Einsichtnahme und Auskunft nach dem Datenschutz – Wozu ist der Arzt verpflichtet?

Patienten haben gegenüber dem behandelnden Arzt einen Anspruch auf Einsicht in die sie betreffenden Patientenunterlagen. Doch zunehmend berufen sich die Patienten jetzt auf „ihr“ Recht zur Auskunft nach dem Datenschutz. Was hat das auf sich und hat sich hier etwas zur alten Situation, zum Beispiel bei den Kosten von Kopien, geändert? Gibt es jetzt „mehr“ Auskunftsrechte zu beachten? Der folgende Beitrag gibt Antworten.

Der Anspruch auf Gewährung von Einsicht in Unterlagen für den Patienten ergibt sich aus § 630g Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw. aus den Berufsordnungen der Ärzte­kammern in den einzelnen Bundesländern (z. B. § 10 Abs. 2 Berufsordnung der Ärztekammer Berlin). Neben diesen Rechten ergeben sich aus Art. 15 Abs. 1 und 3 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) auch Rechte auf Auskunft über die personenbezogenen Patientendaten, die der Arzt zur Ausübung seiner Tätigkeit speichert und verarbeitet. Die Auskunftsansprüche stehen nebeneinander und überschneiden sich teilweise.

Wichtig: Die Unterschiede finden sich vor allem beim Umfang der jeweiligen Auskunftsansprüche als auch bei der Pflicht zur Kostentragung.

Welche Patientenunterlagen meint der Datenschutz?

Die Auskunftsrechte des Patienten nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO bestehen unabhängig neben den erwähnten Rechten auf Einsichtnahme in die (physischen) Krankenunterlagen. Sie umfassen die Informationen, die sich aus Art. 15 Abs. 1 a) bis h) DS-GVO ergeben. Für den Fall, dass ein Patient einen solchen Anspruch geltend macht, sind diese im Wesentlichen:

  • die Verarbeitungszwecke der erhobenen Daten (z. B. Heil­behandlung, Abrechnung gegenüber Krankenkassen etc.)
  • die Kategorien der verarbeiteten Daten (Gesundheitsdaten, genetische Daten und sonstige personenbezogene Daten)
  • die Empfänger der jeweiligen personenbezogenen Daten (Sozial­versicherungen, KVen)
  • die Speicherdauer der personenbezogenen Daten unter Angabe der turnusmäßigen Löschfristen
  • die Rechte der betroffenen Patienten in Hinblick auf die Datenverarbeitung (diese wären: Berichtigung, Löschung, Einschränkung der Verarbeitung, Widerspruch und das Recht auf Beschwerde bei der jeweils zuständigen Landesaufsichtsbehörde für den Datenschutz, also den Landes­beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit)
  • bei Daten, die nicht vom behandelnden Arzt beim Patienten selbst erhoben worden sind, auch die Herkunft dieser personen­bezogenen Daten gegenüber dem Patienten

Praxishinweis: Die „allgemeinen“ Informationspflichten aus Art. 13, 14 DS-GVO, die vom Arzt als datenschutzrechtlich „Verantwortlichem“ im Vorfeld der Behandlung zu erfüllen sind, stehen dabei in untrennbarem Zusammenhang mit dem Auskunftsrecht. Der Arzt sollte hierbei die Vordrucke oder Formulare nutzen, die von den meisten Ärztekammern angeboten werden.

Welche Patientenunterlagen sind zivilrechtlich gemeint?

Nach wie vor haben Patienten neben den Auskunftsrechten aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DS-GVO einen Anspruch gegen den behandelnden Arzt auf Einsichtnahme in die sie betreffenden Behandlungsunterlagen nach § 630g BGB und den Berufsordnungen der Landesärztekammern. Dabei muss die ärztliche Dokumentation für den Patienten den wesentlichen Behandlungsverlauf nachvollziehbar machen, um eine Weiterbehandlung zu sichern. Das Einsichtnahmerecht umfasst daher neben den eigenen Dokumentationen des Arztes (auch bezüglich persönlicher und subjektiver Wahrnehmungen) zudem Fremdbefunde und Arztbriefe.

Aushändigung von Kopien

Nach § 630g Abs. 2 BGB kann der Patient vom behandelnden Arzt „elektronische Abschriften von der Patientenakte“ verlangen. Ist die Behandlung elektronisch dokumentiert, kann der Arzt diesen Anspruch sowohl durch einen entsprechenden Ausdruck, als auch durch Überlassung einer Kopie auf einem Datenträger erfüllen. Nach den §§ 630g Abs. 1 S. 3, 811 BGB ist der Leistungsort auch für die Einsichtnahme die Praxis als Aufbewahrungsort der entsprechenden Dokumentationen, sodass auch Kopien nach diesen Bestimmungen vom Arzt nur dort bereitgehalten, aber nicht an den Patienten übersandt werden müssen.
 

Kann die Herausgabe verweigert werden?

Eine Verweigerung der Einsichtnahme in die Patientenunterlagen kann der Arzt nach § 630g Abs. 1 S. 1 BGB auf erhebliche therapeutische Gründe oder erhebliche Interessen Dritter stützen, die einer solchen Einsichtnahme aus seiner Sicht entgegenstehen. Darüber hinaus wird man auch erhebliche Rechte des Arztes selbst, wie in den Berufsordnungen der Landesärztekammern teilweise erwähnt, als erheblichen Verweigerungsgrund ansehen müssen. Doch Vorsicht: Diese Verweigerungsgründe sind die Ausnahme. Das bedeutet, dass sie eng auszu­legen und anzuwenden sind. Der Arzt muss diese zudem nach § 630g Abs. 1 S. 2 BGB begründen.

 

Praxishinweis: Eine Ablehnung der Einsichtnahme aus therapeutischen Gründen setzt dabei voraus, dass es zum Schutz des Patienten selbst erforderlich ist, ihm die Einsichtnahme in seine Patientenakte zu verweigern, z. B. bei psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungen. Psychisch stabilen Patienten ist dagegen in der Regel zuzubilligen, wie viel sie durch Einsichtnahme in die Patientenakten erfahren möchten.

Persönlichkeitsrechte Dritter

Schwierig wird die Abwägung, wenn die Behandlungsunterlagen auch sensible Informationen über nahestehende Dritte enthalten, wie beispielsweise Eltern. In solchen Fällen kann das Informationsinteresse des Patienten zurückstehen, wenn Persönlichkeitsrechte Dritter überwiegen und die betroffenen Dritten einer solchen Einsichtnahme nicht ausdrücklich und freiwillig zustimmen.

Rechte des Arztes

Entgegenstehende Rechte des behandelnden Arztes können nur ausnahmsweise dem Einsichtnahmeverlangen des Patienten erfolgreich entgegengehalten werden. Zum Beispiel, wenn bei einer Psychotherapie Aufzeichnungen eigener Gefühle den intimen Bereich des Arztes betreffen, die allein zum Zwecke eigener Reflexion gefertigt wurden. Als Richtschnur gilt aber, dass bei allen Aufzeichnungen, die bestimmungsgemäß auch Dritten zur Kenntnis gelangen, ein überwiegendes Interesse des Arztes an deren Geheimhaltung ausscheidet.

Erhalt einer Datenkopie 

Neben den Einsichtnahmerechten in die Behandlungsunterlagen gibt es seit Wirksamwerden der DS-GVO am 25.05.2018 auch den Anspruch auf Erhalt einer „Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind“ des Patienten (Betroffener) gegenüber dem behandelnden Arzt (Verantwortlicher). Diese Datenkopie ist im Ergebnis nichts anderes als eine Kopie der kompletten Behandlungsdokumentation und damit der Patientenakte. Insofern ist in Art. 15 Abs. 3 S. 3 DS-GVO bestimmt, dass diese „Zur Verfügung Stellung“ in einem gängigen elektronischen Format zu erfolgen hat, soweit der Betroffene nichts anderes angibt. Das heißt, der Arzt muss dem Patienten die Einsicht in dessen Behandlungsdokumentation durch Einräumen eines gesicherten individuellen Fernzugangs oder durch Überlassung der Daten auf einem gesicherten physischen Datenträger ermöglichen, sofern sich der Patient nicht ausdrücklich mit der Überlassung eines Ausdrucks in Papierform einverstanden erklärt.

Kosten für Kopien

Auch unter dem Aspekt der Kostentragung sind die Regelungen unterschiedlich: 

  • Nach § 630g Abs. 2 S. 2 BGB trägt der Patient die entstandenen Kosten für die elektronische Abschrift der Patientenakte. 
  • Nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO muss die Herausgabe der Erstkopie der personenbezogenen Daten für den Betroffenen kostenfrei erfolgen.

FAZITWird der Arzt mit einem Einsichtnahmeverlangen in Patientenunterlagen konfrontiert, sollte zunächst abgeklärt werden, ob ein solches Verlangen auf zivilrechtlicher Grundlage (§ 630g BGB) oder datenschutzrechtlicher Grundlage erfolgt, weil die hier aufgezeigten Konsequenzen unterschiedlich sein können. Weitgehende Einigkeit besteht aber darüber, dass die Auskunftsverweigerungsgründe des § 630g Abs. 1 BGB über Art. 15 Abs. 4 DS-GVO auch dem Verlangen des Patienten auf Herausgabe einer Kopie der personenbezogenen Daten entgegengehalten werden können. 
Im Ernstfall und wenn sich der behandelnde Arzt nicht sicher ist, wie er mit einem entsprechenden Patientenverlangen zu verfahren hat, ist die Einholung anwaltlichen Rats dringend zu empfehlen.

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Heike Mareck
Rechtsanwältin
Kanzlei Mareck
Tannenstr. 52a
44225 Dortmund
www.kanzlei-mareck.de

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