Diese Auskünfte dürfen Praxischefs (nicht) über ehemalige Mitarbeiter geben

Der ehemalige Arbeitgeber* kann ein berechtigtes Interesse daran haben, Informationen über einen ehemaligen Arbeitnehmer an den zukünftigen Arbeitgeber zu übermitteln. Die Weitergabe dieser Informationen/Daten ist indes nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Was genau ist bei der Verschwiegenheitspflicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Praxismitarbeiter zu beachten?

Die Erteilung und der Inhalt eines Zwischen- oder qualifizierten Endzeugnisses werden im Falle eines streitigen Kündigungsschutzverfahrens nebst Beendigung des Arbeitsverhältnisses häufig einvernehmlich im Wege eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs oder eines außergerichtlichen Aufhebungs- und/oder Abwicklungsvertrags zugunsten des ausscheidenden Arbeitnehmers mitgeregelt. Ihre Aussagekraft ist in diesen Fällen für potenzielle Neuarbeitgeber daher eher gering. Neuarbeitgeber haben insoweit regelmäßig ein nachvollziehbares Interesse daran, sich über den jeweiligen Kandidaten für eine Neueinstellung vorab ausführlich bei dem ehemaligen Arbeitgeber zu erkundigen. Was aber darf der Altarbeitgeber preisgeben, ohne gegen zwingende Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) oder des Strafgesetzbuches (StGB) zu verstoßen?  

Rechtlicher Hintergrund 

Gemäß § 109 Gewerbeordnung (GewO) hat der Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtlichen Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.  

Arbeitgeber haben darüber hinaus bei einer Auskunftserteilung an Dritte vor allem die zwingenden Vorgaben der DSGVO, des BDSG sowie des StGB zu beachten. Auskünfte an den potenziellen neuen Arbeitgeber sind danach in der Regel ohne ausdrückliche Einwilligung des ehemaligen Arbeitnehmers nicht zulässig. Es fehlt insoweit an einer Erlaubnisnorm im Sinne der DSGVO. Die unbefugte Weitergabe personenbezogener Daten kann gemäß Art. 83 DSGVO mit einer Geldbuße geahndet werden.  

Im Falle einer unberechtigten Auskunftserteilung können dem ehemaligen Arbeitnehmer zudem Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gegen den ehemaligen Arbeitgeber zustehen. Ferner kann ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO in Betracht kommen (s. Infokasten). 

Artikel 82 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)„Art. 82 DSGVO Haftung und Recht auf Schadenersatz 

1. Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. 

2. Jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche haftet für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde. Ein Auftragsverarbeiter haftet für den durch eine Verarbeitung verursachten Schaden nur dann, wenn er seinen speziell den Auftragsverarbeitern auferlegten Pflichten aus dieser Verordnung nicht nachgekommen ist oder unter Nichtbeachtung der rechtmäßig erteilten Anweisungen des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen oder gegen diese Anweisungen gehandelt hat. 

3. Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter wird von der Haftung gemäß Absatz 2 befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist. 

4. Ist mehr als ein Verantwortlicher oder mehr als ein Auftragsverarbeiter bzw. sowohl ein Verantwortlicher als auch ein Auftragsverarbeiter an derselben Verarbeitung beteiligt und sind sie gemäß den Absätzen 2 und 3 für einen durch die Verarbeitung verursachten Schaden verantwortlich, so haftet jeder Verantwortliche oder jeder Auftragsverarbeiter für den gesamten Schaden, damit ein wirksamer Schadensersatz für die betroffene Person sichergestellt ist.“ 

 

Schadensersatzanspruch 

Ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO setzt danach voraus, dass dem ehemaligen Beschäftigten durch die unberechtigte Auskunftserteilung ein materieller oder immaterieller (also nicht das Vermögen betreffender) Schaden, etwa in Form der kausalen Absage eines Stellengesuchs, entstanden ist. Die Darlegungs- und Beweislast für den Schaden sowie den Umstand, dass dieser Schaden im Verantwortungsbereich des Altarbeitgebers lag, trägt der Arbeitnehmer. Aufgrund der in Art. 82 Abs. 3 DSGVO hinterlegten Beweislast­umkehr kann sich der Altarbeitgeber ggf. exkulpieren bzw. entlasten.  

Darüber hinaus kann sich der Altarbeitgeber durch eine unberechtigte Auskunftserteilung wegen Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) oder übler Nachrede (§ 186 StGB) strafbar machen. Auch der Straftatbestand des § 42 Abs. 1 und 2 BDSG kann unter Umständen verwirklicht sein (diese sind die gewerbs­mäßige Weitergabe von personenbezogenen Daten oder die Weitergabe der Daten zum Zwecke der persönlichen Bereicherung oder Schädigung des Betroffenen).  
 

Was ist Altarbeitgebern  (nicht) erlaubt? 

Eine Antwort dazu liefert das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung vom 05.07.2022, Az. 6 Sa 54/22. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der Geschäftsführer des ehemaligen Arbeitgebers den Neuarbeitgeber telefonisch darauf hingewiesen, dass 

  • der Lebenslauf der Arbeitnehmerin bei der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses eine unwahre Angabe hinsichtlich deren Vorbeschäftigung enthalten habe; 
  • die Arbeitnehmerin nicht fähig gewesen sei, selbst einen Dienstplan zu erstellen und es fremder Hilfe durch ihren Ehemann bedurft habe, wobei sie einen schwerwiegenden Datenschutzverstoß begangen habe, indem sie vertrauliche Daten an einen Dritten übersandt habe; 
  • die Arbeitnehmerin habe andere Mitarbeiterinnen angewiesen, Pflegeleistungen im rechtlichen Sinne zu erbringen, obwohl nur sogenannte „Alltagsdienste“ erbracht werden durften, wobei sie konkret das Füttern und Entschleimen eines Kunden angeordnet habe, was aber verboten gewesen sei; 
  • die Arbeitnehmerin mehrere Nachmittage unentschuldigt von der Arbeit ferngeblieben und sich privaten Angelegenheiten gewidmet habe.  

Die Arbeitnehmerin verklagte den Altarbeitgeber erfolgreich auf Unterlassung, da der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach den §§ 1004, 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit Art. 1, 2 Grundgesetz (GG) nach Ansicht des LAG bestehe. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers könnten zwar durch die Wahrnehmung überwiegend schutzwürdigender Interessen gerechtfertigt sein. Insoweit bedürfe es im Einzelfall einer Güter- und Interessenabwägung, um zu klären, ob dem Persönlichkeitsrecht des Einen gleichwertige und schutzwürdige Interessen anderer gegenüberstehen. Der Arbeitgeber sei aus dem Gesichtspunkt der nachwirkenden Fürsorgepflicht gehalten, über die Erteilung eines Zeugnisses hinaus im Interesse des ausgeschiedenen Arbeitnehmers Auskünfte über diesen an solche Personen zu erteilen, mit denen der Arbeitnehmer in Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrags steht; solche Auskünfte dürfe der Arbeitgeber auch gegen den Willen des Arbeitnehmers erteilen; er könne grundsätzlich nicht gehindert werden, andere Arbeitgeber bei der Wahrung ihrer Belange zu unterstützen.  

Der Hinweis auf einen lückenhaften Lebenslauf begründe kein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers. Demgegenüber habe die Arbeitnehmerin ein berechtigtes Interesse daran, den Verlauf vorangegangener Arbeitsverhältnisse entsprechend ihrer persönlichen Wahrnehmung zu schildern und nicht befürchten zu müssen, dass subjektive Wahrnehmungen des Altarbeitgebers ihren Ruf schädigen. Auch hinsichtlich des Vorwurfs, die Arbeitnehmerin habe gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen, indem sie ihren Ehemann veranlasst habe, den Dienstplan zu erstellen, bestehe kein überwiegendes Interesse an der Weitergabe dieser Information. Es sei nicht ersichtlich, wie ein überwiegendes Interesse bestehen solle, technische Schwächen in einem Einzelfall gegenüber der neuen Arbeitgeberin zu offenbaren, nachdem Anhaltspunkte für künftiges Fehlverhalten nicht existieren und ein Schaden offensichtlich im konkreten Fall nicht eingetreten sei. Ähnliches gelte für die weiteren Äußerungen des Geschäftsführers. Das LAG äußerte insoweit abschließend den Eindruck, dass die Äußerungen des Geschäftsführers zum Teil durch die Auseinandersetzung der Parteien im Zusammenhang mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bedingt seien.  

Handlungsempfehlung

Arbeitgebern ist aus anwaltlicher Vorsicht der rechtssicherste Weg zu raten. Dieser Weg besteht sicherlich darin, vor der Auskunftserteilung die schriftliche Einwilligung des Arbeitnehmers einzuholen. Ferner sollten grundsätzlich keine über den Inhalt der erteilten Zeugnisse hinausgehenden Informationen erteilt werden. Aufgrund der Unklarheiten in der aktuellen Rechtsprechung sind folgende Handlungsempfehlungen angezeigt: 

  • Der betroffene Arbeitnehmer ist grundsätzlich über die Anfrage eines potenziellen Neuarbeitgebers zu informieren. 
  • Die schriftliche Einwilligung der Beschäftigten zur Datenverarbeitung und Auskunftserteilung muss im Vorfeld eingeholt werden. 
  • Auskünfte dürfen nur erteilt werden, wenn die Erteilung im Interesse des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers liegt.
  • Im Zweifelsfall sollte der betroffene Arbeitnehmer selbst über die Auskunftserteilung entscheiden.
  • Binden Sie den betrieblichen Datenschutzbeauftragten mit ein.
  • Eine berechtigte Auskunftserteilung sollte nur auf einem gesicherten Übertragungsweg (d. h. Post oder digital mit Verschlüsselung) erfolgen.  
 

 

Fazit

Das LAG stellt damit klar, dass der Altarbeitgeber dem Neuarbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen auch für den ehemaligen Arbeitnehmer belastende Auskünfte gegen dessen Willen geben darf. Dafür müsste ein berechtigtes Interesse des Altarbeitgebers bestehen, Informationen über seinen ausgeschiedenen Arbeitnehmer an dessen neuen Arbeitgeber weiterzugeben. Dies sei auch ohne Einwilligung des Arbeitnehmers erlaubt. In welchen Fällen eine Auskunftserteilung berechtigt sein soll bzw. wann ein berechtigtes Interesse vorliege, spart das LAG indes aus.

* Zur besseren Lesbarkeit kann in Texten das ­generische Maskulinum verwendet werden. ­Nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

Tim Hesse
Rechtsanwalt 
Zertifizierter Datenschutzbeauftragter (TÜV)
Kanzlei am Ärztehaus
Dorpatweg 10, 48159 Münster und Freie-Vogel-Str. 367, 44269 Dortmund
0251 270 7688–0
t.hesse@kanzlei-am-aerztehaus.de
www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Benedikt Büchling
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits-, Medizin und Handels- und Gesellschaftsrecht
Kanzlei am Ärztehaus
Freie-Vogel-Str. 367, 44269 Dortmund und Feithstr. 137a, 58097 Hagen
0251 270 7688–0
b.buechling@kanzlei-am-aerztehaus.de
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