernehmern ist deshalb zu raten, sich frühzeitig in die Wartelisten jener KV-Bezirke, in denen sie sich niederlassen wollen, eintragen zu lassen.

Spielt der Kaufpreis eine Rolle?

Auch die Bereitschaft des Nachfolgers, einen höheren Kaufpreis für die Praxis zu zahlen als die Mitbewerber, beeinflusst die Bewerberauswahl durch den ZA nicht bzw. nur bedingt. Der ZA hat nur zu prüfen, ob der ausgewählte Bewerber dazu bereit ist, den Verkehrswert der Praxis zu zahlen. Ist diese Voraussetzung bei mehreren Bewerbern erfüllt, so ist es unerheblich, welcher Betrag über den Verkehrswert hinaus geboten wird.

Die Ausführungen zeigen: Eine angestrebte Praxisübertragung auf einen bestimmten Nachfolger unterliegt im Nachbesetzungsverfahren dem nicht unerheblichen Risiko, an der Entscheidung des ZA zu scheitern. 
 

Möglichkeiten einer koordinierten Übertragung 

Um der Praxisübertragung im Verfahren vor dem ZA einen kalkulierbareren Rahmen zu geben sollte möglichst frühzeitig geprüft werden, zu welchem Zeitpunkt und aus welchem Setting heraus die Praxis­abgabe erfolgen soll. Handelt es sich um die Übertragung einer Einzelpraxis oder um einen Anteil an einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG)? Kommt als Wunschnachfolger ein Existenzgründer in Betracht oder ist geplant, durch die Praxisübertragung eine bereits bestehende Praxis zu erweitern? Wie lange kann und will der Praxis­abgeber noch ärztlich tätig sein? Je nachdem, wie die Antworten auf diese Fragen lauten, kommen unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht.

in KürzeVarianten der koordinierten Praxisübertragung

  • Anschluss an bestehende Praxis durch Verzicht auf die Vertragsarztzulassung zum Zwecke der Anstellung
  • Zusammenarbeit im Job-­Sharing vor Praxisabgabe
  • Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft

Anschluss an bestehende Praxis

Will ein Übernehmer seine bereits bestehende Praxis vergrößern, so ist in Erwägung zu ziehen, dass der Praxisabgeber auf seine Zulassung zum Zwecke der Anstellung bei einem anderen Vertragsarzt oder in einem MVZ verzichtet.
► SGB V, § 103 Abs. 4a bzw. 4b

Das Ausschreibungs- und Nachbesetzungsverfahren mit seinen Unwägbarkeiten findet in dieser Variante nicht statt. Der ZA hat dem Praxisübernehmer die Genehmigung zur Anstellung des Abgebers zu erteilen, wenn „Gründe der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegenstehen“. Diese Anstellung kann auch unmittelbar in der Praxis des Übernehmers erfolgen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die beiden Praxen nicht allzu weit voneinander entfernt sind. Es kann auch in Betracht kommen, dass der verzichtende Arzt seine Tätigkeit als Angestellter weiterhin in seinen alten Praxisräumen ausübt. Für diese müsste dann vom Übernehmer eine Zweigpraxisgenehmigung beantragt werden. Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) hat insoweit neue Spielräume geschaffen. 

Mindestdauer beachten

Bei dieser Konzeptionierung der Praxis­übertragung ist aber zu beachten, dass der abgebende Arzt bei Verzicht auf seine Zulassung die Absicht haben muss, als Angestellter für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren tätig zu werden. Besteht diese Absicht nicht und endet das Anstellungsverhältnis vorzeitig, scheitert nach Rechtsprechung des Bundes­sozialgerichts die Nachbesetzung der genehmigten Anstellung. Das heißt, die Arztstelle verfällt ersatzlos. 

Nach Ablauf von drei Jahren hat der Übernehmer nach Beendigung der Anstellung des Abgebers einen Anspruch auf Erteilung der Anstellungsgenehmigung eines Nachfolgers. Denn die Arztstelle ist dauerhaft an den Praxisübernehmer gebunden. Wenn sich die Zusammenarbeit mit dem angestellten Arzt bewährt, und der Übernehmer sich vorstellen könnte, mit diesem eine BAG zu gründen, ist dies auch lösbar. So sieht das Gesetz die Möglichkeit der Umwandlung von genehmigten Anstellungen in Zulassungen vor, die wiederum Voraussetzung dafür sind, um eine BAG zu gründen.

Zusammenarbeit im Job-Sharing

Zur Ebnung des Wegs zur Veräußerung der Praxis auf einen Wunschnachfolger kommt zudem eine vorherige Zusammenarbeit im Rahmen des Job-Sharings zwischen dem Praxisabgeber und dem Wunschnachfolger vor der Praxisübertragung in Betracht. Das Gesetz sieht nämlich vor, dass ein Bewerber, der zuvor als angestellter Arzt des Praxisabgebers tätig war oder der als Vertragsarzt mit dem Praxis­abgeber die Praxis gemeinschaftlich betrieben hat, besonders vom ZA zu berücksichtigen ist. Auch hierfür ist jedoch mehr als eine nur kurzfristige Zusammenarbeit erforderlich. Bei dieser Variante der Konzeptionierung der Praxisnachfolge sind zuvor die wirtschaftlichen Auswirkungen, die aus dem Job-Sharing resultieren, sorgsam zu prüfen. So ist geregelt, dass im Regelfall für die Dauer des Job-Sharings eine Leistungs­beschränkung in der vertragsärztlichen Vergütung hinzunehmen ist. 

Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft

Eine weitere Variante stellt die Gründung einer BAG mit einem oder mehreren Vertragsärzten dar. Bei der Auswahl der Bewerber sind nämlich die Interessen der in der Praxis des Abgebers verbleibenden Ärzte (also seiner Mitgesellschafter) vom ZA angemessen zu berücksichtigen. Den verbleibenden Gesellschaftern kann eine Zusammenarbeit mit einem von ihnen nicht akzeptierten Nachfolger nicht aufoktroyiert werden. Ebenso sind Bewerber, die nicht bereit sind, in die BAG einzutreten, bei der Auswahl grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig. 

Somit gilt grundsätzlich, dass – zumindest bei hinreichender Dauer der BAG und Intensität der Zusammenarbeit in der BAG – vom ZA kein Bewerber im Nachbesetzungsverfahren gegen den Willen der Mitgesellschafter ausgewählt werden darf. Die Gründung einer BAG ist somit (nicht nur) zur Vorbereitung einer Praxisübertragung ein probates Mittel.

Fazit

Die Varianten der koordinierten Praxis­übertragung bieten vielfältigen Gestaltungsspielraum. Die Konzeptionierung sollte frühzeitig geplant und in die Wege geleitet werden, um zum Erfolg führen zu können. Es ist deshalb anzuraten, sich bei der Planung einer Praxisübertragung rechtzeitig kompetente Beratung einzuholen. Dies gilt auch für die Gestaltung der nötigen Verträge. 

►  Teil 2 des Beitrags mit Tipps zur Vertragsgestaltung des Praxiskaufvertrages aus der Ausgabe 4/2020 der Wirtschaftsmagazine finden Sie hier.

* Zum Zwecke der besseren Lesbarkeit wird im Beitrag allein die maskuline Form verwendet, selbstverständlich sind hiermit alle Geschlechter angesprochen.

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Christian Gerdts
Fachanwalt für Medizinrecht 
Wiebke Düsberg
Fachanwältin für Medizinrecht

CausaConcilio Rechtsanwälte – 
Kiel, Hamburg, Flensburg, Schönberg
www.causaconcilio.de

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